Testfahrt Ducati DesertX Grandezza für den Dreck

Ducati hat eine Maschine fürs Grobe gebaut: Die DesertX macht Eindruck, wenn es staubig und uneben wird. Bei den Bremsen ist allerdings Vorsicht angesagt.
Foto:

Matteo Cavadini / Ducati

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Der erste Eindruck: Es gibt die DesertX nur in einer Farbe, in Star White Silk. Eine kluge Entscheidung – die Farbe betont die zentralen Designelemente, den tief nach unten gezogenen 21-Liter-Tank und den in den Windschutz integrierten LED-Doppelscheinwerfer. Das weckt Erinnerungen an die klassischen Enduros der 1990er-Jahre. Das ist gleichzeitig modern. Ein stimmigeres Motorrad war dieses Jahr noch nicht zu sehen.

Das sagt der Hersteller: Ducati hat die DesertX in der Region Olbia auf Sardinien vorgestellt, auf buckligen Landstraßen und staubigen Schotterpisten, die von knorrigen, unverwüstlichen Korkeichen gesäumt sind. Das passt perfekt, um das raue, bodenständige Wesen der DesertX zu beschreiben: »Das ist keine weitere Multistrada [Tourenmotorrad, d.Red.]. Nein, die DesertX ist von Grund auf eigenständig. Wir haben vor drei Jahren allein mit dem Motor, dem Testrastretta 11° mit 937 Kubik, angefangen. Alles drumherum, aber auch alles, wurde neu entwickelt«, sagt Filippo Marri, der zuständige Projektingenieur.

Fotostrecke

Ducati DesertX: Ab auf die Schotterpiste

Foto: Matteo Cavadini / Ducati

Die Ansprüche an die DesertX – und damit auch an Marri – waren hoch: Performance und brillante Fahreigenschaften auf der Straße, aber auch überragende Leistungen im schweren Gelände sollten es sein. Das Ganze optisch möglichst nah an der Studie, die 2019 bei der Vorstellung auf den Mailänder EICMA für Furore gesorgt hatte. Die DesertX soll den Grundstock für ein komplett neues Offroad-Segment im Ducati-Portfolio legen.

Das ist uns aufgefallen: Wir fahren von der Küste ins Inland. Schon auf den ersten Kilometern zeigt sich: Die Ergonomie stimmt; die Fahrposition und Lenkerhöhe sind ok. Einzig der Windschutz – fest montiert und nicht verstellbar – könnte für große Fahrer über 1,85 m besser sein. Dafür entschädigt das Cockpit. Super aufgeräumt mit einem hübschen 5-Zoll-Farb-TFT-Display. Zusammen mit der Ducati-Smartphone-App kann das Display Pfeil-Navigation.

Der Verkehr dünnt aus. Zeit, den DesertX-Motor zu prüfen. 110 PS bei 9250 und 92 Nm bei 6500 U/min bringt er mit; das Aggregat verschafft sich massiv Gehör: 94 db (A) werden formal im Stand gemessen, man ist theoretisch noch Tirol-tauglich, wo vergleichsweise strenge Lärmstandards gelten. Das zählt allerdings nur so lange, wenn man die unbändige Leistung nicht abruft: Mit offenem Ansaugtrakt und im Quickshifter-Powersprint schluckt der Vierventiler die Luft extrem lautstark.

Technische Daten Ducati DesertX

Hersteller:

Ducati

Typ:

DesertX

Karosserie:

Motorrad

Motor:

Zweizylinder-Motor

Getriebe:

Sechsganggetriebe

Hubraum:

937 ccm

Leistung:

110 PS / 81 kW bei 9.250 U/min

Drehmoment :

92 Nm bei 6.500 U/min

Höchstgeschwindigkeit:

240 km/h

Standgeräusch:

94 db(A)

CO₂-Emissionen:

133 g/km

Preis:

ab 15.990 Euro

Die DesertX rollt auf Speichenfelgen und Reifen in den Größen 21 vorne und 18 hinten. Wir sind also mit der ersten Ducati unterwegs, die sich in das 21 Zoll-Segment traut. Und dabei eine glänzende Figur abgibt: Die DesertX haut sich wie an der Schnur gezogen in die sardischen Kurven und Serpentinen.

Wenn es doch mal eng wird vor der Kurve, kommt die Brembo-Bremsanlage mit zweimal 320 mm Scheibendurchmesser vorne sowie 265 mm hinten zum Einsatz. Die beißt alles weg und ist tauglich für die Rennstrecke.

Kluge elektronische Systeme unterstützen diese Fähigkeiten. Die Traktionskontrolle ist in acht Stufen einstellbar; die Wheelie Control hat vier Levels, die Motorbremse EBC drei. Auch das Kurven-ABS kann je nach Einsatz in drei Stufen nivelliert werden.

Des Weiteren werden sechs Riding Modes (Sport, Touring, Urban, Wet, Enduro, Rally) angeboten, die sich frei mit vier Power-Mappings Full, High, Medium und Low mit jeweils 3 Leistungsstufen kombinieren lassen. Mit einer Tankfüllung kommt man realistisch bis zu 380 km weit; weil man gut sitzt, ist die DesertX ein lockende Option für Kilometer fressende Tourenfahrer.

Die Pisten im Inneren der Insel und speziell die Strecken um Loell, wo regelmäßig eine Special Stage der World Rally Championship WRC ausgefahren wird, sind heiß, hart und vor allem staubig. Also genau das richtige Geläuf, um die gepriesene Geländegängigkeit der DesertX zu erkunden.

Die beiden Modi Enduro und Rally unterscheiden sich unter anderem in der Motorleistung. Enduro bringt nur 75 PS an das Hinterrad, reagiert softer, ist gewissermaßen die Wahl für diffizile Passagen. Rally liefert die vollen 110 PS: Hier ist die Gasannahme linear und direkt; ein Gasstoß genügt und die 223 kg leichte Fuhre (vollgetankt) geht in Attacke. Gleichwohl kann der erste echte Ducati-Offroader auch Schleichfahrt; der niedrige Schwerpunkt und die exzellente Stehposition erleichtern die Fahrt auf anspruchsvollen Tracks.

Im Staub bei Loell hat sich die DesertX jedenfalls von ihrer besten Seite gezeigt. Man merkt sofort, dass die Testastretta 11°-Version im Fahrzeug auf den speziellen Dual-Use-Einsatz auf Straße und Schotter zugeschnitten ist. Auch das Getriebe spielt mit: Für die DesertX wurde es mit einem kurzen ersten und zweiten Gang bestückt. Im Vergleich zur Multistrada V2 etwa ist der erste Gang 14,3 Prozent kürzer.

Immer auf dem Laufenden bleiben?

Fahrberichte, Analysen, aktuelle Nachrichten: So verpassen Sie keine Artikel aus der Rubrik Mobilität des SPIEGEL.

So aktivieren Sie Ihre Benachrichtigungen

Die Italiener haben ein ziemliches lautes, aber beeindruckendes Ausrufezeichen gesetzt: Der modifizierte Testastretta-Motor, das angepasste Getriebe, das hervorragende Fahrwerk und Federverhalten passen optimal zum Straßenbetrieb. Aber sie machen auch Eindruck, wenn es richtig dreckig, uneben und herausfordernd wird.

Das muss man wissen: Die Auswahl an DesertX ist wie bereits erwähnt überschaubar: Es gibt sie nur in Weiß und sie kostet in der Grundausführung 15.990 Euro. Lieferbar ist sie seit Juni auch als gedrosselte 48 PS Version für den Führerschein A2.

Unübersichtlich ist dagegen das Zubehör: Ducati bietet mehrere Performance-, Sport-, Enduro- und Rally-Pakete an. Optisch interessant ist der 8-Liter-Zusatztank, der am Heck angebracht wird, und mit einer eigenen kleinen Benzinpumpe den vorderen Tank per Menübefehl nachfüllt. Im Onlinekonfigurator steigt der Preis schnell in Richtung 25.000 Euro.

Das werden wir nicht vergessen: Die Bremsen. Auf Asphalt sind sie scharf und sprechen bissig an. Richtig gut also. Den Preis dafür zahlt man allerdings im Gelände: Da machen die Klötze bei langsamer Fahrt oder engen Passagen zu schnell dicht und sind vor allem hinten kaum dosierbar. Also bitte mit Vorsicht genießen!

Jochen Vorfelder ist freier Autor und wurde bei seiner Recherche von Ducati unterstützt. Die Berichterstattung erfolgt davon unabhängig.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren