Das sagt der Hersteller: Das Vorzeigemodell von Aston Martin ist seit vergangenem Jahr eigentlich der DB11. Unternehmenschef Andy Palmer erhebt den Vanquish aber einfach mal in den Status einer "Ikone" und verpasste ihm ein S als Namenszusatz. "So differenziert er sich umso deutlicher vom DB11 und sichert sich die Spitzenstellung in unserer Palette", glaubt er.
Das ist uns aufgefallen. Kopfschütteln, abschätzige Blicke oder absichtliches Wegschauen - wenn es um die Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer geht, sind Sportwagenfahrer auf Ablehnung gefasst. Umso ungewöhnlicher sind die Begegnungen, wenn man mit dem Vanquish S unterwegs ist. Statt Mittelfingern werden einem nur Daumen entgegengestreckt. Zwei Rentner am Straßenrand klappern anerkennend mit ihren Gehstöcken, die Verkäuferin auf dem Wochenmarkt winkt mit einem Strauß Blumen, und selbst die von Testwagen ansonsten unbeeindruckte Postbotin findet lobende Worte für das stilvolle Auto.
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Gerade deshalb wagt man es aber kaum, den Vanquish S anzulassen. Denn man möchte auf der Stelle im Fußraum versinken, sobald der Schlüssel, der in diesem Fall "Emotion Control Unit" heißt, im Schlitz in der Mittelkonsole verschwindet und den V12-Motor zum Leben erweckt. Das Aggregat nämlich brüllt auch ohne jedes Zutun des Fahrers so laut auf, dass man augenblicklich für einen Angeber gehalten wird. "Sorry", möchte man den Ohrenzeugen zurufen, doch das wäre ja noch peinlicher, und so zuckelt man etwas beschämt davon.
Wobei das in diesem Auto gar nicht so einfach ist. Schließlich ist der Vanquish S nicht zum Schleichen gebaut, sondern zum Rasen. Sein Zwölfzylinder mit sechs Liter Hubraum leistet 600 PS, in 3,5 Sekunden beschleunigt der Wagen von null auf Tempo hundert, bei Vollgas erreicht die Fuhre 323 km/h. Aber auch beim Fahren liegen Faszination und Frust enger beisammen als bei vielen anderen Sportwagen. Denn so schnell das Coupé auch sein mag, es wirkt trotz der leichten Karbonkarosserie auf kurvigen Strecken etwas schwerfällig.
Auch andere Details dämpfen die Begeisterung: Beispielsweise die grob gepixelten Anzeigen, das Navigationssystem, dessen Bedienung mehr Aufmerksamkeit erfordert als ein verzwicktes Abbiegemanöver; und schließlich die extrakleinen Sitzkuhlen in der zweiten Reihe, die selbst für eine Handtasche zu mickrig sind. Da helfen dann auch das feinste Leder und die tollsten Ziernähte nicht weiter.
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Autogramm Aston Martin Vanquish S: Außen zeitlos, innen veraltet
Dass auch noch der Bildschirm seltsamerweise immer dann einklappt, wenn man den Rückwärtsgang einlegt und auf dem Monitor gerne das Bild der Heckkamera sehen würde, ist nicht schlimm. Denn desto öfter blickt man in den Rückspiegel und sieht den vielleicht schönsten Hüftschwung, den ein Sportwagen je hatte.
Das muss man wissen: Der Vanquish S ist die jüngste und vermutlich letzte Ausbaustufe der Gran-Turismo-Baureihe aus Gaydon. Der Wagen ist seit Jahresbeginn im Handel und kostet mindestens 262.950 Euro. Äußerlich erkennbar ist er an aufwendigen Karbon-Anbauteilen, die die Luftführung verbessern sollen. Im Innenraum geht es nun maximal luxuriös zu, sieht man vom Fehlen zeitgemäßer Elektronik und vernünftiger Displays einmal ab.
Während man sich über die Rückständigkeit in der Kabine durchaus ärgern könnte, begrüßt man die Old-School-Manier im Motorraum ausdrücklich. Denn während Aston Martin für den DB11 einen neuen V12-Motor mit Turboaufladung entwickelte, versenken die Briten im Vanquish S einen voluminösen Saugmotor.
Das werden wir nicht vergessen: Die Eleganz dieses Aston Martins zieht sich durch bis in den Kofferraum. Während andere Sportwagenhersteller um jedes Kilogramm kämpfen und auf alle überflüssigen Extras verzichten, legen die Briten dem Auto einen massiven Regenschirm bei.
9 BilderAutogramm Aston Martin Vanquish S: Außen zeitlos, innen veraltet
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Nur wenige Autos sehen so elegant und sportlich zugleich aus wie der Aston Martin Vanquish S. Die neue Variante ist vermutlich die letzte Ausbaustufe des Gran Turismo, der immerhin schon seit 16 Jahren gebaut wird.
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Das Design des Cockpits ist nach wie vor prima, doch die Ausstattung mit fast schon anachronistisch wirkender Elektronik bereitet der Begeisterung ein jähes Ende.
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Die weißen Einleger in der Frontschürze aus Karbon wären nicht nötig gewesen. Ohne diesen albernen Akzent sähe die Frontpartie des Sportwagens wohl noch schicker aus.
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Ein flaches, schmuckloses Lenkrad und Schaltpaddel, um das Achtgang-Automatikgetriebe zu steuern, ohne die Hände vom Volant nehmen zu müssen.
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Vor allem die Heckpartie des Vanquish S ist dramatisch geformt.
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Unter der Haube sitzt ein klassischer V12-Saugmotor mit sechs Litern Hubraum. Das Aggregat entwickelt eine Leistung von 603 PS und treibt den Wagen auf bis zu 323 km/h.
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Eigentlich unspektakulär, und doch wunderschön und vor allem perfekt proportioniert sehen die Details des Karosseriedesigns aus.
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Im Kofferraum des Autos gibt es einen massiven Regenschirm als Extra.
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Der Unterbau am Heck, der für Abtrieb an der Hinterachse sorgt, sieht im Vergleich zum Rest des Autos ziemlich grobschlächtig aus.