171 Kilometer neue Strecken Masterplan skizziert doppelt so großes U-Bahn-Netz für Berlin

Noch Endstation: Haltestelle Hauptbahnhof der Berliner U-Bahn-Linie U5
Foto: Annette Riedl / picture alliance/dpaVon einer Linie U0 ist auf Berliner Nahverkehrsplänen bislang nichts zu sehen. Doch da erscheint sie, rosa gestrichelt, in einem weiten Kreis auf einem Plan der Stadt: Eine Ringlinie der U-Bahn schlagen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) in einem neuen Masterplan vor, über den »Berliner Morgenpost« und »Tagesspiegel« am Samstag übereinstimmend berichteten – als »radikale Vision« oder »U-Bahn-Revolution« für die Hauptstadt.
Die BVG hat eine neue Vision für den Ausbau des Berliner U-Bahnnetzes erarbeitet. 171 km neue Strecken sollen entstehen. Mit dabei: Etliche Verlängerungen am Stadtrand, neue Linien durchs Zentrum - und eine Ring-U-Bahn einmal rund durch die Außenbezirke. https://t.co/9H3KFZKTZK pic.twitter.com/vE5j7Cfsj6
— Christian Latz (@ChristianLatz_) March 18, 2023
Das Papier diene als Vorlage für die aktuellen Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD, heißt es. Die BVG habe dazu eine Präsentation unter dem Titel »Expressmetropole Berlin« erstellt.
Der BVG schweben laut den Berichten insgesamt 171 Kilometer neuer Strecken vor, damit würde das U-Bahn-Netz von heute 147 Kilometer auf 318 Kilometer wachsen, sich also mehr als verdoppeln. Wann dieses Ziel erreicht werden soll, wurde nicht genannt, aber eine Reihenfolge verschiedener Stufen.
Zuerst sollten die meisten existierenden Linien von den heutigen Endstationen aus verlängert werden, etwa die U1 vom Kurfürstendamm über das Westkreuz bis zur Heerstraße in Spandau. In dieser Ausbaustufe bekämen bis zu einer Million Menschen außerhalb der City schnelle Direktverbindungen.
Im zweiten Schritt würden zwei kurze Linien aus dem Westen zu neuen Hauptlinien durchs Zentrum in den Osten der Stadt geführt, wo heute lange Strecken mit der Straßenbahn bedient werden: die U3 über Weißensee und Hohenschönhausen nach Falkenberg, die U4 über die Landsberger Allee bis Marzahn.
Unterirdische Ringbahn
Als dritte und letzte Stufe käme als völlig neue Linie die Ringbahn U0 hinzu, die zum Großteil außerhalb des S-Bahn-Rings laufen soll, mit Stationen wie Pankow, Friedrichsfelde, Schöneweide oder Rathaus Steglitz. Dazwischen entstünden neue Querverbindungen, mit denen sich jeder Kontakt mit Berlins Mitte vermeiden ließe.
CDU und SPD befürworten einen stärkeren Ausbau der U-Bahn, vor allem in den Außenbezirken. Im bisherigen rot-grün-roten Senat hatten Grüne und Linke hingegen nur kurzen Ergänzungen zugestimmt. Bei der Verlängerung der U3 in Zehlendorf um eine Station bis Mexikoplatz steht der Spatenstich bald bevor, mit einigen Jahren Bauzeit wird gerechnet. Der 8,5 Kilometer langen Verbindung der U7 zum Flughafen stellte der Haushaltsausschuss des Abgeordnetenhauses Mittel bereit, doch das benachbarte Brandenburg erteilte dem Bau zuletzt eine Absage.
Die Berliner Noch-Koalitionspartner der SPD pochten auf Vorrang für die Straßenbahn, deren Netz sich schneller und günstiger erweitern lasse. Den Nahverkehr in Tunnel zu verlegen, sehen sie zudem als Hilfe für den Autoverkehr, dem mehr Platz an der Oberfläche bliebe.
Allerdings kamen in den vergangenen Jahren neue Straßenbahnstrecken auch nur schleppend voran.
Zuletzt fiel der Berliner Nahverkehr eher durch Störungen der bestehenden Strecken auf. Aktuell ist der mehr als hundert Jahre alte Tunnel der Linie U2 an der zentralen Station Alexanderplatz teilweise gesperrt, weil er nach Bauarbeiten für ein benachbartes Hochhaus abgesackt war.
Ein Plan ohne Konzept?
Kritik am neuen BVG-Masterplan ließ nicht lange auf sich warten. Der Fahrgastverband IGEB höhnte auf Twitter, er werde der BVG »bei nächster Gelegenheit das passende Geschenk machen, damit sie weiter SimCity für Berlin spielen kann«: eine Packung Buntstifte. Der Vorwurf: Sie male einfach nur Linien auf den Stadtplan, ohne Konzept für den Bedarf, die Kosten, Planungs- und Bauzeiten.
Wir werden @BVG_Unternehmen bei nächster Gelegenheit das passende Geschenk machen, damit sie weiter SimCity für Berlin spielen kann. https://t.co/7mIeZvChe3 pic.twitter.com/9hbxKtwgFL
— IGEB Fahrgastverband Berlin (@IGEB_Berlin) March 18, 2023
Den Berichten zufolge setzt die BVG in ihrem Masterplan nicht allein auf die U-Bahn. Auch ergänzende Straßenbahnen oder Expressbusse seien vorgesehen – und Seilbahnen . Neben der von der Internationalen Gartenschau 2017 geerbten Strecke in Marzahn, die als Deutschlandpremiere in den ÖPNV integriert werden soll, könnte eine Seilbahn etwa die Stadtteile Gatow und Kladow an der Havel anbinden.
Vorbild Paris
Ihre große Vision für die Berliner U-Bahn vergleicht die BVG demnach mit ambitionierten Ausbauplänen in Wien oder Paris. Das Projekt »Grand Paris Express« umfasst 200 Kilometer automatisierter Metrolinien in den Vororten von Paris, auch als Außenringe. Seit 2015 wird an dem Megavorhaben gebaut. Erste Teilstrecken sind bereits in Betrieb, weitere sollen zu den Olympischen Spielen im nächsten Jahr hinzukommen. Der ursprünglich vorgesehene Abschluss bis 2030 gilt aber nicht mehr als erreichbar, die Schätzung von 35 Milliarden Euro Baukosten auch nicht.