Studie Elektroautos bauen Klimavorteil aus – Wasserstoff hat ein Problem

Laden statt tanken: Elektroautos gelten als Klimahoffnung – offenbar zu Recht
Foto: Rachel Annie Bell / Cavan Images RF / Getty ImagesDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Weltweit entscheiden sich Autofahrerinnen und Autofahrer zunehmend für batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEV). In Deutschland ist ihr Anteil bei den Neuzulassungen zuletzt auf mehr als zehn Prozent gestiegen . Den Boom befördern Fördergelder und Emissionsregeln der Staaten – E-Autos sollen dem Klima helfen, schließlich stoßen sie keine Abgase aus.
An dieser Rechnung zweifeln allerdings immer wieder einzelne Fachleute und Politiker: Werden die Fahrzeuge faktisch nicht meistens mit dreckigem Kohlestrom geladen?
Die Autoren einer Untersuchung der Nichtregierungsorganisation ICCT widersprechen nun deutlich: Elektroautos schneiden in ihrer Klimarechnung nicht nur deutlich besser ab als Wagen mit Verbrennungsmotor. Die Bilanz der Fahrzeuge hat sich zudem zuletzt offenbar noch einmal klar verbessert.
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Demnach setzt ein Elektroauto aus der Kompaktklasse in Europa 66 bis 69 Prozent weniger Treibhausgase frei als ein Fahrzeug mit Benzinantrieb. Betrachtet wurde der Energiebedarf über die gesamte Lebensdauer der Pkw, inklusive Herstellung. Einbezogen in die Rechnung ist, dass manche Batterien auf anderen Kontinenten gefertigt werden, etwa in China.
Zugrunde gelegt ist der erwartete Strommix für die Jahre 2021 bis 2038, in denen ein heute zugelassenes E-Auto unterwegs wäre. Die Klimapläne der EU sehen vor, dass erneuerbare Energien deutlich ausgebaut werden und bei der Stromproduktion weit weniger CO₂ entsteht als heute.

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Die Autoren erwarten zudem, dass E-Autos, die in den kommenden Jahren zugelassen werden, eine noch bessere Klimabilanz haben. »Aufgrund des sich stetig verbessernden Strommix, erhöht sich dieser Emissionsvorteil von BEVs für Neufahrzeuge im Jahr 2030 auf etwa 74 bis 77 Prozent.«
Klimabilanz der Akkuproduktion stark verbessert
Mehr Ökostrom im Netz macht sowohl das Fahren umweltfreundlicher als auch die energieintensive Batterieherstellung: Den Daten zufolge entstehen bei der Akkuproduktion nun gut zwei Drittel weniger Treibhausgase, als noch vor einigen Jahren angenommen wurde. Dies auch, weil inzwischen weniger Energie im Fertigungsprozess benötigt wird. Das ICCT stützt die Untersuchung auf Daten des Argonne National Laboratory, einem Forschungsinstitut des US-Energieministeriums.

ICCT-Studie: Klimabilanz von Autos mit verschiedenen Antrieben im Überblick
Foto: ICCTDer Klimanutzen von E-Autos vergrößere sich derzeit tatsächlich, sagt Hinrich Helms vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu). »Die Klimabilanz von batterieelektrischen Autos wird in der Tat jedes Jahr besser. So wird nicht nur der Strommix zum Laden sauberer, sondern auch die Produktion der Batteriezellen erfolgt mit saubererem Strom und wird effizienter. Da tut sich aktuell sehr viel.«
Das ifeu hatte zuletzt für das Bundesumweltministerium einen Klimavorteil von gut 30 Prozent für E-Autos gegenüber Benzinern ermittelt. Dabei hatte das Institut teils andere Grundannahmen getroffen als das ICCT, etwa beim Strommix.
Optimistische Parameter
Generell hängt das Ergebnis derartiger Vergleiche zwischen Elektro- und Verbrennerautos stark von den gewählten Parametern ab. Wie weit werden die Autos über ihre Lebensdauer gefahren? Das ICCT setzt 243.000 Kilometer für Wagen der unteren Mittelklasse an. Wie lange hält die Batterie? Die Organisation geht davon aus, dass der Akku durchhält, bis der Wagen verschrottet wird.
Solche optimistischen, gleichwohl nicht unrealistischen Annahmen lassen E-Autos in der Ökobilanz vorteilhafter erscheinen, als wenn beispielsweise ein Batteriewechsel unterstellt wird. Auch sehr pessimistische Annahmen würden das Blatt heute indes wohl nicht mehr zugunsten der Verbrenner wenden.
Immer wieder stoßen sich E-Auto-Kritiker daran, wenn der Strommix einer Region oder eines Landes als Basis für die CO2-Bilanz der Wagen herangezogen wird . Tatsächlich, so ihr Argument, deckten fast immer Gas- oder Kohlekraftwerke den von E-Autos verursachten Mehrbedarf an Strom. Sie ließen sich kurzfristig hochfahren – während Wind- oder Solarkraftwerke meist genauso viel leisteten, wie es das Wetter ermöglicht.
Wasserstoffautos haben ein wenig bekanntes Klimaproblem
Helms widerspricht. »Wer vermutet, dass stets ein Kohlekraftwerk die zusätzliche Stromnachfrage von Elektroautos deckt, macht es sich zu einfach.« So habe beispielsweise die EU festgelegt, dass die erneuerbaren Energien umso stärker ausgebaut werden, wenn der Strombedarf steigt.
Abgesehen von batteriebetriebenen Autos weisen grundsätzlich auch Wasserstofffahrzeuge den Weg in eine klimafreundliche Zukunft des Verkehrs, finden die ICCT-Autoren. Dabei komme es allerdings stark darauf an, dass der Treibstoff vollständig mit Strom aus erneuerbaren Quellen produziert wird – zumal dessen Herstellung sehr viel Energie verschlingt.
Zudem weist die Untersuchung auf ein wenig bekanntes Detail in der Bilanz von Autos mit Brennstoffzelle hin. Bislang galt die Herstellung von Batterieautos als deutlich klimaschädlicher. Die aktuelle Untersuchung legt jedoch nahe, dass bei der Fertigung von Wasserstofffahrzeugen in etwa so viel CO₂ frei wird wie bei der Produktion von E-Autos mit Batterie. Knackpunkt ist der Wasserstofftank aus Carbonfasern: Ihn und die Brennstoffzelle zu produzieren, lasse in etwa so viel Treibhausgase entstehen wie die Herstellung eines mittelgroßen E-Auto-Akkus.