Audi A4 Ruperts Rückgrat

Kein Premium-Autohersteller hat so ambitionierte Ziele wie Audi: 2008 soll der Absatz nach dem Willen von Vorstandschef Rupert Stadler die Millionenmarke überspringen, bis 2015 wollen die Bayern weltweit die Nummer eins sein. Das wird nur funktionieren, wenn der neue A4 ein Gewinner ist. SPIEGEL ONLINE hat ihn schon getestet.

Rupert Stadler hat durchaus Grund zur Gelassenheit. Der Audi-Chef wird demnächst das zwölfte Rekordjahr in Folge abschließen. Bis 2015 soll die VW-Tochter zum erfolgreichsten Premiumhersteller der Welt aufsteigen. Dabei setzen die Bayern einerseits auf eine Reihe neuer Modelle, denn Stadler will die Modellpalette mit Investitionen von zehn Milliarden Euro nahezu verdoppeln. Doch das Fundament für das geplante Wachstum bildet ein alter Bekannter, der nun in neuer Form an den Start geht: der Audi A4. Stadler nennt den Wagen "das Rückgrat der Marke". Zwar weht in der Mittelklasse eine steife Brise, doch die mittlerweile achte Generation des Dauerbrenners A4, der in 35 Jahren mehr als acht Millionen mal verkauft wurde und damit die Hälfte des Audi-Absatzes ausmacht, ist ziemlich gut gelungen.

Schon im Stand wirkt die Limousine, die Ende November in den Handel kommt, sportlicher als früher: Sie hat ein großes Kühlermaul und eine stark konturierte Motorhaube. Die Flanken sind glatt, das Dach wölbt sich in sanftem Bogen und das Heck mit dem starken Einzug und dem kleinen Spoiler erinnert an die Zeit, als der A4 noch Audi 80 hieß. Stilbildendes Merkmal sind auch beim neuen Modell Scheinwerfer und Rückleuchten. Vorn ist die Limousine mit Chrom-bedampften Schwingen für das serienmäßige Tagfahrlicht ausgestattet, das gegen Aufpreis auch mit jeweils 14 LED-Punkten dargestellt wird. Hinten gibt es zur Mitte hin angespitzte Heckleuchten.

Der A4 bekam ein völlig neues Fahrwerk, das vor allem vom längeren Radstand profitiert. Die Vorderachse wandert um 15 Zentimeter nach vorn und der längs montierte Motor rückt zurück. Außerdem wird die Spur etwas breiter. Zusammen mit den neuen Achsen sorgt das für eine so ausgewogene Balance, dass sich der A4 mit nahezu chirurgischer Präzision bewegen lässt: Lange Passagen auf der Autobahn, kurvige Landstraßen, enge Innenstädte – überall ist der Wagen prima präsent. Fast mit dem kleinen Finger kann man ihn steuern und muss doch nie auf eine präzise Rückmeldung verzichten.

"Auf Knopfdruck bekommt man drei Autos in einem"

Wem das nicht genug ist, der kann die Option Audi Drive Select bestellen. Der Name steht für eine neue Lenkung mit variabler Unterstützung, elektronisch kontrollierten Dämpfern und einem Schalter in der Mittelkonsole, mit dem man das Fahrverhalten des Wagens verändern kann. "Auf Knopfdruck bekommt man so drei Autos in einem", behauptet Peter Kohoutek, der die Technik des neuen A4 verantwortet.

Vom größeren Radstand profitiert nicht nur das Fahrverhalten. Auch das Raumangebot ist gewachsen. Schließlich überragt der um elf Zentimeter auf 4,70 Meter gestreckte A4 seine Wettbewerber um mehr als eine Handbreite. Weil der A4 zudem ein wenig in die Breite gegangen ist, sitzt man vorn wie hinten fast so gut wie im A6. Kopf, Knie und Schultern haben auf allen Plätzen reichlich Platz. Dazu gibt es ein klar gegliedertes Cockpit, eine hochwertige Materialauswahl in nahezu perfekter Verarbeitung und eine Mittelkonsole, die angesichts der vielen Assistenz- und Komfortsysteme fast ein wenig überladen wirkt. Zwar ist das nun auch im A4 eingebaute, zentrale Steuersystem MMI mit dem großen Drehknauf und den Tasten zur Direktwahl der Programme nach wie vor ein schlüssiges Bediensystem, doch stoßen hier die Vereinfacher offensichtlich an ihre Grenzen.

Fünf Motoren sind im Angebot, weitere werden folgen

In Fahrt bringen den A4 zunächst zwei Benziner und drei Diesel, deren Verbrauch im Mittel um zehn Prozent gesenkt wurde. Wie immer gibt es neben Schaltung und Automatik auch die stufenlose Multitronic, und statt des Frontantriebs kann man bei vielen Varianten auch den Allradantrieb Quattro bestellen, der neuerdings eher hecklastig ausgelegt ist. An der Basis steht der 1,8 Liter große TFSI, der mit Turbolader auf 160 PS und 250 Nm kommt. Damit schafft er den Spurt in 8,6 Sekunden, erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h und bleibt mit einem Normverbrauch von 7,1 Litern mehr als einen Liter hinter seinem Vorgänger zurück. Zweiter Benziner wird der 3.2 FSI, der aus sechs Zylindern 265 PS schöpft. Obwohl der Motor gegenüber dem Vorgänger um zehn PS zugelegt hat, sinkt der Verbrauch um 1,2 auf 9,2 Liter.

Dieselfahrer können darüber nur lachen: Selbst der stärkste Selbstzünder im A4 ist mit 6,9 Litern zufrieden. Der V6 TDI mit drei Litern Hubraum erreicht zwar nur 240 PS, hat aber 500 Nm und beschleunigt in nur 6,1 Sekunden auf Tempo 100. Von diesem Motor wurde auch der 2,7 Liter-TDI abgeleitet, der mit 190 PS und 400 Nm in der Liste steht und 6,6 Liter im Schnitt verbrauchen soll. Als Basis-Diesel wird der 143 PS starke 2.0 TDI angeboten, der lediglich 5,5 Liter verbraucht und den A4 mit einer Reichweite von rund 1200 Kilometern zum Dauerläufer macht. Im Januar wird ein 1,8-Liter-Benziner mit 120 PS das Angebot ergänzen, danach sollen auch Erdgas- und Ethanol-Antriebe kommen - und über eine Hybrid-Version wird nachgedacht. Für Heizer macht sich demnächst der S4 mit rund 360 PS bereit.

Das billigste Einstiegsmodell kommt erst im Januar

Angesichts des Wettbewerbs in der Mittelklasse hat Audi die Preise so kalkuliert, dass sie knapp unter denen der Konkurrenz liegen. Obwohl nun größere Räder, sechs Airbags, ESP, der intelligente Schlüssel aus dem A6, die Klimaautomatik und das CD-Radio ab Werk an Bord sind, sei zum Beispiel der 2.0 TDI lediglich 400 Euro teurer geworden, rechnet Audi-Sprecher Jochen Grüten vor. Die Preisliste beginnt vorerst bei 28.950 Euro für den 1,8-Liter-Turbo und 30.400 Euro für den kleinsten Diesel. Im Januar dann reicht Audi das Basismodell für 25.900 Euro nach.

Auch wenn der A4 für Audi von elementarer Bedeutung ist, ändert das nichts an Rupert Stadlers Gelassenheit. Muss es auch nicht, denn das Auto darf als äußerst gelungen bezeichnet werden. Und die Limousine ist nur die Ouvertüre: Richtig spannend wird es – zumindest für den europäischen Markt - im Frühjahr. Dann kommt der neue Kombi, der immerhin für zwei Drittel aller A4-Zulassungen steht.

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