VW-Skandal EU-Staaten beschließen strengere Abgastests

Techniker bei Prüfung eines Dieselmotors: Neue Testregeln beschlossen
Foto: Julian Stratenschulte/ dpaDie EU-Staaten haben sich wegen der VW-Affäre auf neue Abgastests für Dieselautos in Europa geeinigt. Allerdings sind auch in Zukunft Abweichungen zwischen Laborwerten und den im Fahrbetrieb gemessenen Werten erlaubt.
Ein Ausschuss der Mitgliedsländer beschloss am Mittwoch, dass die Abweichung bei den Stickoxidwerten zunächst mehr als das Doppelte betragen darf, wie die EU-Kommission mitteilte. Selbst nach einer mehrjährigen Übergangsphase dürfen die realen Werte immer noch um die Hälfte höher sein als im Labor.
Damit werden die Regeln zwar strenger als bisher, aber weniger scharf als von der EU-Kommission ursprünglich geplant. Am Dienstag hatte das EU-Parlament als Konsequenz aus dem VW-Dieselskandal die zügige Einführung von Abgastests unter realen Fahrbedingungen gefordert. Außerdem sollte die EU-Kommission prüfen, ob es sinnvoll ist, eine EU-Aufsichtsbehörde zu schaffen, um nationale Zulassungsstellen wie das Kraftfahrtbundesamt zu kontrollieren.
Die beanstandeten VW-Tests hatte der Konzern unter Laborbedingungen vornehmen und durch eine spezielle Software in den Fahrzeugen verfälschen lassen. Weltweit wurde die Software in bis zu elf Millionen Autos eingebaut.
Die neuen Tests mit dem Namen Real Driving Emissions (RDE) sollen weniger anfällig für solche Manipulationen sein, da sie nicht in realitätsfernen Bedingungen auf Rollenprüfständen ermittelt werden - sondern auf der Straße. Die Tests gelten aber nur für Stickoxide, nicht für den CO2-Ausstoß, der weiterhin im Labor gemessen wird.
Die EU-Länder haben nun entschieden, dass die RDE-Tests für neue Fahrzeugtypen ab dem 1. September 2017 verpflichtend sind, für alle neu zugelassenen Fahrzeuge ab dem 1. September 2019. Dann darf der gemessene Stickoxid-Ausstoß aber noch um das 2,1-fache über dem Laborwert liegen. Die Übergangsphase endet am 1. Januar 2020 für neue Fahrzeugtypen und am 1. Januar 2021 für alle neu zugelassenen Fahrzeuge. Danach dürfen die Überschreitungen auf der Straße dauerhaft das 1,5-Fache betragen.
Die Autoindustrie hat viel erreicht
Wegen des Abgasskandals bei VW wurde von verschiedenen Seiten die Einführung von RDE-Tests in der EU forciert. Genau in diesem RDE-Test, der in den USA schon vor der Abgasaffäre gesetzlich vorgeschrieben war, fielen VW-Fahrzeuge durch mehrfach höhere Stickoxidemissionen als zulässig auf. Auch in Deutschland werden diese Tests seit einigen Jahren etwa vom ADAC und dem TÜV durchgeführt, dabei fielen immer wieder Fahrzeuge durch deutliche Abweichungen von den im Normzyklus ermittelten Werten auf. In Deutschland gab es bislang aber keine Gesetze, um derlei Unregelmäßigkeiten zu verfolgen und zu ahnden.
Dass sich dies nun endlich ändern soll, darüber herrschte zuletzt Einigkeit: Selbst die Autoindustrie sprach sich für die Einführung solcher Tests aus - allerdings in sehr homöopathischen Dosen. Denn in den Augen der Industrie liegt in der Unberechenbarkeit der RDE-Tests ein großes Problem: Anders als im Labor gibt es in der Realität eine Vielzahl von Faktoren, die niemand vorhersehen kann und die das Messergebnis erheblich verändern können. Straßenbelag, Lufttemperatur, Streckenprofil - all das kann zu erheblichen Schwankungen bei den Ergebnissen führen.
Dabei gibt es eine Handvoll Dieselfahrzeuge verschiedener Hersteller, die die Kriterien des RDE-Test auch beständig und unter verschiedenen Bedingungen erfüllen. Doch die Mehrzahl eben nicht. Deswegen setzte sich die Industrie zwar für eine Einführung des RDE-Tests ein - aber nur, wenn dabei sogenannte Conformity Factors, Übergangsfaktoren, angewendet werden.
Und dabei gingen die Vorstellungen sehr stark auseinander. Während Umweltverbände einen Übergangsfaktor Eins forderten, also letztlich die Einhaltung der gesetzlich festgeschriebenen Grenzwerte von 80 Milligramm pro Kilometer, forderte die Autolobby höhere Faktoren: RDE-Tests ja, aber bitteschön mit Übergangsfaktor zwei oder sogar höher - also der Erlaubnis, 160 Milligramm oder mehr statt der zugelassenen 80 Milligramm Stickoxid beim RDE-Test emittieren zu dürfen. Dieses Ziel hat die Autolobby nun erreicht.
Zusammengefasst: Als Reaktion auf die VW-Affäre haben sich die Staaten der EU auf neue Abgastests für Dieselautos in Europa geeinigt. Nun sollen zwar realitätsnähere RDE-Tests flächendeckend eingeführt werden - aber der CO2-Ausstoß von Autos wird weiterhin im Labor ermittelt. Zudem dürfen die Stickoxidwerte auch künftig höher sein als im Labor.