Zweiräder mit Batterieantrieb Das sollten Sie wissen, bevor Sie einen elektrischen Motorroller kaufen

Die Corona-Pandemie trifft die Wirtschaft hart – es gibt jedoch auch Branchen, die von der Krise profitieren. Zweiräder, egal ob sie mit Muskelkraft oder von einem Motor angetrieben werden, sind Gewinner in der Krise.
Trotz des Lockdowns wurden 2020 laut Industrie-Verband Motorrad in Deutschland rund 32 Prozent mehr Motorräder zugelassen als im Vorjahr. Der Absatz bei den Rollern wuchs dabei um rund 55 Prozent. Vor allem elektrische Motorroller können für viele Pendler eine Alternative zum Auto, aber auch zum öffentlichen Nahverkehr sein. In wenigen Tagen steigen die Temperaturen in Deutschland laut Wetterberichten auf 20 Grad und mehr – das dürfte den Zweiradhändlern zusätzlich in die Karten spielen.
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»Der Trend zum Elektroroller ist schon seit vier, fünf Jahren zu erkennen«, sagt Constantin Hack, Technikfachmann beim Auto Club Europa (ACE). »Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese Roller, die meist aus China kommen, immer billiger angeboten werden, da die Technik im Vergleich zu einem konventionellen Motorroller mit Verbrenner deutlich simpler ist«. In der Regel seien Fahrzeuge von Marken wie Niu oder Unu auch zuverlässig.
Mit wenigen Fahrstunden aufs Leichtkraftrad
Das wachsende Angebot an E-Rollern teilt sich in verschiedene Kategorien auf: »Da sind zunächst die E-Roller bis 25 km/h, die ab 15 Jahren mit Mofa-Führerschein gefahren werden dürfen«, erklärt Michael Lenzen, Vorsitzender des Bundesverbandes der Motorradfahrer. E-Roller bis 45 km/h seien mit dem Pkw-Führerschein erlaubt – und sind für viele Stadtbewohner eine praktische Option.
Seit rund einem Jahr gibt es für Autofahrerinnen und Autofahrer noch eine weitere Variante: Sogenannte Leichtkrafträder, die bis zu 11 Kilowatt leisten dürfen und deutlich schneller als 45 km/h fahren können. Bisher brauchte man dafür einen Führerschein der Klasse A1. Nun können Autofahrer, die mindestens 25 Jahre alt sind und den Autoführerschein seit mindestens fünf Jahren haben, ihre Fahrerlaubnis mit wenigen Theorie- und Fahrstunden auf Leichtkrafträder erweitern – und dann einen 100 km/h schnellen E-Roller fahren.
Die sind dann auch für etwas größere Distanzen und Fahrten auf der Landstraße geeignet. Die Führerscheinerweiterung kostet allerdings einige Hundert Euro und die A1-Elektroroller sind teurer als ihre nur 45 km/h schnellen Pendants. Ob sich die Mehrausgaben lohnen, hängt vor allem von der dadurch möglichen Zeitersparnis im Alltag ab. Im Urlaub profitiert man von der Erweiterung namens B196 nicht, sie gilt nur innerhalb Deutschlands.
Wie weit will ich eigentlich kommen?
Entscheidender Faktor für den Kauf ist meist der Aktionsradius des E-Rollers. »Die Reichweite ist von der Größe und Kapazität der Batterie abhängig, bei Rollern bis 45 km/h liegen sie zwischen 40 und 80 Kilometern, was in den meisten Fällen für den Weg zur Arbeit und zurück reichen sollte«, sagt Lenzen. Reichweite ist aber nicht gleich Reichweite, warnt ACE-Experte Hack. »Nur weil der Hersteller eine Reichweite von 50 Kilometer angibt, heißt das nicht, dass der Roller die im Alltag mit einer Batterieladung auch schafft.«
Das wiederum gelte jedoch für alle Hersteller gleichermaßen. Der große Unterschied zwischen Modellen europäischer Hersteller wie der Vespa und den asiatischen Anbietern liege vor allem im Preis. Während ein ordentlicher Roller aus chinesischer Produktion ab rund 2500 Euro zu haben sei, koste eine Vespa mehr als das Doppelte, so der Mann vom ACE.
Eine Probefahrt sollte man unabhängig vom Preis auf jeden Fall machen. Auch auf einer kurzen Runde kann man erkennen, ob ein Kilometer angezeigter Reichweite auch einem Kilometer Fahrstrecke entspricht – oder doch nur 500 Metern.
Der Roller sollte zur Körpergröße passen
Gleichzeitig lässt sich feststellen, ob der Roller zur Körpergröße passt. Bei manchen Rollern ist die Sitzhöhe im Vergleich zum Trittbrett für größere Personen zu niedrig, die Fahrt wird unbequem. Lange Beine können bei manchen Modellen außerdem den Lenkeinschlag behindern. Wer häufiger zu zweit fährt, sollte das bei der Reichweite miteinkalkulieren und am besten auch eine Proberunde zu zweit fahren – manche der Elektroflitzer sind nämlich eher 1,5-Sitzer als Zweisitzer.
Dabei sollte man Michael Lenzen zufolge auch auf die Zuladung achten: »Wer mit zwei Personen unterwegs sein will, darf nicht nur auf das Platzangebot schauen, sondern muss auch die erlaubte Zuladung im Auge haben«. Die falle wegen des durch den Akku bedingten höheren Grundgewichts geringer aus als bei einem vergleichbaren Roller mit Verbrennungsmotor.
Parkplatz entscheidet bei der Akkuwahl
Bei E-Motorrollern gibt es sowohl in der 45er-Klasse als auch bei den Leichtkrafträdern zwei Optionen: Fest verbaute oder entnehmbare Akkus. André Lang, Experte vom Institut für Zweiradsicherheit (ifz), rät zu einem Modell mit herausnehmbaren Akku: »Wenn ich keine Lademöglichkeit in der Garage, am Wohnhaus oder am Arbeitsplatz habe, bin ich bei einem fest verbauten Akku bezüglich der Lademöglichkeiten stark eingeschränkt«. Zudem biete ein Plug-and-play-Akku die Möglichkeit, die Reichweite zu steigern, indem man einen zweiten Akku im (sofern vorhandenen) Batterie- oder im Helmfach transportiere.
Hack rät ebenfalls zu Plug-and-play. »So kann ich den Akku mit nach Hause nehmen und dort ganz bequem an der Steckdose laden«. Auch hinsichtlich Diebstahlschutz sei das wichtig: »Denn der Akku ist mit Abstand die teuerste Komponente des Fahrzeugs«. Deshalb sollte man vor einem Kauf bei Rollern mit entnehmbaren Akkus genau kalkulieren, wie viel Reichweite man wirklich braucht. Reicht im Alltag ein Energiespeicher aus, spart man mehrere hundert Euro.
Die großen »tanken« wie die E-Autos
Die größeren E-Roller dagegen bieten oft kein Plug-and-play, ähnlich wie beim Elektromotorrad. »Zum einen ist hier der Akku entsprechend der höheren Reichweite deutlich schwerer und damit unhandlicher. Zum anderen ist er so verbaut, dass er Teil der Gesamtstruktur des Fahrzeugs ist«, so Lenzen.
Wer sich Sorgen um die Sicherheit von Akkus macht, den kann Lang zunächst beruhigen. »Ein unbeschädigter Lithium-Ionen-Akku ist sicher und entzündet sich nicht«. Wichtig sei aber mit dem Akku so umzugehen, wie es der Hersteller vorgibt. »So muss nach einem Unfall oder Sturz der Akku von Fachleuten überprüft werden«, sagt Lenzen. »Ein beschädigter Akku darf aus Sicherheitsgründen nicht mehr benutzt werden.«