Test mit Dieselfahrzeugen Autobauer schummeln bei Angabe von Schadstoffwerten

Qualmender Auspuff: "Technologien für saubere Diesel-Pkw existieren"
Foto: Ulrich Perrey/ picture-alliance/ dpaHamburg - Moderne Dieselautos belasten die Umwelt einer Studie zufolge stärker als bislang angenommen. Diesel-Pkw stießen im Durchschnitt etwa siebenmal so viel Stickoxide aus wie nach der EU-Norm Euro 6 erlaubt, heißt es in einer Studie des Forschungsinstituts International Council on Clean Transportation (ICCT).
Stickoxide werden als gesundheitsschädlich eingestuft und können zu Atemwegserkrankungen führen. Fahrzeuge dürfen nach der Euro-6-Norm nicht mehr als 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen. Die ICCT-Forscher untersuchten nach eigenen Angaben 15 moderne Diesel-Fahrzeuge von unterschiedlichen Herstellern. Die getesteten Pkw stießen demnach im Schnitt 560 Milligramm pro Kilometer aus. Benzinautos erfasste die Studie nicht, da sie meist die Grenzwerte für Stickoxide einhalten.
Namen und Hersteller der untersuchten Modelle und ihr jeweiliges Abschneiden werden in der Studie nicht genannt. Hintergrund sind laut Angaben von ICCT Vereinbarungen mit Behörden und anderen Forschungseinrichtungen, die Daten über die jeweiligen Modelle zur Studie beigesteuert haben.
"Weder 'extreme' noch 'untypische' Fahrsituationen"
Mit der Studie will das Forschungsinstitut ICCT einerseits belegen, wie realitätsfern der Testzyklus NEFZ ist: Anhand des Normzyklus werden die offiziellen Emissionswerte von Neuwagen ermittelt. Die Werte liegen unter anderem den Berechnungen zugrunde, ob die Fahrzeughersteller die EU-Grenzwerte einhalten. Der NEFZ-Test findet unter Laborbedingungen statt und lässt den Herstellern viel Spielraum, die Autos für die Testbedingungen zu optimieren. Dabei wird auch der Kunde getäuscht, weil die offiziellen Verbrauchsangaben oft weit unter dem tatsächlichen Spritbedarf liegen.
Für die nun vorgestellte Studie setzten die Forscher sogenannte PEMS-Messgeräte ein, die den Ausstoß von Pkw im Alltagsbetrieb - also auf der Straße - messen. "Der überwiegende Teil der beobachteten Überschreitungen konnte weder 'extremen' noch 'untypischen' Fahrsituationen zugeordnet werden", heißt es in der Studie. So seien etwa bei leichten Steigungen im Alltagsbetrieb stark erhöhte Stickoxid-Emissionen gemessen worden.
Einige der getesteten Fahrzeuge hätten aber auch Emissionen unterhalb der EU-Norm aufgewiesen. Dies weise darauf hin, dass "die Technologien für saubere Diesel-Pkw bereits heute existieren", teilen die Forscher mit.
Derzeit bereitet die Europäische Kommission die Einführung von Straßentests für Pkw-Neuzulassungen vor, die den NEFZ-Test ablösen sollen. Zur Diskussion steht ein Verfahren namens WLTP (World Light Vehicles Test Procedure), das die Vereinten Nationen im November vergangenen Jahres verabschiedet haben.
Es sieht eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h statt bisher 120 km/h vor, eine stärkere Beschleunigung sowie eine Temperatur in der Testanlage von 23 statt 30 Grad. Wann WLTP kommt, ist allerdings unklar, weil es den Parlamenten der beteiligten Staaten selbst obliegt, das Messverfahren als nationales Recht einzuführen. Die meisten Nationen wollen die Methode ab Oktober 2015 zum Standard der Verbrauchsermittlung machen. In Deutschland soll es 2016 oder 2017 so weit sein.
Verklebte Kühlergrille, abgedichtete Türschlitze
Bis es so weit ist, können die Autobauer weiterhin die geschönten Werte angeben und sich dabei auf den offiziellen NEFZ-Test berufen. Welche Tricks sie dabei anwenden - teilweise werden laut ICCT Türschlitze und Kühlergrill verklebt, um die Aerodynamik zu verbessern - legen sie dabei nicht offen.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) kritisierte, dass die Messverfahren und Messgeräte für Straßentests derzeit noch nicht "ausgereift und zertifiziert" seien. Die Automobilindustrie befürworte Straßentests aber generell und unterstütze die Entwicklung des Verfahrens, teilte eine Sprecherin mit.