Kohlendioxid für synthetische Kraftstoffe Klimakiller dringend gesucht

E-Fuels sind so etwas wie die letzte Hoffnung für den Verbrennungsmotor: Doch für diese künstlichen Kraftstoffe werden große Mengen Kohlendioxid benötigt. Wo die herkommen sollen, ist hoch umstritten.

General Motors, Ford, Jaguar: Eine wachsende Zahl von Autoherstellern sagt dem Verbrennungsmotor in den kommenden Jahren Lebewohl. Die Zeichen in der Branche stehen auf Elektro und Batterie.

Oder doch nicht? Der Verband der Automobilindustrie VDA jedenfalls hält dagegen: Auch Verbrennungsmotoren sind klimafreundlich, wenn sie mit sogenannten E-Fuels betrieben werden. Diese synthetischen Kraftstoffe werden aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt. Wird der Wasserstoff mit Ökostrom produziert, ist der Sprit CO2-neutral, argumentiert der Verband. Nach dieser Logik hätten die Autobauer allen Grund, noch länger am lukrativen Geschäft mit den Benzin- und Dieselfahrzeugen festzuhalten.

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In der Politik findet der Verband damit offene Ohren. So hat die Bundesregierung kürzlich beschlossen, dass sich Kraftstoffhersteller die verkauften E-Fuels für den Straßenverkehr bei der vorgeschriebenen Minderung ihrer CO2-Emissionen doppelt anrechnen lassen dürfen.

Um zu gewährleisten, dass mittel- und langfristig genug grüner Wasserstoff für E-Fuels und andere Anwendungen, etwa in der Industrie, zur Verfügung steht, hat die Bundesregierung letztes Jahr die Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet.

Anders verhält es sich bei der zweiten Zutat der E-Fuels, dem Kohlendioxid: Wo es herkommen soll, ist noch gänzlich offen – obwohl davon abhängt, ob der Sprit dem Klima überhaupt nützt. »Es ist verblüffend, dass die Politik und auch die Umweltverbände die Frage nach den möglichen CO2-Quellen für synthetische Kraftstoffe bislang fast völlig ignorieren«, sagt Oliver Geden, Klimaschutzexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.

Kohlendioxid aus Kraftwerken

Naheliegend wäre, das benötigte CO2 aus der Abluft von fossilen Kraftwerken sowie aus Industrieanlagen zu gewinnen. Dort liegt es in hoher Konzentration vor. Die Technik ist etabliert, das Kohlendioxid in Limonaden und Bier stammt häufig von dort. Klimafreundlich ist das so gewonnene CO2 aber nicht, da es fossilen Ursprungs ist. Die Emissionen werden nur verlagert, aus dem Schornstein zum Auspuff – ein Nullsummenspiel.

Ohnehin wird diese Quelle mit dem Umstieg auf erneuerbare Energien nach und nach versiegen. Wenn das anfallende CO2 für synthetische Kraftstoffe genutzt wird, könnte sich der Abschied von den fossilen Energien allerdings verzögern – kontraproduktiv für den Klimaschutz.

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»Installiert man in einem Kohlekraftwerk oder einem fossilen Industrieprozess eine Anlage zur Nutzung von Kohlendioxid, wollen die Betreiber diese natürlich so lange wie möglich nutzen«, sagt Daniel Münter vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg Ifeu. »Die fossilen Anlagen laufen damit womöglich länger, als sie eigentlich sollten, nur um CO2 gewinnen zu können.«

Biomasse als klimaneutrale Quelle

Diese Probleme lassen sich vermeiden, wenn man das CO2 aus Biomasse-Heizkraftwerken bezieht. Auch Biogasanlagen, die Methan für das Gasnetz produzieren, wären eine mögliche Quelle. »Kommt das Kohlendioxid aus Biomasse, emittieren Verbrennungsmotoren nur so viel CO2, wie die Pflanzen zuvor der Luft entnommen haben«, sagt Münter.

Allerdings ist das Potenzial begrenzt, da es nur wenige Anlagen dieser Art gibt. Deren Zahl könnte man zwar steigern. Doch das würde neue Probleme verursachen. Denn um die nötige Biomasse zu produzieren, braucht man große Anbauflächen und auch Dünger, der wiederum Treibhausgasemissionen verursacht. Und dann ist da noch die Tank-statt-Teller-Problematik: Die Erzeugung von Biomasse steht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion.

CO2-Filter für die Luft

Vielversprechender ist eine Technologie, die CO2 aus der Luft abscheidet: Sogenannte Direct-Air-Capture-Anlagen leiten einen Luftstrom durch einen Filter, der das enthaltene Kohlendioxid herauslöst. Prototypen dieser Technologie, etwa der Schweizer Firma Climeworks, stehen unter anderem bei Zürich und in Island. Sie zeigen, dass dieses Konzept gut funktioniert.

Wobei das so gewonnene CO2 dem Klimaschutz allerdings noch mehr dienen würde, wenn es nicht über den Auspuff wieder in die Luft geblasen, sondern in Gesteinsschichten gepresst wird, die es dauerhaft binden. So ließe sich ein Teil der Treibhausgasemissionen rückgängig machen. Womöglich könnte die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf diese Weise eines Tages sogar wieder reduziert werden. Solche sogenannten negativen Emissionen sind laut einem Sonderbericht des Weltklimarats IPCC unverzichtbar, um die globalen Klimaziele zu erreichen.

»Nutzt man das CO2 aus den Direct-Air-Capture-Anlagen für synthetische Kraftstoffe, fehlt es, um negative Emissionen zu erzielen. Damit haben wir einen Zielkonflikt«, sagt Oliver Geden, der als einer der Leitautoren am IPCC-Sonderbericht mitgearbeitet hat.

E-Fuels nur für Flugzeuge und Schiffe

Nichtsdestotrotz gilt Direct Air Capture als klimafreundlichster Weg, Kohlendioxid für synthetische Kraftstoffe zu gewinnen. Allerdings verschlingt das Verfahren viel Energie. Treibhausgasneutral ist es nur, wenn der benötigte Strom aus Solar-, Windenergie- oder Wasserkraftanlagen kommt.

Noch viel größer ist der Bedarf an Ökostrom allerdings bei der Produktion der anderen Zutat der synthetischen Kraftstoffe, dem Wasserstoff. »Wollten wir hierzulande alle fossilen Kraftstoffe im Straßenverkehr durch E-Fuels ersetzen, wäre dafür mindestens 2,5-mal so viel Strom notwendig, wie wir heute in Deutschland insgesamt verbrauchen«, rechnet Ifeu-Experte Münter vor.

Für ihn ist deshalb klar: »Wir sollten synthetische Kraftstoffe vorrangig dort einsetzen, wo es keine Alternative gibt, also im Flug- und Schiffsverkehr – und den Straßenverkehr elektrifizieren.«

Bei Pkw stehen die Zeichen also doch stark auf Abschied vom Verbrenner. Auch, wenn Teile der Autoindustrie damit noch immer lautstark hadern.

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