Jahresbilanz 2020 Carsharing wächst vor allem in Kleinstädten und auf dem Land

Während Carsharing in der Großstadt an seine Grenzen stößt, wächst die Zahl der Anbieter in ländlichen Regionen
Foto: Gerald Matzka/ dpaDas Carsharing breitet sich in Deutschland immer weiter aus. Das ergibt die aktuelle Jahresstatistik des Bundesverbands Carsharing (BCS). Demnach gab es mit Beginn des Jahres 2020 hierzulande 226 Carsharing-Unternehmen, -Genossenschaften und -Vereine, die in 840 Orten Fahrzeuge anbieten. Das sind 100 Orte und 45 Anbieter mehr als im vergangenen Jahr. Insgesamt stehen den Kunden in Deutschland 25.400 Autos zur Verfügung, ein Anstieg um 25,7 Prozent.
Der Großteil neuer Sharing-Anbieter habe sich demnach in kleinen Städten und ländlichen Regionen ausgebreitet. "Carsharing wächst nicht nur in den Großstädten", sagte BCS-Geschäftsführer Gunnar Nehrke. "Es ist auch in der Fläche immer stärker verbreitet." Laut der BCS-Erhebung standen im vergangenen Jahr in knapp der Hälfte (46,8 Prozent) aller Orte mit 20.000 bis 50.000 Einwohnern Carsharing-Fahrzeuge zur Verfügung. Und auch in 445 Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern gibt es demnach mittlerweile entsprechende Angebote.
Die Konkurrenz in Großstädten wird größer
In den ländlichen Regionen dominiert das stationsbasierte Carsharing. Bei diesem müssen die Kunden die Fahrzeuge an einem festgelegten Punkt abholen und auch wieder zurückgeben und können das Auto nicht einfach am Straßenrand parken, wie es bei Free-Floating-Anbietern möglich ist. Alle der 100 im vergangenen Jahr neu hinzugekommenen Orte mit einem Carsharing-Angebot greifen auf dieses Modell zurück. Laut der aktuellen Erhebung stehen damit jetzt 12.000 Fahrzeuge im stationsbasierten Carsharing zur Verfügung. Die Flotte vergrößerte sich in diesem Segment gegenüber dem Vorjahr damit um 800 Fahrzeuge (plus 7,1 Prozent). Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Kunden stationärer Angebote um 60.000 auf jetzt 710.000.
Zwar wuchs die Fahrzeugflotte der Free-Floating-Anbieter im vergangenen Jahr noch stärker, hier werden jetzt 13.400 Fahrzeuge bereitgestellt - 4400 Fahrzeuge (48.9 Prozent) mehr als noch im Vorjahr. Allerdings spiegelt dieser Zuwachs nicht etwa eine steigende Nachfrage wider. Der Grund für den Anstieg liegt vor allem im Markteintritt neuer, großer Anbieter aus der Automobilindustrie. So bietet in den großen Städten inzwischen auch Volkswagen mit "We share" oder der Autovermieter Sixt mit "Sixt share" Fahrzeuge zur Miete an. Die Anzahl der Orte mit einer Free-Floating-Flotte blieb dagegen unverändert - auch weil sich dieses Modell laut des BCS erst in Städten ab 500.000 Einwohner lohne. Statt zu expandieren, konkurrieren die großen Anbieter daher zunehmend um die Großstädte.
Markt bleibt überschaubar
Die Anzahl der Kunden ging im Free-Floating-Segment sogar zurück - um 230.000 Nutzer gegenüber dem Vorjahr. Der Verband erklärt diese Entwicklung allerdings mit der Fusion der Anbieter car2go und DriveNow, die jetzt zusammen Fahrzeuge unter dem Namen "ShareNow" anbieten. Die diesjährige Carsharing-Statistik berücksichtigt laut des BCS nur jene Kunden, die zum 1. Januar 2020 bereits beim neuen, gemeinsamen Anbieter ShareNow registriert waren. Demnach haben sich viele ehemalige Kunden von DriveNow und car2go bisher noch nicht neu bei ShareNow registriert. Das könnte allerdings auch ein Hinweis dafür sein, dass viele Kunden, die sich vor Jahren bei einem der ehemaligen Anbieter angemeldet haben, das Angebot schlicht nicht genutzt haben. Auch BCS-Geschäftsführer Nehrke hält das für möglich, sieht darin, wenn überhaupt, nur einen sehr kleinen Effekt.
Insgesamt gibt es laut BCS rund 2,3 Millionen angemeldete Carsharing-Kunden in Deutschland. Damit bleibt der Markt mit geteilten Autos weiterhin sehr klein. BCS-Geschäftsführer Nehrke sieht die Politik nun in der Verantwortung: "Carsharing ist die ökologische Alternative zum privaten Pkw. Bund, Länder und Kommunen sollten das Carsharing endlich systematisch fördern.“ Nehrke fordert zudem Maßnahmen, die den Besitz eines eigenen Autos zunehmend unattraktiver machen. Als Beispiel nennt er eine Citymaut, höhere Parkgebühren oder die Umwidmung von Autospuren zu Umwelt- oder Fahrgemeinschaftsspuren. "Die Verkehrspolitik muss endlich deutlich machen, dass der Besitz eines eigenen Fahrzeugs unattraktiv ist", so Nehrke. Carsharing dürfe nicht als eine von vielen weiteren Möglichkeit zur Fortbewegung neben dem Auto gesehen werden, sondern müsse den eigenen Pkw langfristig ersetzen.