Warnton-Kompositionen Der Herr der Piepshow
Moderne Autos klingen bisweilen wie eine fahrende Daddelbude. Als hätte man den Jackpot geknackt, klingelt, fiept, gongt und dindongt es aus dem Instrumententräger. Und das alles nur, weil das Licht noch angeschaltet ist oder der Wagen im Rückwärtsgang auf eine ungemähte Wiese zurollt.
Frank Kristen kennt das Lamento. Er ist schließlich einer der Urheber dieser Piepshow als Geräuschexperte in der Fahrzeugentwicklung bei Opel in Rüsselsheim. "Doch was soll man machen?" klagt Kristen. "Es gibt so viele Funktionen im Fahrzeug und zahlreiche kritische Situationen, dass Kontrollanzeigen und Textbotschaften längst nicht mehr ausreichen, um den Fahrer zu informieren."
Vor allem in brenzligen Situationen schlägt die Technik auch akustisch Alarm. "Allerdings ist das ein schmaler Grat", sagt Kristen. "Einerseits soll ein Warnton die Aufmerksamkeit des Fahrers wecken und auf eine bestimmte Situation lenken. Andererseits dürfen ihm die akustischen Signale keinesfalls auf die Nerven gehen."
Deshalb gibt es eine abgestufte Warnstrategie: Je weniger wichtig die Botschaft, desto dezenter das akustische Signal. "Geht zum Beispiel der Benzinverbrauch zur Neige, begleiten wir das Anschalten der Warnleuchte mit einem leisen Signal", sagt Kristen. "Geht es dagegen um den Gurt, ist der Ton lauter und penetranter."
Viele Töne steigern nur die Verwirrung
Wo andere Hersteller ein breites Warnton-Spektrum vom Klingeln bis zum Hupen haben, ist die Klaviatur bei Opel eher begrenzt. "Wir haben zuletzt viel experimentiert. Denn wie bei den Klingeltönen fürs Mobiltelefon stehen im Auto erst einmal alle Möglichkeiten offen."
Doch bei Tests mit Probanden hätten die Entwickler festgestellt, dass viele Töne auch für viel Verwirrung sorgen. Jetzt heißt die Maxime: keine Soundspielereien. Chefakustiker Kristen setzt auf eine einfache Lösung. "Mehr will der Kunde gar nicht."
Und so nutzt Opel nur noch einen einzigen Warnton, der lediglich für die unterschiedlichen Funktionen modifiziert wird. "Wir unterscheiden nach Frequenz, Dauer und Lautstärke", erklärt der Geräuschexperte das bescheidene Instrumentarium. Nebensächlichkeiten sind leise und wiederholen sich nur selten. Wichtige Signale erklingen dagegen laut und werden, falls erforderlich, öfter wiederholt. Die Dauer der Signale ist der jeweiligen Situation angepasst: Muß der Fahrer schnell reagieren, kommen kürzere Signale in schneller Folge zum Einsatz und umgekehrt.
Der Blinker muss knacken, sonst fehlt etwas
Beim neuen Insignia setzt das Team von Kristen noch eine vierte Tonvariation ein. Der Warnton des Opel Eye-Systems, jener Videoanlage, die den Fahrer bei der Spurführung unterstützt, unterscheidet nun auch zwischen rechts und links. "Je nachdem, auf welcher Seite man von der Spur abweicht, hört man auch den entsprechenden Warnton", sagt Kristen. Die neue Opel-Komposition soll auf alle Baureihen ausgedehnt werden und schließlich in sämtlichen Modellen von General Motors den Klangteppich bilden.
Auch wenn es bei manchen Herstellern so klingt, als würde irgendwo ein Glöckchen bimmeln oder ein Keyboarder in die Tasten greifen die Warntöne sind nicht handgemacht, sondern vom Computer generiert. Was die Tonhöhe betrifft gibt es aber auch bei Opel noch eine Ausnahme.
Denn der Blinker tönt nicht in der selben Frequenz wie alle anderen Warntöne; er behielt jenes charakteristische Klacken, das früher ein mechanisches Geräusch des Blinker-Relais war, heute jedoch künstlich erzeugt wird. Kristen: "Die Autofahrer wollen dieses seit Jahrzehnten vertraute Funktionsgeräusch nicht durch synthetisch klingende Piep-Sounds ersetzt haben."