Lobbyvorwürfe So laviert sich Christian Lindner durch sein Porsche-Gate

Kein Wort zu Porsche: Finanzminister Christian Lindner (FDP)
Foto: Michele Tantussi / REUTERSDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Das nennt man wohl einen Fauxpas. Während die »Bild«-Zeitung dem Vorwurf enger Absprachen zwischen Porsche und Finanzminister Christian Lindner (FDP) nachging, erhielt sie nach eigenen Angaben eine fehlgeleitete SMS, der Absender: ein Porsche-Sprecher. Gedachter Empfänger: der Sprecher Lindners. Inhalt: eine Absprache, wie man auf die »Mauschel-Vorwürfe« reagieren solle.
Von einer »verräterischen SMS« schrieb das Blatt am Samstag auf seiner Titelseite und fragte: »Ist das Lindners Porsche-Gate?«
Laut der ZDF-Satiresendung »Die Anstalt« soll der just am Freitag an die Spitze des Volkswagen-Konzerns beförderte Porsche-Chef Oliver Blume auf einer Betriebsversammlung mit seinem Einfluss auf die Bundesregierung angegeben haben . Porsche habe erreicht, dass die auch von dem FDP-Chef als Alternative zu Elektroautos favorisierten E-Fuels in den Koalitionsvertrag der Ampelkoalition einflossen. Der entscheidende Satz: »Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten«.
Da beide Männer in der Kritik stehen, ist eine nachträgliche Absprache zwischen den Sprechern zur Reaktion auf die Vorwürfe nicht allzu überraschend – und zumindest nicht automatisch Beweis dafür, dass es eine enge Absprache auch zuvor gab. Man will vermeiden, sich mit unterschiedlichen Stellungnahmen in Widersprüche zu verwickeln.
Herausgekommen ist jedoch genau das. Lindner widersprach am Freitag über sein Team auf Twitter dem ZDF hart. Es habe »zuvor keinerlei Kontakt mit Herrn Blume und auch keinerlei anderweitige Einflussnahme« gegeben. Zunächst, so »Bild«, bestritt auch Porsche den Inhalt der Sendung. Dann, nach dem Versenden des SMS-Irrläufers, habe der Sprecher jedoch sein Dementi zurückgezogen. Stattdessen gab es nur die ausweichende Antwort, »eine Satire-Sendung genießt bekanntlich Freiheiten«.
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So ähnlich äußerte sich Porsche auch gegenüber dem SPIEGEL. »Den Austausch hat es so nicht gegeben« – das kleine Wort »so« legt nahe, dass es doch einen Austausch gab, möglicherweise auch zu den Koalitionsverhandlungen und E-Fuels, nur vielleicht nicht stündliche Updates. Ob das »Anstalt«-Zitat Oliver Blumes von der Betriebsversammlung korrekt ist oder nicht, wollte das Unternehmen ausdrücklich nicht kommentieren.
»Lediglich ein kurzes Telefonat«
Dadurch nimmt Porsche hin, dass die laut ZDF mit Quellen verifizierte Aussage als glaubwürdig im Raum stehen bleibt. Und die Firma nimmt hin, dass ihr Chef Oliver Blume schlecht dasteht: Wenn das Zitat stimmt, prahlte er entweder vor der Belegschaft mit falschen Erfolgen – oder er nahm tatsächlich ungebührlichen Einfluss auf die Politik, und das als künftiger Vorstandsvorsitzender des größten deutschen Industriekonzerns.
Gegenüber der »Welt am Sonntag« entschied sich Porsche nun offenbar für Variante 1: »Im Rahmen einer internen Veranstaltung im Juni ist überspitzt formuliert worden, dafür entschuldigen wir uns.« Blume habe Worte gewählt, die nicht den Tatsachen entsprächen.
Fragen dürften sich aber vor allem an den Finanzminister richten, der schließlich nicht den Interessen einer Aktiengesellschaft verpflichtet ist, sondern dem Wohl des deutschen Volkes. Lindners Dementi war so hart formuliert, dass es nicht einmal genügen würde, sollte sich das Blume-Zitat doch noch als falsch herausstellen. »Keinerlei Kontakt mit Herrn Blume«, lässt sich diese Aussage wirklich halten? Gegenüber dem SPIEGEL wollte Lindner das Thema am Samstag nicht weiter kommentieren.
Die FDP allerdings räumte ein, es habe im Oktober – die Koalitionsverhandlungen begannen am 21. Oktober 2021 – »lediglich ein kurzes Telefonat« des späteren Bundesfinanzministers mit Porsche-Chef Oliver Blume »zu Fragen der Verwendung von E-Fuels« gegeben.
In den Zeitungen der Funke Mediengruppe äußerte sich der Finanzminister am Samstag zu mehreren Themen: Das 9-Euro-Ticket wolle er keinesfalls weiter finanzieren. Die Schuldenbremse sei unbedingt 2023 einzuhalten. Zugleich bereite er eine Reform der Einkommensteuer vor, die bereits im kommenden Jahr die Bürgerinnen und Bürger entlasten solle. Die staatliche Kaufprämie für Elektroautos und Plug-in-Hybride müsse »massiv« gesenkt werden. Über Porsche kein Wort.