Neue Pläne für Stadtautobahn Berlin wird wieder geteilt

Baustelle der A100 zwischen Neukölln und Treptow: Schneise durch die Stadt (im Mai 2021)
Foto: Wolfgang Kumm / dpaBerlin steht vor einer neuen Auseinandersetzung um den Autobahnbau in der Stadt. Die bundeseigene Autobahn GmbH schrieb am Dienstag den Auftrag zur konkreten Planung des 17. Bauabschnitts der A100 zwischen den Stadtteilen Treptow und Lichtenberg aus. Damit sei klar, dass diese Strecke gebaut werde, sagte Daniela Kluckert (FDP), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, der »Berliner Morgenpost« .
Die Entscheidung hat vor allem die Grünen als Koalitionspartner im Bund kalt erwischt. Der »Alleingang« des Ministeriums sei »gelinde gesagt, bedauerlich«, erklärte der Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar, der wie Kluckert den Wahlkreis Berlin-Pankow im Bundestag vertritt. Er habe bereits Gesprächsbedarf angemeldet, da die eigentlich für solche Projekte in der Ampelkoalition vereinbarte gemeinsame Verständigung ausgeblieben sei. Die Planung sei reine Geldverschwendung. Wenn die A100 tatsächlich gebaut würde, »zerstört sie die Stadt und frisst wertvolle Flächen«.
Schon der aktuelle 16. Bauabschnitt der A100, der die in einem Halbring von Nordwest nach Südost um die Innenstadt führende Autobahn bis 2024 nach Treptow verlängern soll, ist heftig umstritten. Deswegen war 2011 schon einmal eine rot-grüne Koalition in Berlin gescheitert. Die aktuelle rot-rot-grüne Landesregierung hat vereinbart, das drei Kilometer lange Projekt bis Treptow zu vollenden, von dort aus aber zumindest in dieser Legislaturperiode, bis 2026, nicht mehr weiterbauen zu lassen.
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Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) nannte den Plan »Verkehrspolitik von vorgestern«. Allerdings hat sie kaum Mittel dagegen: Das Projekt ist bereits über den Bundesverkehrswegeplan beschlossen. Nur war Berlin davon ausgegangen, dass der Bund es nicht umsetzen werde. Jarasch bleibt nur die Hoffnung, dass das Haus von Minister Volker Wissing (FDP) »sich hier noch eines Besseren besinnt«.
Den Weiterbau der A100 braucht Berlin nicht. Das ist Verkehrspolitik von vorgestern. RGR hat deshalb beschlossen, die A100-Pläne nicht voranzutreiben, weil wir den Platz für ein lebenswertes Berlin, für Wohnungen & Grünflächen brauchen. Mobilitätswende statt Autobahn in der Stadt
— Bettina Jarasch (@Bettina_Jarasch) March 29, 2022
Der 17. Bauabschnitt soll über die Spree führen, in einem doppelstöckigen Tunnel unter einem dicht besiedelten Wohngebiet in Friedrichshain hindurchführen, mit zwei Abfahrten das Ostkreuz und die Frankfurter Allee anschließen und an der Storkower Straße enden.
Neue Autobahn auch in Baden-Württemberg?
An anderen Stellen der Stadt stehen die Zeichen eher auf Verkehrswende. Die teils von Autos befreite Friedrichstraße im Zentrum erwies sich laut neuen Zahlen als Erfolg auch für die anliegenden Geschäfte. Eine Volksinitiative will den Autoverkehr innerhalb des S-Bahn-Rings, der parallel zur A100 verläuft, stark einschränken . Und auch ein Rückbau von Autobahnen steht zur Diskussion – auf kurzen, wenig benutzten Abschnitten, die einst als Teil wesentlich größerer Pläne begonnen wurden.
Dass das Bundesverkehrsministerium den Autobahnbau durchzieht, wirft Fragen auf, die über Berlin hinausreichen. Eigentlich hatte die Ampelkoalition einen »neuen Infrastrukturkonsens« angestrebt. Wenn schon in Autobahnen investiert werde, dann lieber in Reparatur statt Neubau. Staatssekretärin Kluckert betonte hingegen, der Vertrag der Ampelkoalition sehe auch »Lückenschlüsse« vor, zu denen die A100 gehöre. Daher »wollen wir dieses Projekt so schnell wie möglich umsetzen, damit die Menschen merken: Es geht voran in diesem Land.«
Ein Klimacheck, wie ihn die Ampelkoalition für all ihre Vorhaben vereinbart hatte, könnte dem entgegenstehen. In Österreich wurde auf diesem Weg bereits ein Autobahnneubau gestoppt. Doch bislang ist nicht klar, wie der deutsche Klimacheck aussehen soll und welche Konsequenzen er hätte.
Im Südwesten der Republik wurden am Dienstag ebenfalls die Weichen für eine neue Autobahn gestellt, nachdem Verkehrsminister Wissing sich dafür starkmachte. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur wiesen die Spitzen der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg ihren Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) an, seinen Widerstand gegen weitere Abschnitte der Hochrhein-Autobahn A98 an der Schweizer Grenze aufzugeben.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, 2011 sei eine rot-grüne Koalition in Berlin an dem Autobahnprojekt zerbrochen. Tatsächlich kam diese Koalition damals gar nicht erst zustande.