VW-Abgas-Affäre "Millionen Autos könnten stillgelegt werden"

VW droht in den USA eine Milliardenstrafe. Verkehrsexpertin Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe warnt: Auch in Europa könnte es für den Konzern teuer werden.
Wie sauber sind VW-Fahrzeuge in Europa? Noch ist das unklar

Wie sauber sind VW-Fahrzeuge in Europa? Noch ist das unklar

Foto: Sean Gallup/ Getty Images
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Foto: Hufeisen/ Deutsche Umwelthilfe

Dorothee Saar arbeitet seit 2006 bei der Deutschen Umwelthilfe. Seit vier Jahren leitet sie den Bereich Verkehr und Luftreinhaltung. Zu ihren Schwerpunktthemen gehört auch die Abgasreinigung bei Straßen- und Offroadfahrzeugen.

SPIEGEL ONLINE: Frau Saar, VW hat in den USA mit Hilfe einer Software Abgastests manipuliert. Dem Konzern drohen deshalb Strafzahlungen in Höhe von 18 Milliarden Dollar. Was würde passieren, falls Volkswagen auch in der EU getrickst haben sollte?

Dorothee Saar: Eine Software zu verwenden, die die Abgasreinigung eines Fahrzeugs im Prüflabor einschaltet und auf der Straße nahezu aus, ist in Europa verboten. Das regelt eine EU-Verordnung zur Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen für die Abgasnormen 5 und 6. Darin steht klipp und klar, dass die Verwendung von sogenannten Abschalteinrichtungen unzulässig ist. Wenn sich herausstellen sollte, dass in der EU, ähnlich wie in den USA, diese Abschalteinrichtung in Autos aktiv war, dann ist das nicht mehr Gegenstand der Betriebserlaubnis, die für dieses Fahrzeug erteilt wurde. Die Betriebserlaubnis würde damit erlöschen.

SPIEGEL ONLINE: Was heißt das konkret?

Dorothee Saar: Dass Neufahrzeuge dieses Typs nicht mehr verkauft werden dürften. Aber nicht nur das. Nach unserem jetzigen Stand müssten auch alle Autos stillgelegt werden, die mit dieser Abschaltautomatik unterwegs sind.

SPIEGEL ONLINE: Angesichts von Millionen Autos, die VW dann von der Straße nehmen müsste, scheint die Strafzahlung von 18 Milliarden Dollar für die Manipulationen in den USA fast milde.

Dorothee Saar: Das Hauptproblem ist, dass VW seine Glaubwürdigkeit verliert. Bisher war Volkswagen ein Konzern, mit dem man solide Produkte verbindet. Auf VW und auch auf andere Hersteller wirft dieser Skandal ein schlechtes Licht und bringt zudem den Dieselmotor weiter in Verruf.

SPIEGEL ONLINE: Sie sagen, dass in der EU-Verordnung ganz konkret erwähnt wird, dass Abschalteinrichtungen verboten sind. Das heißt doch im Umkehrschluss: Der Politik war völlig klar, dass es solche Abschaltautomatiken gibt.

Dorothee Saar: Diesen Schluss kann man ziehen. Wenn ich ausdrücklich etwas verbiete, dann weiß ich von dieser Technik und der Möglichkeit, dass diese auch angewendet wird. Auf jeden Fall waren der Politik die gravierenden Abweichungen zwischen den Verbräuchen im Labor und den Verbräuchen im Straßenverkehr bekannt. Darauf haben wir als DUH schon seit Jahren hingewiesen. Trotzdem hat man keinen Anlass gesehen, darauf zu reagieren.

SPIEGEL ONLINE: Die Manipulationen sind in den USA aufgedeckt worden, weil die US-Umweltbehörde Epa die Fahrzeuge nachgeprüft hat. Warum tut sich Deutschland so schwer, die Autoindustrie stärker zu kontrollieren?

Dorothee Saar: Die Autoindustrie betont immer wieder, dass sie einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland ist und verweist auf die Anzahl ihrer Beschäftigten. Mit dieser Wirtschaftsmacht wird auch gegenüber der Politik argumentiert. Das führt dazu, dass eine konsequente Überwachung der Industrie auf der Agenda weiter nach unten rutscht. Dabei ist ein Großteil der Fachkräfte in der Zulieferbranche tätig und nicht bei den Herstellern selber. Diese Firmen liefern gute Abgasreinigungssysteme, die auch ihren Dienst tun könnten, wenn man das Fahrzeug richtig einstellt.

SPIEGEL ONLINE: Werden weitere Autobauer auffliegen?

Dorothee Saar: Das wird sich zeigen. Bei den von mir eben erwähnten Tests waren auch andere Automarken auffällig. Es gab aber auch immer wieder Modelle, die die Grenzwerte auf der Straße eingehalten haben. Das zeigt, dass es Technik gibt, die funktioniert. Und auch Hersteller, die den Ehrgeiz haben, ihre Verkaufsversprechen einzuhalten. Sicherlich werden sich die US-Behörden jetzt nicht zurücklehnen, sondern noch andere Hersteller genau unter die Lupe nehmen.

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