Studie zu Geschwindigkeitskontrollen Blitzmarathons offenbar wirkungslos

Geschwindigkeitskontrollen wie hier in Berlin wirken - der Effekt des groß angelegten Blitzmarathons verpufft einer Studie zufolge jedoch schnell
Foto:Paul Zinken/ picture alliance/ dpa
45.000 Temposünder erwischte die Polizei beim Blitzmarathon 2019, obwohl die flächendeckende Aktion in zehn Bundesländern wiederholt angekündigt worden war. Seit 2013 versuchen die Behörden mit großem Personaleinsatz, Autofahrer für die Gefahren zu schnellen Fahrens zu sensibilisieren - offenbar vergeblich. Eine Studie der Universität Passau kommt nun zu dem Schluss, dass die sogenannten Blitzmarathons zwar wirken, allerdings nicht besonders lange.
In die Studie flossen Forschungsdaten der Landesämter für Statistik zu 1,5 Millionen Unfällen in den Jahren 2011 bis 2014 ein, sowie die Daten zu allen Blitzern an den Marathon-Tagen und den übrigen Tagen im untersuchten Zeitraum. Auch die begleitenden Informationskampagnen in den Medien wurden ausgewertet, unter anderem 60 Millionen Presseartikel, Hashstags auf Twitter sowie Suchanfragen bei Google.
Kurzfristiger Effekt
Die Medienkampagnen und der Blitzmarathon haben der Studie zufolge durchaus einen Effekt: Beides führt dazu, dass Menschen während der Aktion langsamer und vorsichtiger fahren. So sank die Zahl der Unfälle demnach bereits in den Tagen vor dem Marathon im Vergleich zu ähnlichen Tagen um 4,7 Prozent. Das sogenannte Nudging, das Menschen dazu "anstupsen" soll, ihr Verhalten zu verändern, wirkt offenbar und senkt die Unfallzahlen deutlich - allerdings nur während der Kontrolltage.
An diesen sank die Zahl der leichten Unfälle gegenüber durchschnittlichen Tagen ohne Blitzermarathon um 7,5 Prozent. Auch wenn die Forscher Schwankungen in der Statistik durch verschiedene Wetterlagen oder unterschiedlich starkes Verkehrsaufkommen berücksichtigten, ging die Zahl der Unfälle an Blitzermarathon-Tagen zurück.
Gleichzeitig sank die Anzahl der Leichtverletzten im Vergleich zu normalen Tagen um 8,5 Prozent. Die dadurch eingesparten gesellschaftlichen Kosten beziffert die Studie auf 9,5 bis elf Millionen Euro. Der Effekt der Maßnahme hält der Studie zufolge jedoch nicht an und verpuffe bereits am darauffolgenden Tag, obwohl das Thema noch in den Medien präsent war - die Unfallzahlen lagen wieder auf dem üblichen Niveau. "Blitzmarathons haben keinen anhaltenden Effekt für die Sicherheit auf den Straßen", folgerte deshalb Mitautorin Ramona Rekers.
Großkontrollen können Geschwindigkeiten leicht senken
Eine Studie der RWTH Aachen kommt dagegen zu dem Schluss, dass Blitzmarathons durchaus einen Effekt haben, allerdings auf die gefahrene Geschwindigkeit: Demnach sanken die mittleren Geschwindigkeiten an den untersuchten Standorten im Raum Köln nach dem Blitzmarathon - allerdings nur um zwei bis drei Kilometer pro Stunde. Der positive Effekt durch den Marathon hielt für etwa zwei Wochen an.
Dieses Ergebnis sei kein Gegensatz zur Studie der Universität Passau, erklärt Jens Schade, Verkehrspsychologe an der TU Dresden: "Geschwindigkeitskontrollen wirken immer nur sehr kurz. Radarkontrollen und Blitzmarathons können minimale Nachklangeffekte haben, ändern langfristig aber nicht das Verhalten der Autofahrer." Beide Studien widersprechen sich Schade zufolge deshalb nicht.
Nur permanente Kontrollen ändern das Verhalten
Um eine maßgebliche Veränderung zu erreichen, müsse man dagegen ständig kontrollieren, erklärt der Verkehrspsychologe: "Autofahrer ändern ihr Verhalten nur, wenn sie permanent das Gefühl haben, erwischt zu werden." Einen Tag oder eine Woche flächendeckend zu überwachen, habe dagegen keinen längerfristigen Effekt.
Doch auch dauerhafte Kontrollen haben eine begrenzte Wirkung, zumindest, wenn sie berechenbar sind. So führen laut Schade stationäre "Starenkästen" an Unfallschwerpunkten zum sogenannten Känguru-Effekt: "Autofahrer fahren im Stil eines Hüpfers zügig an die Radarfalle ran, bremsen rapide ab, nur um direkt wieder Gas zu geben", so Schade.