Verkehr in Manhattan Leitfaden durch die Parkplatz-Hölle
New York - Das Ballett der Parklückenhüpfer beginnt um kurz nach acht Uhr früh, jeden Montag und Donnerstag. Wie auf Kommando treten sie aus ihren Haustüren, watscheln zu ihren geparkten Autos, steigen ein, werfen den Motor an, wechseln missvergnügt vom rechten Straßenrand an den linken, parken, steigen aus und verschwinden wieder in ihren Häusern.
Der zweite Akt des sorgsam choreografierten Rituals vollzieht sich knapp zwei Stunden später. Da rauscht der Kehrwagen heran, in seinem Schlepptau eine Parade neuer Autos, die sich diskret am freien, rechten Straßenrand zum Parken einfädeln. Die Fahrer bleiben aber am Steuer sitzen, Motor im Leerlauf. Sie lesen Zeitung, hören Musik, dösen. Dann, um punkt zehn Uhr, steigen sie alle aus und gehen weg.
Viermal die Woche geht dieses merkwürdige Zeremoniell in der West 15th Street über die Bühne - montags und donnerstags rechts, dienstags und freitags links. Ähnliches spielt sich in den meisten Straßen New Yorks ab; jeder, der hier Auto fährt, kennt es. Es hat sogar einen offiziellen Namen, "Alternate Side Parking", und einen Kalender, den die Stadt dazu veröffentlicht. So muss es an Feiertagen nicht durchexerziert werden, inklusive Yom Kippur, Ramadan und chinesischem Neujahr.
Geld für die Heimfahrt erbettelt
Das "Alternate Side Parking" - ein gestaffeltes, byzantinisch anmutendes Kurzzeit-Parkverbot - ist nur einer von vielen Gründen, weshalb Manhattan selbst bei Ortskundigen als Parkplatz-Hölle berüchtigt ist. Tausende von Parkvorschriften gibt es, dazu einen Dschungel aus winzigen, unleserlichen und meist widersprüchlichen Plaketten.
Wer nicht mithält, muss blechen. 98 einzelne Strafgebührensätze für Parkverstöße hat die City, angefangen mit 35 Dollar (Parken an einer kaputten Parkuhr) bis zu 180 Dollar (Verweilen auf einem Behindertenparkplatz). Insgesamt 77.200 Parkuhren säumen die Straßen. Aufgeschrieben und abgeschleppt wird rund um die Uhr. Im Jahr verteilt die Polizei hier etwa zehn Millionen Strafzettel - rund 20 pro Minute. Um sein Auto am Pier 76 freizukaufen, muss man 185 Dollar zahlen.
Erik Feder kann, wie jeder New Yorker, ein Lied davon singen. "Man braucht einen Anwalt, um sich da durchzufinden", klagt der Musiker und Video-Cutter. Einmal parkte er bis 19.05 Uhr in einer Parkverbotszone ab 19 Uhr. Da er das 215 Dollar Lösegeld für seinen abgeschleppten Wagen nicht aufbringen konnte, musste er am Busbahnhof Geld für die Heimfahrt erbetteln.
500 Millionen Dollar aus Knöllchen
Doch das ist Vergangenheit. Heute ist Feder, 40, ein Parkplatz-Experte. Besser gesagt: der Parkplatz-Experte für Manhattan. Er hat alle 4859 Straßenblocks zwischen der 124th Street und dem Battery Park persönlich abgeklappert und deren Parkregeln pedantisch protokolliert. Fünf Monate dauerte das, am Ende stand ein Buch - ein Führer und Ratgeber gegen den Parkfrust: "The Feder Guide to Where to Park Your Car in Manhattan (and Where Not to Park It)".
Darin findet sich auch folgende Denksportaufgabe für Lückensucher an der First Avenue zwischen 20th und 21st Street, Westseite: "Eine Stunde Parken an der Parkuhr (9-19 Uhr, auch So.), Parkverbot 8.30-9 Uhr (außer So.), Halteverbot 7-16 Uhr (Mo.-Fr., außer für Lkw-Anlieferungen), Parkuhr-Parken 16-19 Uhr (Mo.-Fr.) und 9-19 Uhr (Sa. und So.)." Alles klar?
Feder war es satt, solche Rätsel am Steuer entschlüsseln zu müssen. "Nirgends", sagt er, "wird einem das Parken so schwer gemacht wie hier." Der Grund: Geld, natürlich. Allein voriges Jahr schaufelten New Yorks 1100 emsige Verkehrspolizisten mit ihren Knöllchen rund 500 Millionen Dollar in die Stadtkasse.
450 versteckte Parkhäuser
"Ich will dem kleinen Mann helfen, sich gegen die Behörden zu wehren", sagt Feder in einem fast schon messianischen Ton. Mit seinem Buch kann jeder zumindest vorher nachschlagen, was ihn später im Straßendickicht erwartet.
Feders Parkplatz-Führer - in zwei Teilen, Downtown und Uptown, je für 17,95 Dollar erhältlich - listet nicht nur jeden einzelnen Block auf, sondern auch die Adressen von 450 versteckten Parkhäusern. "Manchmal musst du nur drei Ecken weiter fahren", sagt Feder, "und sparst 40 Dollar." Neulich hielt er einen Vortrag am Times Square. Das nächstgelegene Parkhaus kostete 55 Dollar. Feder parkte zwei Straßen weiter westlich - für sieben Dollar.
Feder gibt den Park-Führer im Selbstverlag heraus, mit Hilfe seiner deutschen Frau Manuela Sander-Feder, die er während der Recherchen in einer Bar kennen gelernt hat. Von der ersten Auflage, 10.000 Exemplare, seien nur noch knapp 1000 übrig, sagt er. Als nächstes plant er eine aktualisierte Ausgabe, für die er alle Straßenblocks erneut prüfen wird. Und eine elektronische Version, die man auch im Auto per PDA konsultieren könne.
Feder selbst lebt übrigens gar nicht in Manhattan. Er wohnt mit seiner Frau und seinem kürzlich geborenen Sohn in einem kleinen Ort auf Long Island, wo er sein Auto unbehelligt vor dem Haus auf der Straße abstellen kann. "Sehr parkfreundlich", sagt er. "Hier kann ich 24 Stunden am Tag parken, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr."