Pkw-Technik Tanken oder laden? Autokonzerne streiten über Antrieb der Zukunft

Volkswagens E-Auto ID.3 in der Autostadt Wolfsburg
Foto: Hauke-Christian Dittrich / dpaAuf sogenannten E-Fuels ruhen die letzten Hoffnungen für den Verbrennungsmotor. Hergestellt aus Wasser, Strom und CO₂ sind diese synthetischen Kraftstoffe potenziell klimaneutral. Zudem lassen sie sich an der Zapfsäule wie Benzin oder Diesel tanken - ein Traum für alle in der Autoindustrie, die von Kolben, Zündkerzen oder Nockenwellen leben.
Doch ausgerechnet Volkswagen schießt scharf gegen diese Technik. "Die sogenannten Potenziale" der synthetischen Kraftstoffe würden "im allgemeinen massiv überschätzt", nehmen die Wolfsburger zu einem geplanten Bundesgesetz zu erneuerbaren Energien im Verkehr Stellung. Ihre Herstellung sei "aufwendig, kostenintensiv, wenig klimaeffizent und mit geringem Wirkungsgrad". Überlegungen, Treibstoff für Autos auf diese Art herzustellen, halten die Autoren des VW-Papiers für unsinnig. Die Stellungnahme liegt dem SPIEGEL vor.
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Die Worte markieren eine neue Eskalation in einem Richtungsstreit, der die Branche in Deutschland seit einiger Zeit spaltet. Während US-Konzern Tesla den Takt mit Batterieautos vorgibt und Toyota stark auf Wasserstoff setzt, ist die Branche in Deutschland uneins, welcher Technik die Zukunft gehört - und ob ein Favorit überhaupt schon absehbar sein kann. VW setzt voll auf batteriegetriebene Fahrzeuge, andere räumen mittel- bis langfristig E-Fuels oder auch Wasserstoff gute Chancen ein.
Viele Manager schwärmen von E-Fuels
Nur in einem Punkt sind sich die Beteiligten grundsätzlich einig: Der CO₂-Ausstoß durch den Automobilverkehr muss in den kommenden Jahren drastisch gesenkt werden, das verlangt nicht zuletzt der Gesetzgeber. Wie das Ziel erreicht werden soll, darüber herrscht seit Jahren Dissens.
Immer wieder melden sich Vorstände von Autoherstellern und großen Zulieferunternehmen zu Wort, die von sauberem Wasserstoff aus regenerativen Energiequellen schwärmen und E-Fuels in Verbrennungsmotoren verfeuern wollen. So sei eine CO₂-neutrale Mobilität möglich, heißt es.
Der Branchenverband VDA schreibt in seiner Stellungnahme zu dem geplanten Bundesgesetz, der Einsatz von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen sei "in allen Transportanwendungen" möglich. Zudem fordert der Verband höhere Zielvorgaben für Wasserstoff und E-Fuels als bislang im Gesetzentwurf vorgesehen. Über die internen Dokumente hatte zuerst die "Süddeutsche Zeitung" berichtet. Vor allem von BMW waren zuletzt ähnliche Töne zu hören.
Experten kritisieren Streit der Hersteller
VW wiederum hätte seine Position kaum undiplomatischer formulieren können. Doch Konzernchef Herbert Diess beharrt eben auf seinem Standpunkt. Im Frühjahr 2019 hatte der VW-Konzern gedroht, aus dem VDA auszutreten, weil der Verband eine klare Haltung zur Elektromobilität vermissen ließ und sich in Sachen Zukunftstechnologie alle Türen offen halten wollte.
Doch wer liegt denn nun richtig? Und was bringt diese Debatte der Branche überhaupt?
"Zunächst einmal ist es nicht zielführend, wenn der VDA und wesentliche Vertreter der Autoindustrie uneinig sind", sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automobive Management in Bergisch Gladbach. "Es wäre wesentlich sinnvoller, wenn man sich fragt, was kurzfristig zu weniger CO₂-Ausstoß im Pkw-Verkehr führen könnte. Nach meiner Einschätzung kommt man dann auf die Elektromobilität", sagt Bratzel, und meint damit die Batterievariante.
Wasserstoff bleibe dennoch ein Zukunftsthema, vor allem für den Schwerlastverkehr. "Doch das Thema Wasserstoff lässt sich nicht allein auf den Verkehr und schon gar nicht auf den Pkw-Verkehr beschränken", so Bratzel. "Dafür müssen die komplette Industrie und alle Branchen in den Blick genommen werden."
Enorme Mengen Strom erforderlich
Leicht befremdet von der Debatte wirkt auch Batterieforscher Maximilian Fichtner, Professor am Helmholtz Institut Ulm sowie am Karlsruhe Institut of Technology (KIT). "Ich würde mir wünschen, dass die gleichen Akteure, die immer Technologieoffenheit predigen, sich ebenso engagiert dafür einsetzen, dass die Voraussetzungen für diese Technologien - also etwa grüner Strom - geschaffen werden", sagt Fichtner, der zuvor zwölf Jahre in der Brennstoffzellenentwicklung gearbeitet hat. "Da sehe ich jedoch eine Diskrepanz."
Auch Fichtner plädiert für eine pragmatische Vorgehensweise, betont aber Vorteile der Akkutechnik. "Bei einem Batterie-Elektrofahrzeug kommen etwa 70 Prozent der eingesetzten Energie am Rad an, bei einem Brennstoffzellenauto sind es höchstens 20 Prozent, bei einem Fahrzeug mit E-Fuel-Antrieb kaum zehn Prozent", sagt Fichtner. "Da stellt sich schon die Frage: Können wir uns das leisten?" Schließlich sei sehr viel Ökostrom für die Herstellung der E-Fuels nötig. Doch der dürfte künftig knapp sein, "weil unsere gesamte Industrie in den nächsten Jahren auf CO₂-Neutralität umgestellt wird".
Wie sehr die Debatte die Branche durcheinanderbringt, zeigt sich im VW-Konzern selbst. Während die Konzernspitze drängt, dass erst einmal die Energie in den Ausbau der Batterie-Elektromobilität gesteckt wird, gibt es im eigenen Reich abweichende Meinungen. So sprach sich Porsche-Chef Oliver Blume erst in der vergangenen Woche bei einem Automobilkongress für synthetische Kraftstoffe aus. Dies immerhin mit der Einschränkung, die E-Fuels seien derzeit noch zu teuer und wohl erst in zehn Jahren so billig, dass sie Benzin und Diesel ersetzen könnten.