Mitten in der Coronakrise USA lockert Grenzwerte für Autos

Die US-Regierung hat die künftigen Verbrauchsziele neu zugelassener Autos deutlich abgeschwächt. Nicht nur Umweltschützer laufen dagegen Sturm. Selbst die Autohersteller sind dagegen.
Autos dürfen in den USA nach einer Gesetzesänderung künftig wieder deutlich mehr Sprit verbrauchen - zulasten der Umwelt.

Autos dürfen in den USA nach einer Gesetzesänderung künftig wieder deutlich mehr Sprit verbrauchen - zulasten der Umwelt.

Foto: EDUARDO MUNOZ ALVAREZ/ AFP

Es war lange angekündigt, nun ist es beschlossen: Die US-Regierung unter Donald Trump hat die von der Vorgängerregierung festgelegten Verbrauchsziele für neu zugelassene Fahrzeuge stark herabgesetzt. Experten sprechen von der bislang folgenschwersten Maßnahme in Trumps Antiklimapolitik. Bereits im späten Frühjahr soll die Neuregelung in Kraft treten.

Bisher galt, dass die Hersteller den Durchschnittsverbrauch ihrer Flotte auf umgerechnet 4,32 Litern pro 100 Kilometer bis 2026 senken müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, hätten die Hersteller die Effizienz ihrer Fahrzeuge jährlich um fünf Prozent steigern müssen, was nur mit einem hohen Anteil von verbrauchsarmen Elektro- und Hybridautos möglich gewesen wäre.

Eine Milliarde mehr CO2

Die neuen Verbrauchsgrenzwerte sehen jetzt nur noch eine Effizienzerhöhung von 1,5 Prozent pro Jahr vor. Bis 2026 dürfen Autos dadurch immer noch 5,88 Liter pro 100 Kilometer verbrauchen. Das entspricht einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von rund 136 Gramm pro Kilometer. Zum Vergleich: In der EU liegt dieser Grenzwert derzeit bei durchschnittlich 95 Gramm oder 4,1 Liter Benzin. Laut einem Bericht der "New York Times " würden die Autos auf den US-amerikanischen Straßen mit der Neuregelung über ihre Lebensdauer fast eine Milliarde Tonnen CO2 mehr ausstoßen oder rund 300 Milliarden Liter Benzin mehr verbrauchen.

Die US-Regierung begründet diesen Schritt mit einer finanziellen Entlastung der Autoindustrie, da die neuen Spritspartechnolgien immer teurer würden. "Damit hält Präsident Trump sein vor drei Jahren gemachtes Versprechen an die Beschäftigten ein, die amerikanische Autoindustrie wiederzubeleben, indem er die kostspieligen und zunehmend unerreichbaren Emissionsstandards von Fahrzeugen überarbeitet", sagte Elaine Chao, US-Verkehrsministerin.

Die Sprecherin des Repräsentantenhauses und Demokratin Nancy Pelosi sagt dagegen, die Entscheidung der Regierung werde die öffentliche Gesundheit schädigen und die US-Wirtschaft gefährden. "Die anti-wissenschaftliche Entscheidung der Trump-Regierung wird zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt eine massive Luftverschmutzung verursachen", so Pelosi in Bezug auf die aktuelle Corona-Pandemie.

US-Hersteller sind gegen Neuregelung

Experten beurteilen die Neuregelung ebenfalls als großen Rückschritt in der US-Klimapolitik. "Von allen bisherigen Maßnahmen zur Lockerung der Klimagesetze ist dies der bisher größte Schritt", sagt David Victor, Direktor des Labors für internationales Recht und Regulierung an der University of California in San Diego gegenüber der "New York Times". Im US-Verkehrssektor entstehen landesweit die meisten CO2-Emissionen.

Sogar viele große Autohersteller, die bislang für eine Lockerung der Obama-Regeln eintraten, machen jetzt eine Kehrtwende. Sie forderten Trump auf, die Grenzwerte nicht so stark zu lockern wie vorgesehen, weil sie befürchten, dass die Maßnahme jahrelang vor Gericht verhandelt werden müsse. Denn der rechtliche Status der neuen Trump-Regel bleibt unklar. Experten erwarten, dass etwa 20 Staaten die US-Verwaltung verklagen könnten, um die Neuregelungen rückgängig zu machen. Ein solcher Fall würde demnach erst in den kommenden Jahren vom Obersten Gerichtshof entschieden. Für die Autobranche würde das eine regulatorische und wirtschaftliche Unsicherheit bedeuten, die Zeit und Geld kostet.

"Die Autoindustrie hat eine jährliche Steigerung der Kraftstoffeffizienz gefordert", sagte John Bozzella, Präsident der Alliance for Automotive Innovation, einer Lobbygruppe, der weltweit größten Autounternehmen. "Wir brauchen ein politisches Umfeld, das zu einer Verbesserung des Kraftstoffverbrauchs führt, und eine Infrastruktur, die eine Umstellung auf einen emmissionsfreien Verkehr unterstützt", so Bozella. Die US-Hersteller hatten angekündigt, die Effizienz auch ohne entsprechende Regulierung um jährlich rund 2,4 Prozent zu erhöhen - noch immer weniger als die Hälfte der ursprünglich vorgesehenen Ziele. Offen ist außerdem mit welchen Maßnahmen die Hersteller dieses Ziel erreichen wollen.

EU-Autolobby fordert Lockerung der CO2-Ziele

Wegen der derzeitigen Corona-Pandemie fordert auch die europäische Autolobby eine Lockerung der 95-Gramm-Grenze, die europaweit gilt. In einem offenen Brief  verlangt der europäische Automobilherstellerverband ACEA, "dass Anpassungen zum Zeitpunkt dieser Gesetze vorgenommen werden müssen". Derzeit stünde die Fahrzeugentwicklung still und auch Tests könnten nicht durchgeführt werden, weshalb man sich nicht darauf vorbereiten könne, "bestehende und zukünftige EU-Gesetze und -Vorschriften innerhalb der festgelegten Fristen einzuhalten", heißt es in dem Schreiben.

Anders sehen es die drei großen deutschen Hersteller. Volkswagen, Daimler und BMW haben sich gegen eine Änderung der Grenzwertregelung ausgesprochen. Bei VW heißt es, dass "eine Aussetzung der CO2-Strafzahlungen derzeit bei Volkswagen nicht diskutiert" werde. Auch Daimler-Chef Ola Källenius erklärte: "Wir gehören nicht zu denen, die sich um eine Veränderung der Emissionsrichtlinien bemüht haben." Laut einer Studie drohen den Autoherstellern in der EU im kommenden Jahr Strafen von zusammen 3,3 Milliarden Euro wegen zu hoher CO2-Werte.

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