Zukunftspläne des Fahrdienstvermittlers Uber das Auto hinaus

Uber will viel mehr sein als ein Taxidienst. Um zum führenden Mobilitätsanbieter zu werden - egal ob für Auto, Fahrrad, Scooter, Zug oder Bus - paktiert das Unternehmen jetzt mit dem öffentlichen Nahverkehr.
Im malayischen Penang wartet ein Mann auf ein Uber-Auto (Archivbild)

Im malayischen Penang wartet ein Mann auf ein Uber-Auto (Archivbild)

Foto: TY Lim/ Shutterstock

Uber, die kalifornische Firma, die jeden zum Taxifahrer machen will, hat den Sprung an die Börse geschafft. Wie nicht anders zu erwarten für dieses großspurige Unternehmen, das vor erst zehn Jahren in San Francisco gegründet wurde, gelang nach einer Bewertung von 82 Milliarden Dollar einer der größten Tech-Börsengänge überhaupt. Und das, obwohl Uber noch kein Geld verdient. Am Ende des ersten Handelstages hatte die Aktie allerdings knapp acht Prozent ihres Werts verloren.

In Deutschland ist Uber vor allem als Taxi-Tod bekannt, als Sinnbild der Existenzbedrohung einer ganzen Branche. Doch Uber will mehr als bloß eine Taxi-Alternative sein. Die Ambitionen des Unternehmens reichen auch weit über das Auto hinaus. Uber will zum Hauptumschlagplatz der neuen Mobilität werden - sei es per Auto oder öffentlichem Verkehr, per Fahrrad oder Elektrostehroller, für Menschen oder Waren.

Das "Amazon des Transportwesens"

"Wir möchten die zentrale Anlaufstelle für die elektrifizierte Sharing-Mobility werden", sagt Andrew Salzberg, Chef für Mobilitätsforschung bei Uber, bei einem Pressetag vor ein paar Wochen in Santa Monica. "Wir möchten, dass die Leute unsere App aufrufen, wann immer sie an Fortbewegung denken", ergänzt David Reich, Chef von Uber Transit, der für gemeinsame Projekte von Uber mit dem öffentlichen Verkehr zuständig ist. Die griffigste Formel stammt vom Uber-CEO Dara Khosrowshahi selbst: "Wir wollen das Amazon des Transportwesens sein."

Hier, an der Ocean Avenue in Santa Monica, wo Uber residiert, ist die Zukunft fast schon Gegenwart. Betrachtet man die Autos auf den Straßen, trägt geschätzt jedes zweite das Uber-Logo. Auf den Gehsteigen stehen Miet-Elektrofahrräder und -Elektroroller zu Dutzenden. Wer sich hier bewegt, braucht kein eigenes Fahrzeug mehr.

Autonom, vernetzt, elektrisch und gemeinschaftlich in die Zukunft

Stehen wir, wie eine neue McKinsey-Studie glaubt, vor der "zweiten großen Wende der Mobilität"? Die erste, am Ausgang des 19. Jahrhunderts, ersetzte das Pferd und den Dampfantrieb durch den Verbrennungsmotor. Wird es dem Privatwagen ergehen wie dem Pferd? Künftige Historiker könnten auf das Besitzautomobil und das von ihm dominierte 20. und frühe 21. Jahrhundert zurückblicken wie auf einen kuriosen Irrweg der Geschichte. Aber wenn das Auto, wie wir es kennen, verschwinden soll, was tritt dann an seine Stelle?

Keine Debatte um die Zukunft der Mobilität, keine Fachkonferenz, keine Studie kommt mehr ohne das Zauberwort "ACES" aus, ein Akronym, das (im Englischen) für vier verschiedene Trends steht: Autonomous Driving, Connectivity, Electro-Mobility und Sharing-Mobility. Die Transportmittel der Zukunft werden also, so die These, autonom, vernetzt, elektrisch und gemeinschaftlich sein.

Auch öffentlicher Nahverkehr soll in die Uber-App

Uber basiert grundsätzlich auf Konnektivität und Sharing; elektrisch sind zumindest seine Scooter und Fahrräder; und am selbstfahrenden Auto wird gearbeitet. Vorerst aber will Uber zu einer "All-in-one-App" für Mobilität jeder Art werden. Und diese ist in Denver, Colorado, bereits Realität, wenn auch im Versuchsstadium.

Uber ist hier eine Kooperation mit der lokalen Dachorganisation für öffentlichen Verkehr (Regional Transportation District, RTD) eingegangen und bietet all deren Angebote in seiner App mit an. "Der öffentliche Verkehr ist oft schneller und billiger als alle anderen Transportmittel und wir wollen unseren Nutzern die Möglichkeit geben, diese Optionen in der App zu finden", sagt David Reich.

Ziel: Marktdominanz

Wer also von seinem Haus zum Flughafen will, dem wird Uber nicht bloß die direkte Autofahrt vorschlagen, sondern den Weg unterteilen in einen kurzen Uber-Ride, eine anschließende S-Bahnstrecke zum Bahnhof und eine Zugfahrt. Die Livedaten für alle Möglichkeiten des öffentlichen Verkehrs kommen vom Partner Moovit, den Ticketkauf aus der App heraus (der noch nicht übergreifend funktioniert) organisiert eine Firma namens Masabi.

Warum leitet Uber seine Kunden an, auf den ÖPNV umzusteigen? Bei seinem Vortrag in Los Angeles wird David Reich drei Mal von Journalisten gefragt, wie Uber mit diesem Service Geld verdienen will, ob und in welcher Höhe die Firma am Ticketverkauf beteiligt sei, doch Reich schweigt sich aus. Das übergeordnete Ziel, sagt er dann, sei es, die Leute auf die Uber-App zu holen, sobald sie an Fortbewegung auch nur denken. "Wir wollen den Menschen ermöglichen überall hinzukommen. Dabei verdienen wir mit manchen Teilen unseres Angebots Geld, mit anderen Teilen nicht." Es geht also in diesem Stadium vor allem um Wachstum, um Vorherrschaft auf dem Spielfeld der Mobilität, um die eigene Unausweichlichkeit.

Deutsche Bahn will Uber zuvorkommen

Dass Uber und der öffentliche Nahverkehr zu Partnern werden, war nicht abzusehen. Lange wurde Uber gerade dafür kritisiert, den öffentlichen Verkehrsmitteln die Kundschaft wegzunehmen. Eine Studie der University of California in Davis kam 2017 zum Schluss, dass Fahrdienstleister ("Ride-Hailing") wie Uber oder Lyft in den USA zu einem Rückgang von sechs Prozent der Busnutzung und drei Prozent bei Straßenbahnen geführt hätten. Es gibt auch Erhebungen, die zum gegenteiligen Ergebnis kommen: Angebote wie die von Uber führen dem öffentlichen Nahverkehr Kunden zu, indem sie quasi das Kapillarsystem bilden, das die Hauptarterien, also die Massentransportmittel, nährt.

Eine sehr ähnliche Idee verfolgt in Deutschland die Deutsche Bahn - womöglich um damit Uber zuvorzukommen, das in Deutschland auch aus rechtlichen Gründen erst mit einem Rumpfangebot präsent ist. Wie der SPIEGEL kürzlich berichtete, arbeitet die Bahn offenbar an einer Neuausgabe ihrer Smartphone-App DB Navigator.

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Fahrdienstvermittler: Wen der Uber-Börsengang reich macht

Foto: Paul Hanna/ REUTERS

Ähnlich dem Uber-Modell in Denver soll auch die Bahn-App es Kunden künftig erlauben, nicht nur Züge und S-Bahnen zu buchen, sondern auch Fortbewegungsmittel wie Carsharing-Autos, E-Scooter und Mietfahrräder für die letzte Meile. Während sich in den USA eine private Firma die öffentlichen Transportanbieter einverleibt, soll es in Deutschland umgekehrt laufen. Mal sehen, wer es besser hinkriegt.

Zusammengefasst: Uber möchte sein Geschäftsmodell erweitern und vom Fahrdienstleister zum Mobilitätsanbieter werden. Das Ziel heißt Marktdominanz - denn jeder, der an Fortbewegung denkt, soll künftig die Uber-App öffnen, erklärte David Reich, der Chef von Uber Transit. Dafür kooperiert Uber nun in der US-Großstadt Denver mit dem öffentlichen Nahverkehr. Ein ähnliches Geschäftsmodell wird derzeit auch in Deutschland aufgebaut - allerdings von der Deutschen Bahn. So sollen künftig auch Carsharing-Autos, E-Scooter und Mietfahrräder über die Smartphone-App DB-Navigator gebucht werden können.

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