Dreiradlaster Elektrofrosch Der Lademeister

525 Kilogramm Zuladung bei nur 240 Kilogramm Gewicht: Der Elektrofrosch kann ordentlich beladen werden
Foto: Emil Nefzger/ DER SPIEGELWer früher gerne Autoquartett gespielt hat, kennt sie: Gefährte, die gegen die starken Platzhirsche keine Chance haben - wäre da nicht diese eine Kategorie, in der sie die Konkurrenz übertrumpfen. Der elektrisch angetriebene Dreiradlaster names Elektrofrosch ist so ein Vehikel. Er fährt höchstens 40 km/h und hat 60 Kilometer Reichweite. Erst auf den zweiten Blick offenbart das Gefährt im Stil der Piaggio Ape seine Geheimwaffe. Gewicht: 240 Kilogramm. Zuladung: 525 Kilogramm.
Wer einen dieser besonderen elektrischen Dreiradlaster fahren will, muss nach Malchin in Mecklenburg-Vorpommern kommen. Dort, zwischen Rostock und Neubrandenburg, investieren zwei Berliner beinahe ihre gesamte Freizeit in das Gefährt - obwohl sie vorher nie etwas mit Elektromobilität oder dem Import von Fahrzeugen zu tun hatten.
Schuld war eine Band
Göran Eger vermietet eigentlich Proberäume und Tourbusse für Bands, sein Kollege Matthias Stache ist Unternehmensberater. "Irgendwann wollte eine Band nicht mehr im Dieselbus vorfahren, sondern einen elektrischen Neunsitzer für eine Tour", erzählt Eger. Also versuchte er einen zu organisieren, ohne Erfolg. Die Band fuhr also weiter Verbrenner, Eger wollte sich damit jedoch nicht zufrieden geben: "Ich konnte noch nie aufgeben. Also habe ich nächtelang das Internet abgesucht, bis ich schließlich bei Alibaba gelandet bin." Auf der chinesischen Verkaufsplattform bieten Firmen vom Nähgarn bis zum Sportwagen alles an. Irgendwann, erzählt Eger, stieß er dort auf elektrische Lastendreiräder: "Da dachte ich: Watt is denn ditte?"
"Ditte" wird mittlerweile nach Deutschland importiert und steht nun zwischen unverputzten Wänden und Kartons mit chinesischer Aufschrift in einer zugigen Lagerhalle in einem Gewerbegebiet Malchins. Lackiert in metallic-rot. Wenn man sich ins Führerhäuschen schwingt, geht der Elektrofrosch leicht in die Knie, der Platz hinterm Lenker fühlt sich vertraut, aber doch fremd an. Dafür sorgt die seltsame Mischung der Bedienelemente aus Auto, Roller und Motorrad: Strom gibt die rechte Hand, gekuppelt wird wie beim Automatikroller gar nicht, die Bremsen lassen sich wie auf dem Motorrad mit der rechten Hand und dem rechten Fuß bedienen.
Türen nicht serienmäßig
Nur begleitet von einem leisen Surren rollt der 2,5 Kilowatt starke Elektrofrosch sanft, aber deutlich schneller als seine benzinbetriebenen, mühsam ratternden Verwandten los. Die spielerisch leichte Bedienung und das beinahe lautlose dahingleiten zaubern sofort ein Lächeln ins Gesicht und Urlaubsstimmung macht sich breit - bis der eisige Wind den Fahrer jäh ins winterliche Deutschland zurückholt. Denn am Lenker des Elektrofrosch-Modells "Big" zu sitzen hat im Vergleich zur Piaggio Ape, mit der es bis auf die Silhouette nichts gemeinsam hat, einen großen Nachteil: Es ist mit einem Preis von nur 2590 Euro zwar unschlagbar günstig und hat die deutlich höhere Zuladung als die Verbrenner-Konkurrenz aus Italien, dafür aber keine Türen und keine Heizung.
Der Fahrtwind pfeift unerbittlich in den Unterstand. Also umdrehen und zurückfahren, bevor die Finger abfallen. Der 2,74 Meter lange Mini-Lkw wendet beinahe auf der Stelle und drückt den Fahrer sanft gegen die rechte Armlehne der kaum gepolsterten Sitzbank. Gegen das deutsche Wetter gibt es seit kurzem eine Kabine mit Türen und Heizung. Das wetterfeste Modell "Elektrofrosch Pro" kostet mit 3690 Euro jedoch 1100 Euro mehr als die "Big"-Variante.
Acht Monate Suche nach passenden Zertifikate
Beinahe hätte es der Elektrofrosch niemals aus dem Internet bis nach Mecklenburg-Vorpommern geschafft. Zwar hatten Eger und Stache sofort Potenzial in dem Gefährt gesehen. Für eine Einfuhr in die EU brauchen Fahrzeuge aber zwei Konformitätszertifikate, CE und COC. "Die chinesischen Firmen behaupten gern, sie hätten sämtliche Zertifikate, bis man sich die Unterlagen schicken lässt." Dann, erklärt Eger und schmunzelt, bekomme man entweder keine oder die falschen Unterlagen.

Elektrischer Hüpfer
Deshalb musste Eger acht Monaten lang suchen, bis er schließlich auf der chinesischen Handelsplattform Alibaba mit dem türkischen Rollerhersteller Volta einen passenden Handelspartner fand, der auch die nötigen Zertifikate bereitstellen konnte. Denn ohne COC gibt es das nötige Versicherungskennzeichen nur nach einer Einzelabnahme beim TÜV, mit dem Zertifikat ist die Zulassung dagegen kein Problem.
Kleines Fahrzeug mit langen Lieferwegen
Die importieren Fahrzeuge erfüllen jedoch nur bedingt deutsche Anforderungen an Neuwagen: Wenn der Elektrofrosch nicht oder nur teilweise beladen ist, gibt die Blattfeder-Hinterachse des Froschs jede Bodenwelle direkt an die Insassen weiter. Die eigenen Bandscheiben müssen dann als zusätzliche Stoßdämpfer fungieren. Auf unebenen Feldwegen schaukelt sich zudem das Führerhäuschen auf. "Für diesen Preis kann man kein Luxusfahrzeug erwarten, bekommt aber einen hohen Nutzwert", stellt Eger klar.
Doch nicht nur der geringe Komfort kann Kunden verschrecken, auch die Fertigungsqualität ist noch ausbaufähig. Die Hülle des Froschs zeigte sich mit einigen kleinen Lackkratzern und nachlackierten Stellen. "Die Fahrzeuge sind nicht immer perfekt lackiert", gibt Göran Eger unumwunden zu. Abhilfe sollen die Kunden selbst schaffen - indem sie die mitgelieferte Sprühdose im passenden Farbton nutzen.
Schuld daran sind Eger zufolge die langen Lieferwege und das häufige Umladen: Die Karosserieteile des Pritschenwagens werden in China gefertigt, Volta vereint sie dann in der Türkei mit den Motoren und Bleigelbatterien, anschließend werden sie nach Deutschland verschifft. Volta verkauft allerdings auch vor Ort. So habe eine türkische Supermarktkette 6000 Stück bei Volta bestellt. "Dagegen sind wir wirklich nur ein kleiner Kunde", so Eger. Wünsche der deutschen Kunden wie zum Beispiel der nach einer beheizten, mit Türen ausgestatteten Kabine werden dem Firmengründer zufolge trotzdem berücksichtigt. So wird die Kabine der "Pro"-Version bei einem weiteren Zulieferer in der Türkei speziell für den deutschen Markt gefertigt.
Mit 40 km/h zum Camping
Bisher kaufen mehrheitlich Handwerksbetriebe und Landwirte den Frosch. "Vor allem bei Weinbauern kommt der Elektrofrosch gut an, da er zwischen die Reben passt und im Gegensatz zur Ape steilere Hänge hochkommt", erklärt Eger. Mit rund zwei Dutzend verkauften Exemplaren pro Monat ist der kleine Lkw aber ein absolutes Nischenprodukt. Die meisten Kunden kämen bisher vom Land. Dort sei die Haushaltssteckdose, an der der Frosch geladen wird, im Gegensatz zur Stadt auch kein Nachteil. "Niemand hängt ein Kabel aus dem vierten Stock, um das Teil zu laden", sagt Eger.
Trotzdem sei der Elektrofrosch für kleine Firmen in Städten eine lohnende Alternative. "100 Kilometer kosten im Elektrofrosch nur 85 Cent, die Versicherung im Jahr nur 100 Euro", rechnet Eger vor. Damit kostet der Elektrofrosch im Betrieb ähnlich viel wie ein elektrischer Motorroller.
Als nächstes haben Eger und Stache auch Privatkunden im Blick, neben der Heizung soll sie ein zusätzliches Extra locken: Eine Campingausstattung mitsamt Küche und einem Zelt für die Pritsche. Natürlich sei das kein Fahrzeug für einen großen Urlaub, so Eger. "Aber für ein Angelwochenende am See ist es ideal" - und mit Preisen ab 3990 Euro wohl das billigste Elektro-Wohnmobil bisher.