Testfahrt BMW K 1600 GTL Die Rückkehr der fliegenden Drachen

Die Basisdaten der K-1600-Baureihe sind allesamt voluminös: über 200 km/h schnell, mindestens 343 kg Gewicht, Verbrauch um 6 l/100km, CO₂-Emission 137 g/km.
Foto: Markus Jahn / BMW MotorradDer erste Eindruck: 348 Kilogramm schwer, zwei voluminöse Koffer, ein riesiges Topcase und ein Vorbau mit Stereoanlage und riesigem Windschutz. Letzterer könnte andernorts als Wintergarten durchgehen. Die K 1600 GTL nimmt ganz schön viel Raum ein.
Das sagt der Hersteller: BMW bewirbt die Zweiräder der Baureihe K 1600 als »Touring-Meisterwerke«.
Eigentlich dachte die Motorradwelt, solche Maschinen seien in den Achtzigerjahren mit Honda CBX und Kawasaki Z 1300 endgültig ausgestorben. Völlig überkonstruierte Maschinen mit quer eingebauten Sechszylinder-Reihenmotoren – die Zeit der fliegenden Drachen schien vorbei.
Bis BMW Motorrad im Jahr 2010 die K-1600-Baureihe vorstellte: wieder eine Sechszylinder, konkurrenzlos in Kraft und Ausstattung, erstaunlich einfach zu fahren, aber auch mit massivem Kampfgewicht – mit zwei Personen an Bord war der Münchner Premium-Tourer 2011 unangefochten in einer neuen Klasse, aber auch über eine halbe Tonne schwer.

BMW K1600 GTL auf Testfahrt: Vier mal Sechs Richtige
Erfolg hat das Konzept jedenfalls: Seit 2011 hat BMW knapp 70.000 Fahrzeuge mit dem Kürzel K 1600 in verschiedenen Ausführungen und geringfügigen Änderungen verkauft; über den Daumen gepeilt waren das rund 1,7 Milliarden Euro Umsatz für den Konzern, mit einem hohen Gewinnanteil pro Einheit.
Für das Modelljahr 2022 hat BMW die Baureihe jetzt runderneuert an den Start gebracht. Projektleiter ist Toni Decker, er zeichnet verantwortlich für das Basismodell GT und die etwas komfortablere GTL-Version mit Topcase. Zusätzlich ist auch eine K 1600 B zu haben, im amerikanischen Bagger-Stil, und die All-in-Variante Grand America, voll aufgeplustert und herausgeputzt für den nordamerikanischen Markt.
Das ist uns aufgefallen: Das Modell-Update ist auffällig unauffällig vonstattengegangen. Der eigentliche Motorradkörper, die Designelemente und Verkleidungen, Motor, Rahmen, Kardan und Bremsanlage haben elf Jahre nach Baubeginn die Modellpflege fast unbeschadet überstanden. Die Neuerungen stecken im Detail: in der Elektronik, die den Motor steuert, in der Lichtanlage und im Cockpit.
Sofort sichtbar sind die Veränderungen hinter der Verkleidung. Wo vorher zwei Rundinstrumente, die Lautsprecherboxen und ein 5,7-Zoll-Display zusammen mit mehreren Schaltern eine optische Nervosität verströmt haben, regiert nun in aller Ruhe das 10,25 Zoll große TFT-Farbdisplay mit 1920 × 720 Pixel. Die über ein Handrad gesteuerte Anzeige-Unit kann alles, was zurzeit State of the Art ist: Musik, Telefonie, Wiedergabe aller relevanter Fahrdaten, wahlweise teil- oder vollflächige Kartennavigation im Zusammenspiel mit der Connectivity App auf dem Smartphone. Dies hat ein abschließbares Fach mit USB-C-Anschluss, gegen Spritzwasser geschützt und stets gekühlt.
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Auch das Licht hat gewonnen. Das bisherige Xenon-Licht ist ausgebaut. Es wird ersetzt durch LEDs. Das zusätzliche Kurvenlicht für dunkle Ecken leuchtet statt 24 nun 35 Grad aus. Zusätzlich schwenkt die gesamte Scheinwerfereinheit abhängig von Beschleunigung und Bremskraft um 2 Grad auf und ab.
Am Sechszylindermotor mit 1649 ccm Hubraum, der alle vier Modellvarianten antreibt, haben die Münchner grundlegend nichts verändert. Doch mit der neuen Motorsteuerung, zwei Klopfsensoren und zwei weiteren Lambda-Sonden ist das Kraftpaket jetzt Euro-5-abgenommen. Der Brocken hat nun »erheblich reduzierte Abgaswerte«; die CO₂-Emissionen liegen dennoch bei 137 g/km. Nach den Daten hat das Aggregat durch das Update kaum gewonnen: Die gleich gebliebene Spitzenleitung von 160 PS stellt sich jetzt schon bei 6750 Umdrehungen ein, das Drehmoment bei 5250 U/min steigt von 175 auf 180 Nm.
Was wirklich zählt, ist ohnehin das Fahrerlebnis: Trotz des hohen Gewichts zieht die GTL, die wir beim Test gefahren sind, noch im vierten Gang locker durch die Dörfer; auf der Landstraße reicht meist der sechste. Schon unter 2000 Umdrehungen drückt der Koloss mit drei Vierteln seines maximalen Schubs.
Die K 1600 wirkt nie behäbig; Durchzug und Spritzigkeit sind immer vorhanden. Man kann den Motor bei rund 9000 Umdrehungen in den elektronischen Begrenzer jagen, doch wer das tut, hat das Fahrzeug nicht verstanden: Diese Wuchtbrumme ist nicht als Schnellboot unterwegs, sondern als Flaggschiff. Die K 1600 schwingt weit jenseits von Drehzahlorgien lässig in beachtliche Schräglagen, steuert präzise in noch so enge Kurvenradien und ist auch beim harten Bremsen hellwach durch das semi-aktiv geregelte Fahrwerk.
Unterstützt wird das souveräne Verhalten durch die fein justierten Fahrmodi Dynamik, Road und Rain. Die Fahreigenschaften sind, gesteuert vom elektronischen Fahrwerk ESA, je nach Wahl stark ausgeprägt: Während etwa Road eher zum raumschiffartigen Sanftgleiten animiert, strafft sich das Fahrzeug im Dynamik-Modus spürbar und wird sportlich agil mit härterem Feedback von der Straße.
Die K 1600 kann also auch schnell, wenn BMW Motorrad sie lässt: Die GT darf man bis auf 240 km/h ausfahren, die GTL bis auf 220 km/h. Die B haben die Münchner bei 200 km/h abgeregelt, bei der Grand America ist gar bei 162 km/h Schluss. Mehr benötigt man, so die Idee dabei, auf dem Highway zum »luxuriösen Reisen, Touren und Cruisen« nicht.
Beim Elektronikpaket hat BMW nur an einem Punkt Abstriche gemacht: Der Tempomat muss auch weiterhin ohne eine radargestützte, automatische Abstandsregelung auskommen. Der Aufwand für die nötigen Umbauten inklusive der Bremsanlage war am Ende dann doch zu hoch – siehe Gewinnspanne.
Das muss man wissen: Wie üblich bei BMW ist die Grundausstattung der einzelnen Modellvarianten etwas unübersichtlich. Das elektronische Fahrwerk ESA wie auch das sinnfreie Begrüßungs- und Verabschiedungslicht sind überall an Bord, die Stereoanlage dagegen nur bei der GTL und der Grand America.
Zu den Extras zählen dagegen überall Zusatzscheinwerfer, Zentralverriegelung, Funkschlüssel, Trittbretter (für B und Grand America) sowie der Schaltassistent.
Gleichzeitig gibt es zusätzliche Touren- und Komfortpakete, von BMW zusammengestellte »Serviervorschläge« und diverse Farbvarianten. Auffällig unter den Sonderausstattungen ist die Option 719: Midnight-Lackierung. Sie ist aufwendig mit Wassertransferdruck in Handarbeit aufgebracht, jede einzelne dieser Lackierungen ist deshalb ein Unikat des Nachthimmels mit Sternennebel.
Diese Feinheiten haben natürlich ihren Preis. Er beginnt bei 25.950 Euro (Basispreis K 1600 GT), liegt bei der von uns gefahrenen GTL bei 28.670 Euro und steigt bei der K 1600 Grand America Option 719 Midnight auf 31.800 Euro – natürlich immer ohne Zubehör.
Technische Daten BMW K1600 GTL
Hersteller: | BMW Motorrad |
Typ: | K1600 GTL |
Karosserie: | Motorrad |
Motor: | Sechszylinder-Motor |
Getriebe: | Sechsganggetriebe |
Hubraum: | 1649 ccm |
Leistung: | 118 kW / 160 PS bei 6750 U/min |
Drehmoment : | 180 Nm bei 5250 U/min |
Höchstgeschwindigkeit: | 220 km/h |
Emissionen: | 137 g/km |
Preis: | 28.670 Euro |
Das werden wir nicht vergessen: Dem Licht-Update mit LED und Kurvenausleuchtung ist leider ein Designelement zum Opfer gefallen, das die K 1600 schon auf weite Entfernung unverwechselbar gemacht hat: die zwei Leuchtringe des Tagfahrlichts. Die waren eindeutig: »Achtung, hier kommt die große BMW.«
Viele Fans werden die beiden ikonischen Kreise auch deshalb vermissen, weil sie ganz stark an die Designerbrille des Engländers David Robb erinnerten, der die K 1600 gestaltet hat.
Jochen Vorfelder ist freier Autor und wurde bei seiner Recherche von BMW Motorrad unterstützt. Die Berichterstattung erfolgt davon unabhängig.