Dieselskandal Bundesgerichtshof stärkt Rechte von VW-Kunden

Erstmals nimmt der Bundesgerichtshof zur VW-Dieselaffäre konkret Stellung: Bei der illegalen Abschalteinrichtung müsse man von einem Sachmangel ausgehen. Damit erhöhen sich die Chancen der Kunden auf Schadensersatz.
VW mit manipulierter Software in Werkstatt

VW mit manipulierter Software in Werkstatt

Foto: Julian Stratenschulte/ picture alliance/dpa

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechtsposition der VW-Kunden im Dieselskandal gestärkt. In einem Hinweisbeschluss erklärte der BGH, dass nach seiner "vorläufigen Rechtsauffassung" von einem "Sachmangel auszugehen sein dürfte". Ein Neuwagen mit Abschalteinrichtung sei mangelhaft, der Käufer habe Anspruch auf einen mangelfreien Ersatz.

Damit steigen die Chancen Tausender Dieselfahrer auf Schadensersatz. Nach Angaben von Volkswagen sind derzeit in Deutschland etwa 50.000 Kundenklagen anhängig, die die Volkswagen AG, eine Konzerngesellschaft oder einen Händler betreffen. 14.000 Urteile oder Beschlüsse seien ergangen, mehrheitlich im Sinne des Konzerns. Insgesamt hat Volkswagen in Deutschland 2,6 Millionen Autos mit manipulierter Motorsoftware verkauft.

VW interpretiert den Hinweisbeschluss des BHG indes anders. Demnach ließen sich daraus keine Folgerungen für die Erfolgsaussichten von Klagen gegen die Volkswagen AG ziehen, teilte der Autokonzern heute in Wolfsburg mit. Volkswagen bezieht sich damit etwa auf die Musterfeststellungsklage - hier klagt der Bundesverband der Verbraucherzentralen stellvertretend für zuletzt über 400 000 Autokäufer gegen den Autobauer - oder die Klagen des Rechtsdienstleisters Myright.

"Gute Nachrichten für Verbraucher"

Die Verbraucherzentralen selbst begrüßen die Feststellungen des BGH. Nun sei klar, dass nach höchstrichterlicher Auffassung die Verwendung einer Abschalteinrichtung der Abgasreinigung nicht hinzunehmen ist, sagt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller. Die Äußerung des BGH habe eine Signalwirkung für die Musterfeststellungsklage seines Verbands gegen VW und sei damit "eine wirklich gute Nachricht" für Verbraucher.

Viele Dieselfahrer sehen sich geschädigt, weil ihre Autos im Zuge des Abgasskandals an Wert verloren haben. Zudem dürfen sie in manchen Städten einzelne Straßen oder ganze Gebiete nicht mehr befahren.

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Anlass für die BGH-Mitteilung ist die kurzfristige Absage einer Verhandlung am 27. Februar. An diesem Tag sollte eigentlich über die erste Klage im Zusammenhang mit dem Dieselskandal verhandelt werden, die es bis zum BGH geschafft hat. Der klagende Autokäufer habe seine Revision zurückgenommen, weil sich die Parteien verglichen hätten.

Kläger zog Klage nach Vergleich mit VW zurück

Zuvor hatte der Anwalt des Klägers, Siegfried Mennemeyer, dem "Tagesspiegel" gesagt, dass man sich verglichen habe. Das bedeutet, dass der Kläger Geld bekommen hat. Verbraucheranwälte werfen dem Autokonzernen vor, gezielt Vergleiche zu schließen, um ein höchstrichterliches Urteil zu vermeiden. Mit dem Rückzieher wird das vorinstanzliche Urteil des Bamberger Oberlandesgerichts rechtskräftig. Dort war der Kläger unterlegen.

Der Mann wollte erreichen, dass sein Autohändler einen kurz vor Bekanntwerden des Abgasskandals 2015 neu gekauften VW Tiguan zurücknimmt und ihm dafür ein anderes Auto ohne das Problem gibt. Das wurde von den Gerichten mit der Begründung abgewiesen, dass der Fahrzeugtyp so nicht mehr hergestellt wird. Es sei deshalb gar nicht möglich, ein gleichartiges und gleichwertiges Auto zu liefern.

Ersatzauto kommt infrage

Der BGH hält auch diese Einschätzung laut Mitteilung für fehlerhaft. Der Verkäufer könne eine Ersatzlieferung nur im Einzelfall verweigern, wenn die Kosten dafür unverhältnismäßig wären.

Ende 2018 hatte der BGH schon einmal eine für Januar angesetzte Verhandlung über eine Dieselklage absagen müssen. Auch in diesem Fall hatte der klagende Käufer seine Revision zurückgenommen.

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nis/dpa/AFP/Reuters
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