Unfallflucht Die alltägliche Straftat

Ob Tempoverstoß oder eine rote Ampel - wenn man die Sanktionen dafür in anderen Staaten vergleicht, kommen Verkehrssünder in Deutschland geradezu glimpflich davon. Wenn man sich aber nach einen Unfall aus dem Staub macht, verstehen die Gesetzeshüter keinen Spaß.
Parkrempler: Wer sich vom Ort des Geschehens entfernt, begeht Fahrerflucht

Parkrempler: Wer sich vom Ort des Geschehens entfernt, begeht Fahrerflucht

Foto: GDV

Es ist schneller passiert als man denkt. Beim Einfädeln in die Parklücke streift man den Wagen auf dem Nachbarparkplatz und hinterlässt einen Kratzer im Lack. Oder man öffnet Tür mit einer Spur zu viel Schwung und touchiert das Blech des anderen. Eine kleine Macke nur, kaum sichtbar.

Viele Autofahrer nehmen solche Beschädigungen nicht ernst und gehen ihrer Wege. Nach Schätzungen des Auto Club Europa (ACE) werden jedes Jahr weit über 500.000 Autofahrer Opfer einer Unfallflucht. Die genaue Zahl ist unmöglich zu ermitteln, zum einen wegen der enorm hohen Dunkelziffer - viele Betroffene erstatten erst gar keine Anzeige -, zum anderen, weil keine bundesweite Statistik existiert, denn die Zahlen werden nur in den einzelnen Ländern erfasst.

In den weitaus meisten Fällen handelt es sich um Kleinigkeiten, wie eine Beule im Kotflügel, einen zerbrochenen Außenspiegel oder auch die verbogene Felge eines Fahrrades, der ein Auto zu nahe gekommen ist. Hier ist die Versuchung für den Unfallverursacher besonders groß, das Weite zu suchen, denn die Mühe, die Angelegenheit mit dem Geschädigten zu klären, steht zumindest gefühlt, in keinem Verhältnis zum Schaden. Hinzu kommt, dass die Gefahr, erwischt zu werden, ziemlich gering ist. Denn die Polizei klärt allenfalls die Hälfte der Fälle auf, und sie kümmert sich natürlich vornehmlich um solche, bei denen Personen verletzt worden sind.

Laut ACE spielt oftmals auch die Sorge um eine Höherstufung in der Kraftfahrzeugversicherung eine Rolle. Denn durch die Rückstufung in der Kfz-Haftpflichtversicherung führt ein Schaden schnell zu einen Rabattverlust von 300 bis 1000 Euro. Ein anderer Grund für die extrem hohe Fluchtquote liegt aber auch im fehlenden Unrechtsbewusstsein: Die meisten Parkrempler kämen nicht einmal auf den Gedanken, dass sie eine Unfallflucht begehen.

Pingelige Juristen

Die Juristen sind da jedoch entschieden pingeliger. Ein Schaden, den jemand an einem fremden Auto anrichtet, ist ein Unfall. Und wie man sich danach zu verhalten hat, ist im Gesetz eindeutig geregelt. Demnach muss der Unfallverursacher vor Ort warten, bis der Besitzer des beschädigten Fahrzeugs auftaucht - oder notfalls die Polizei rufen.

Nur in einigen wenigen Fällen weicht der Gesetzgeber von dieser harten Linie ab: Wenn etwa der Unfall auf der einsamen Landstraße oder nachts im Parkhaus passiert ist und der Schaden nicht mehr als 1200 Euro beträgt, genügt es, eine halbe Stunde zu warten. Vorausgesetzt, der Verursacher meldet sich innerhalb von 24 Stunden bei dem Geschädigten oder bei der Polizei. Oder es handelt sich wirklich um eine absolute Bagatelle, wie eine grobe Verschmutzung. Ein kleiner Kratzer jedoch überschreitet diese Grenze in der Regel.

Wer diese strenge Auslegung ignoriert, dem steht unter Umständen erheblicher Ärger ins Haus. Denn eine Unfallflucht gilt in Deutschland keineswegs als Bagatelle. Es handelt sich um eine Straftat, die mit Geldstrafen, Punkten in Flensburg oder gar dem Entzug der Fahrerlaubnis geahndet wird. Wer tätige Reue zeigt und sich innerhalb von 24 Stunden beim Geschädigten oder bei der Polizei meldet, kann wenigstens auf Milde hoffen, aber eine Garantie dafür bekommt er nicht. Sie liegt allein im Ermessen des Richters.

Ab 1200 Euro Schaden wird es ernst

Bei bis zu 600 Euro wird das Verfahren aber meist gegen eine Geldstrafe eingestellt. Macht der Schaden mehr als 1200 Euro aus, muss der Delinquent für mindestens sechs Monate auf seinen Führerschein verzichten, und er kassiert darüber hinaus sieben Punkte in der Verkehrssünderdatei. Die werden übrigens anschließend nicht nach zwei Jahren getilgt, wie Punkte nach einfachen Ordnungswidrigkeiten, sondern bleiben fünf Jahre im Register. Spielen Drogen oder Alkohol eine Rolle, sind es sogar zehn Jahre.

Auch zivilrechtlich sind die Folgen einer Unfallflucht spürbar: Ein Strafurteil nimmt die Versicherung gerne zum Anlass, sich die lästige Pflicht der Regulierung vom Hals zu schaffen. Bis zu einer Schadenshöhe von 5000 Euro haben sie dafür sogar den Segen der Gerichte. Wird der Täter auf der Flucht erwischt und steht er unter Alkohol oder Drogen, kann die Versicherung laut BGH sogar bis zu 10.000 Euro zurückfordern (Az.: IV ZR 216/04).

Noch düsterer sieht es aus, wenn es um den Schaden am eigenen Fahrzeug geht. Denn die Unfallflucht wird als vorsätzliche Verletzung der Aufklärungspflicht gewertet und führt daher zum Verlust des Versicherungsschutzes. Dann erhält der Autofahrer von der Kaskoversicherung keinen Cent - und muss überdies mit der Kündigung seines Vertrages rechnen.

Zwar kann der Betroffene dann bei einem anderen Versicherer einen Kfz-Haftpflichtvertrag abschließen, auf einen zusätzlichen Kaskoschutz hat er jedoch keinen Anspruch. Den darf der Versicherer verweigern. "Und sogar die Rechtsschutzversicherung darf später, wenn der Autofahrer wegen Unfallflucht verurteilt wird, sämtliche Anwalts- und Gerichtskosten zurückfordern", erläutert ACE-Rechtexperte Thomas Winkler.

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