Solarzellen für E-Autos Schattenparken war gestern

Soll das erste erschwingliche Solar-Elektroauto sein: Der Sion von Sono Motors
Foto: Sono MotorsDie Idee ist so charmant wie naheliegend: Solarzellen im Autodach, auf Fronthaube oder an den Türen produzieren Strom während des Parkens und der Fahrt und machen manchen Ladestopp überflüssig – je nachdem, wie stark die Sonne scheint.
Die Technologie könnte das sommerliche Parkverhalten vieler Elektroautofahrer umkehren. Ein Schattenparkplatz wäre plötzlich nicht mehr das Nonplusultra beim Ausflug an den Badesee.
Ganz neu ist die Idee nicht, seit Ende der Achtzigerjahre gibt es die »World Solar Challenge«, ein Rennen für spezielle Solarautos. Sie dürfte 2021 aber neuen Schwung bekommen, beginnend mit der Entertainmentmesse CES.
Start-ups wollen die Kraft der Sonne nutzen
Dort stellt das deutsche Start-up Sono Motors den Prototyp des Sion vor, in dessen gesamte Karosserie Solarmodule eingearbeitet sind. Der Wagen soll das erste Solar-Elektroauto »für jedermann« werden, wie Sono-Mitgründer Laurin Hahn im Vorfeld erklärte. Unter idealen Bedingungen soll Sonnenenergie pro Tag bis zu 34 Kilometer zusätzliche Reichweite bringen.
Mit der Idee, die Sonne für mehr Reichweite zu nutzen, ist Sono Motors nicht allein. Der Lightyear One, ein E-Auto aus den Niederlanden, das Firmenangaben zufolge Ende 2021 auf den Markt kommen wird, soll dank fünf Quadratmetern an Solarpaneelen in der Außenhaut täglich bis zu 70 Kilometer zusätzliche Reichweite generieren.

E-Neuheiten abseits des Mainstreams: Hoffen auf Sonnenschein
Doch sind Solarzellen in Elektroautos angesichts des hohen Energieverbrauchs eines Pkw überhaupt sinnvoll? Warum also bekommt eine Technologie, die auf den ersten Blick wie ein Marketinggag wirkt, neuen Schub?
»Solarmodule am Auto sind keine Spielerei«, sagt Martin Heinrich vom Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme (ISE). Früher seien Solardächer am Auto nur ein Gimmick gewesen, das sich wirtschaftlich für den Kunden nie gelohnt habe. Das habe sich geändert – heute seien Solarzellen viel günstiger und effizienter, argumentiert der Wissenschaftler.
Kleiner Beitrag mit erstaunlichem Ergebnis
»Ein sehr gutes Solarmodul schafft 200 Watt pro Quadratmeter«, sagt Heinrich. Wenn man damit ein circa zwei Quadratmeter großes Autodach ausstatte, könne man im Sommer täglich zwei Kilowattstunden erzeugen, »das sind knapp zehn Kilometer Reichweite«. Gefühlt sei das nicht viel, gibt Heinrich zu.

Auto im Solarkleid: Der Lightyear One
Foto: LightyearDer Unterschied zu den Angaben von Sion und Lightyear ist in deren Konzept begründet. So ist die Dachfläche des Lightyear mit fünf Quadratmetern deutlich größer, beim Sion stecken in der gesamten Karosserie Solarmodule – und beide versprechen mehr Leistung pro Quadratmeter: Lightyear 215 Watt, Sono Motors 200 bis 220 Watt.
Wie beim Geldsparen haben kleine, regelmäßige Beiträge wie die von Heinrich errechneten zwei Kilowattstunden pro Tag aber einen großen Effekt. Aufs Jahr gerechnet kommen »gern 2000 zusätzliche Kilometer zusammen«, rechnet er vor. Damit spare man bei einer durchschnittlichen Fahrleistung von 15.000 Kilometern pro Jahr zehn bis 15 Prozent Ladestrom.
Eine Studie des Fraunhofer-ISE zeigt, wie viel Potenzial in den Dächern beliebter E-Autos steckt:
Ein Renault Zoe mit einer Dachfläche von 1,7 Quadratmetern und einer Modulleistung von 200 Watt pro Quadratmeter könnte demnach in Freiburg in einem Jahr 366 Kilowattstunden Energie produzieren und damit 2068 Kilometer zusätzliche Reichweite generieren –vorausgesetzt, es fällt kein Schatten von Bäumen oder Häusern auf das Auto.
Ein Hyundai Ioniq Electric mit einer Dachfläche von 2,2 Quadratmetern käme sogar auf 473 Kilowattstunden und 3428 Kilometer Reichweite.
Die 2,3 Quadratmeter Dachfläche eines Audi e-tron ermöglichen sogar 495 Kilowattstunden pro Jahr, die erzielte Reichweite läge indes nur bei 2063 Kilometern, weil der schwere Wagen recht viel Energie verbraucht.
Eine Modulleistung von 200 Watt pro Quadratmeter ist laut Heinrich bisher selten. So statte Hyundai den Sonata mit derartigen Solarzellen aus. Für die Hybridvariante dieses in Europa nicht angebotenen Modells bietet der koreanische Hersteller – wie auch Toyota für den Prius Plug-in-Hybrid – ein Solardach an. Das soll bei einer täglichen Ladedauer von 5,8 Stunden 1300 zusätzliche Kilometer im Jahr bringen.
Die Solarzellen eines derartigen Dachs kosten Heinrich zufolge weniger als 150 Euro, dazu kommen Elektronik und Integration ins Fahrzeug. »Ein Verkaufspreis unter 1000 Euro ist realistisch«, rechnet der Wissenschaftler vor. Bei einem Strompreis von 30 Cent pro Kilowattstunde habe sich ein Solardach nach sieben bis acht Jahren amortisiert.
Volkswagen sieht derzeit keinen Nutzen in Solarpaneelen
Diese Zeitspanne reicht manchen Autoherstellern allerdings noch nicht, um sich stärker auf dem Gebiet zu engagieren. So erkennt derzeit etwa Volkswagen wenig Sinn in den Paneelen.
Die Kombination aus Fläche und Wirkungsgrad lasse derzeit keinen Einsatz zur Reichweitenverlängerung bei Serienfahrzeugen zu, erklärte ein VW-Sprecher. Fotovoltaik sei flächen- und kostenintensiv, was ihren Nutzen als Reichweitenverlängerer einschränke. Das Unternehmen bewerte die Technologie jedoch laufend neu und werde sie möglicherweise in der Zukunft einsetzen.
Tatsächlich erschweren mehrere Faktoren den Einsatz von Solartechnik am Auto. Viele Autodächer sind leicht gekrümmt, die dadurch schlechtere Sonneneinstrahlung bringe Verluste im einstelligen Prozentbereich, erklärt ISE-Forscher Heinrich.
20 Prozent Verlust durch Abschattung
Ein viel größeres Problem ist jedoch Schatten durch Bäume oder Häuser. »Ein Büroangestellter in Freiburg, der zu Hause in der Tiefgarage, aber während der Arbeitszeit im Freien parkt, verliert dadurch etwa 20 Prozent der idealen Reichweite«, räumt Heinrich ein.
Außerdem ist es schwierig, die Energie tatsächlich nutzbar zu machen. Für mehr Reichweite müsse man die Energie in die Hochspannungsbatterie des Wagens speisen – deren Betrieb koste aber selbst Energie, zum Beispiel für die Temperaturhaltung, erklärt Heinrich.
Die Niederspannungsbatterie, die Strom für zahlreiche Komponenten bereitstellt, sei meist zu klein – gewonnene Sonnenenergie verpuffe. »Deshalb«, so Heinrich, »sind viele Hersteller hier noch zögerlich.«
Start-ups wie Sono Motors oder Lightyear würden die positiven Effekte zusätzlicher Reichweite und gesparter Kosten höher gewichten als Konzerne, außerdem optimierten sie das gesamte Fahrzeug für die Nutzbarmachung der Solarenergie, argumentiert der Wissenschaftler. So ist die Elektronik des Sion Herstellerangaben zufolge explizit auf das Laden mit Solarstrom ausgelegt.
Kurzstreckenpendler und Stadtbusse als ideale Anwendungsfälle
Am besten für den Einbau von Solarmodulen wären jedoch eigentlich andere Fahrzeugtypen geeignet: Busse und Lkw – sie verfügen über große, gerade Dächer und überragen andere Fahrzeuge, sind also seltener im Schatten unterwegs. »Selbst mit einer geringeren Moduleffizienz von 18 Prozent könnte ein Lkw in Mitteleuropa bei einer Jahresfahrleistung von 100.000 Kilometern 5000 bis 7000 Kilometer mit Solarstrom zurücklegen«, rechnet Heinrich vor.
Den höchsten Fotovoltaikanteil an der benötigten Energie erreicht naturgemäß, wer wenig fährt und viel parkt. Solarautofahrer sind also zusätzlich motiviert, den Wagen öfter stehenzulassen – am besten in der prallen Sonne.
Anm. d. Red.: Ursprünglich hieß es im Artikel, die geringere Moduleffizienz, mit der ein Lkw im Jahr 5000 bis 7000 Kilometer mit Solarstrom zurücklegen könnte, betrage acht Prozent. Tatsächlich liegt sie jedoch bei 18 Prozent. Der Fehler wurde korrigiert.