Studie zu umstrittenem Kraftstoff Ökosprit E10 greift wichtigen Schutzfilter im Auto an

E10-Zapfpistole an einer Tankstelle in Bayern: Umstrittener Kraftstoff
Foto: Daniel Karmann/ dpaSeit zehn Jahren tanken Autofahrer in Deutschland den Biokraftstoff E10. Die Beimischung von fünf bis zehn Prozent Bioethanol im Sprit verringert den Anteil fossiler Brennstoffe. Das soll die Treibhausemissionen verringern – zugunsten des Weltklimas. Ob dies tatsächlich gelingt, ist allerdings seit Jahren umstritten.
Für die unmittelbare Umgebung jedenfalls wirkt sich der Sprit eher negativ aus, wie eine neue Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik zeigt. Danach greift das beigemischte Bioethanol die Kraftstoffdampfrückhaltesysteme (KDRS) an. Diese sind in jedem Modell mit Ottomotor eingebaut, um giftige Benzindämpfe aufzufangen.
»Somit besteht die Gefahr, dass Biokraftstoff mehr Emissionen verursacht, als bisher bekannt«, sagt Fraunhofer-Projektleiterin Eva Schieferstein. Bei Verdunstungsemissionen träten krebserregende Kohlenwasserstoffe auf. »Deshalb ist der Einbau der Filter auch Vorschrift.«
Aktivkohlefilter leiden unter E10
Untersuchungen des TÜV Nord und des schwedischen TÜV hätten bereits angedeutet, dass es nach langfristigem Einsatz der KDRS mit Biokraftstoffen vermehrt zu Ausfällen kommen kann. Bei dem neuen Forschungsprojekt arbeiteten Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts und der Universität Siegen zusammen.
In dem auf vier Jahre angelegten Langzeittest untersuchten die Forscher die Auswirkungen des Biokraftstoffs auf die Filtersysteme. Die Ergebnisse bestätigten, dass bei den KDRS die Aktivkohlefilter in dauerhaft mit E10 betankten Fahrzeugen nicht langzeittauglich sind. Dabei nehmen die Filterkapazitäten ab, je länger Fahrzeuge in Betrieb sind und je höher die Laufleistung wird. »Dieser Effekt kann ohne Ethanolzusatz nicht in demselben Maße beobachtet werden«, erklären die Forscher.
Super E10 ist an den Tankstellen oft günstiger als normales Superbenzin. Diesem kann allerdings auch bis zu fünf Prozent Bioethanol zugefügt sein. 2019 lag der E10-Marktanteil laut Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft bei 14 Prozent.
Motoren sind von E10 nicht beeinträchtigt
Umstritten ist E10 seit seiner Einführung wegen seiner zweifelhaften Umwelt- und Klimabilanz. Er wird aus Pflanzen wie Zuckerrüben oder Mais hergestellt. Für deren Anbau sind große Flächen vonnöten, die somit nicht für die Nahrungsmittelproduktion verfügbar sind.
Viele Autofahrer befürchten zudem, dass der Biokraftstoff dem Motor schaden könne. Laut ADAC sind bei Fahrzeugen, für die E10 vom Hersteller als Kraftstoff freigegeben ist, jedoch keine Schäden zu erwarten.
»Es geht nicht darum, Biokraftstoffe zu verteufeln«, sagt Wissenschaftlerin Schieferstein. Die Langzeitstudie wurde ihr zufolge von einem Ausschuss begleitet, in dem Automobilhersteller und Filterzulieferer vertreten waren, sodass das Problem dort bekannt sei.
Blinder Fleck bei der Hauptuntersuchung
Der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) verwies auf SPIEGEL-Anfrage darauf, dass die Filter im Labor untersucht worden seien. Es müsse geprüft werden, ob die Ergebnisse auf den »realen Fahrbetrieb« übertragbar seien, sagt BDBe-Geschäftsführer Stefan Walter.
Das Forschungsteam empfiehlt nun dringend, die Funktionstüchtigkeit der Aktivkohlefilter regelmäßig zu untersuchen, etwa im Rahmen der zweijährlichen Hauptuntersuchung.
Doch dafür müssten die Filtersysteme demontiert werden, was bisher nicht vorgesehen ist. »Im Rahmen der Hauptuntersuchung wird eine reine Sichtkontrolle durchgeführt«, erklärt Thomas Schuster von der Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger (KÜS).
Funktionieren die Aktivkohlefilter nicht mehr ordentlich, breiten sich Kraftstoffreste unter Umständen unkontrolliert aus. Dies könne sich durch Tropfenbildung erkennbar machen, was dann zu einer Bemängelung führen müsse.
»Eine in dem Zusammenhang sinnvolle und hier von den Forschern auch sicher gemeinte Ergänzung der Kontrolle des Filters auf Schäden gehört eher in den Wartungsbereich der Werkstätten«, so Schuster. »Die Fahrzeughersteller täten gut daran, ihre Wartungsanweisungen aufgrund der Erkenntnisse dieser Studie anzupassen.« Panik wegen der neuen Studie sei aber unangebracht.
Bisher werden die Kraftstoffdampfrückhaltesysteme nur vor ihrem Einbau kontrolliert. Autofahrern rät die KÜS, bei Wartungen jenseits der 100.000 km die Werkstatt des Vertrauens auf die Kontrolle des Aktivkohlefilters anzusprechen.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, mit dem Bioethanol lande auch Palmöl im Tank. Tatsächlich wird jedoch nicht Bioethanol aus Palmöl hergestellt, sondern mitunter Biodiesel. Wir haben die Stelle korrigiert.