EPA-Untersuchung Umgebaute Diesel-Pick-ups schlimmer als manipulierte VW-Diesel

Der US-Umweltbehörde zufolge sorgen illegal umgebaute Pick-ups in den USA für erhebliche Luftverschmutzung und übertreffen sogar die Effekte des Dieselskandals. Die Autoindustrie trifft keine Schuld.
Schwarze Rauchfahnen wie bei diesem Diesel-Pick-up belasten die Luftqualität in den USA

Schwarze Rauchfahnen wie bei diesem Diesel-Pick-up belasten die Luftqualität in den USA

Foto: George Rose / Getty Images

Mehr als eine halbe Million Diesel-Pick-ups waren auf US-amerikanischen Straßen im vergangenen Jahrzehnt mit illegal abgeschalteten Abgaskontrollsystemen unterwegs – und produzierten dadurch genauso viele Emissionen wie neun Millionen zusätzliche, ordnungsgemäße Autos ausgestoßen hätten. Das geht aus einer Untersuchung  der US-Umweltbehörde EPA hervor, die der »New York Times« vorliegt . Anders als im Dieselskandal stecken hinter der Manipulation jedoch nicht die Hersteller, sondern die Besitzer der Fahrzeuge.

Sie bauen illegale Abschalteinrichtungen, die von vergleichsweise kleinen Unternehmen hergestellt werden, in ihre Pick-ups ein. Entweder, argumentiert die Behörde, um die Wartungskosten der Abgasnachbehandlung einsparen zu können, die Leistung zu steigern oder auch zur Individualisierung – um beispielsweise zu erreichen, dass der eigene Truck dicke, schwarze Rauchschwaden ausstößt.

570.000 Tonnen Stickoxide durch manipulierte Trucks

Diese sogenannten Coal Roller, Kohlewalzen, sind eine seit mehreren Jahren zu beobachtende Auto-Subkultur in den USA, mit denen vornehmlich konservative Pick-up-Fahrer die Luft, aber auch Radfahrer oder Hybrid- und Elektroautos voll qualmen, oft als Protest gegen Klimaschutzmaßnahmen, idealerweise verewigt per YouTube-Video. Dafür wird in der Regel mehr Kraftstoff als nötig eingespritzt, der dann nicht komplett verbrennt und als Rußwolke aus dem Auspuff strömt. Ist zusätzlich die Abgasnachbehandlung außer Betrieb, wird diese Wolke umso größer. Die Manipulation von Abgaskontrollsystemen sowie die Herstellung, der Verkauf und auch der Einbau solcher »Defeat Devices« verstößt nach Ansicht der EPA jedoch gegen die US-Luftreinhaltungsgesetze.

Solche Abschalteinrichtungen haben der Untersuchung zufolge außerdem gravierende Konsequenzen. So geht die EPA davon aus, dass die Abgaskontrollsysteme in den vergangenen zehn Jahren bei mehr als 550.000 Pick-ups manipuliert wurden. Dadurch stoßen diese Fahrzeuge über ihre Lebensdauer hinweg über 570.000 Tonnen gesundheitsschädliche Stickoxide aus – mehr als das Zehnfache der Stickoxidemissionen, die manipulierte VW-Diesel in den USA verursacht hatten. Hinzu kommen demnach rund 5000 Tonnen an zusätzlichen Feinstaubemissionen.

Auch kleinere Pick-ups oder Landmaschinen könnten manipuliert sein

Tatsächlich könnte die Umweltverschmutzung durch die Abschalteinrichtungen jedoch noch weit höher liegen. So fanden die EPA-Ermittler mindestens 28 verschiedene Firmen, die mindestens 45 der als »Diesel Tuner« bezeichneten Produkte verkauften. Zusätzlich dürfte auch die Zahl manipulierter Fahrzeuge weit höher liegen, denn untersucht wurden nur Trucks der Klassen 2b und 3, deren zulässiges Gesamtgewicht zwischen knapp 3,9 und rund 6,4 Tonnen liegt. Rund 15 Prozent dieser schweren Pick-up-Trucks, zu denen beispielsweise der Ford F-350 oder der Ram 2500 gehören, sind demnach manipuliert. Die Bauteile könnten jedoch auch in Tausenden anderer Dieselfahrzeuge stecken, in kleineren Pick-ups, Pkw, aber auch Lastwagen oder Landmaschinen.

»Das ist deutlich alarmierender und weiter verbreitet als der Volkswagen-Skandal«, sagte Drew Kodjak vom International Council on Clean Transportation – der Organisation, die dabei half, den Dieselskandal aufzudecken – der »New York Times«. Da es sich um Pick-ups handle, so Kodjak, sei die Luftverschmutzung deutlich höher. Gleichzeitig sei es deutlich schwerer, das Problem der auch im Internet angebotenen »Diesel Tuner« anzugehen. Hier seien viele kleine Unternehmen im Spiel, das mache es schwerer, geltende Regeln durchzusetzen als bei einem großen, global agierenden Autohersteller, so Kodjak. Zusätzlich fehlt es an effektiven Kontrollen auf der Ebene der Bundesstaaten und Städte. So wird bei Abgasuntersuchen der »New York Times« zufolge vielerorts keine Messung am Endrohr durchgeführt, stattdessen werden nur die Werte aus den Steuergeräten des Wagens ausgelesen – wodurch die Manipulation nicht auffliegt.

ene
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