Fahrbericht BMW X1 Eine Mogelpackung zum Verlieben
Jedes Mal, wenn man mit dem BMW X1 an die Ampel rollt, fühlt man sich wie auf dem Siegertreppchen. Und zwar ganz oben. Ein Blick durchs Seitenfenster nach links auf einen VW Golf, oder nach rechts auf eine C-Klasse von Mercedes - und schon stellt man fest: Man überragt die Nachbarn.
In dieser kleinen Überhöhung liegt das Erfolgsgeheimnis der sogenannten Kompakt-SUVs. Welches Segment ist denn das beliebteste in Deutschland? Die Kompaktklasse. Was fährt man also, wenn man sich vom Durchschnitt abheben will? Genau: einen Kompakt-SUV.
So simpel ist das. Die Hersteller versuchen natürlich, das zu verschleiern und geben allerhand andere Gründe vor, warum diese Fahrzeuge angeblich so toll sind. Meistens aber steckt dahinter eine Mogelpackung. Und besonders gut mogelt der BMW X1.
Jetzt schreitet das KBA ein
Das fängt beim Platzangebot an. Während man es sich als Fahrer vorne bequem machen kann, haben die Passagiere hinten zu leiden. Denn sie müssen durch enge Luken auf die Rückbank klettern - nur, um sich dort mangels Beinfreiheit die Knie an den Vordersitzen zu scheuern.

Fahrbericht BMW X1 sDrive 16d: Es hat sich ausgeklappert
Der gleiche Schwindel bei der Geländegängigkeit. Über Kopfsteinpflaster rollt der BMW X1 lässig hinweg, doch schon einen matschigen Feldweg möchte man dem Wagen lieber nicht zumuten. Schon gar nicht, wenn er wie das Einsteigermodell X1 sDrive 16d nicht einmal mit Allradantrieb zu haben ist. Bei der Schnitzeljagd ist das zu verschmerzen, von Paris nach Dakar will man so aber nicht reisen. Diese Ansicht teilt übrigens auch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), wo die Statistiken der Neuwagenzulassungen erstellt werden. Ab sofort will die Behörde, so wörtlich, nur noch "echte Geländewagen mit entsprechender Typgenehmigung" dem Segment "Geländewagen" zuordnen. Modelle mit "Offroad-Charakter" - also Möchtegern-Offroader - werden ab sofort als SUV (Sport Utility Vehicle) gezählt. Das KBA nennt ein ausdrückliches Beispiel: den X1.
Schön und bescheiden
Aber selbst das "S" in Sport Utility Vehicle müsste beim BMW X1 eigentlich klein geschrieben werden. Zumindest bei der von uns getesteten Version mit 116 PS, denn die reißen nicht vom Hocker. Fühlt man sich an der roten Ampel noch wie auf dem Siegertreppchen, folgt bei Grün rasch die Ernüchterung - nämlich dann, wenn man von seiner erhöhten Sitzposition aus zuschauen muss, wie die Autos nebenan davonbrausen.
Bevor aber jetzt der Eindruck entsteht, dieses Auto sei eine einzige Enttäuschung: das Gegenteil ist eher der Fall. Wenn man den BMW X1 von vornherein durchschaut, wird man mit diese Mogelpackung in sein Herz schließen - und die kleinen Schwindeleien schnell verzeihen.
Natürlich ist das Auto für einen BMW beinahe untermotorisiert. Aber die Bayern haben die 116-PS-Version bewusst erst vor einem halben Jahr eingeführt und damit den Einstiegspreis für die Modell-Reihe herabgesetzt. Nun bekommt man ab 28.950 Euro einen neuen X1-Diesel. Mit dem Preis liegt er zwar immer noch 3000 Euro über einem vergleichbaren 1er BMW - aber man möchte ja schließlich auch höher hinaus.
Und trotz seiner stattlichen Maße ist der X1 alles andere als ein Spritschlucker. 6,6 Liter Sprit verbrauchte er bei durchaus hurtiger Fahrt auf 100 Kilometer. Dem von BMW angegebenen Wert von 4,9 Liter wäre man wohl noch näher gekommen, wenn die serienmäßige Start-Stopp-Automatik einwandfrei funktioniert hätte. Im Test bei niedrigen Außentemperaturen versagte sie allerdings ihren Dienst - oder verrichtete ihn etwas beliebig. Auf Anfrage erklärte BMW, dass die Funktion nur bei Temperaturen über drei Grad verlässlich arbeitet.
Einfach drehen und drücken
Irgendwie passt das aber ins Bild bei diesem Schönling. Für harte Arbeit ist er einfach zu elegant. Das Design mag nicht jedem gefallen, aber noch einmal: einen Kompakt-SUV kauft man sich aus dem gleichen Grund wie einen Hut - um damit aufzufallen. Und neben dem X1 wirken VW Tiguan oder Nissan Qashqai wie langweilige Seitenscheitel.
Folgerichtig holpert man mit diesem SUV auch nicht durch einsame Wälder und Wiesen, sondern flaniert durch den Stadtverkehr. Welcher X1-Kunde interessiert sich schon für den Böschungswinkel dieses Autos? Was wirklich zählt, ist dass im Kofferraum locker zwei große Reisekoffer oder ein paar prall gefüllte Einkaufstüten samt Bierkasten Platz haben. Und das Infotainmentsystem ist die neue Anhängerkupplung: Per Bluetooth oder USB-Schnittstelle lässt sich das Smartphone problemlos mit dem Auto koppeln und man kann bequem telefonieren oder Musik hören.
Dieser Spaß kostet allerdings mindestens 1440 Euro Aufpreis. Im Paket enthalten sind dann aber auch ein Navigationssystem und die Steuerung per iDrive, diesem genialen Knopf in der Mittelkonsole, über den sich durch simples Drehen und Drücken alle Anwendungen intuitiv bedienen lassen.
Ist die Entscheidung für den Kauf des Wagens erst einmal gefallen, wird man mit großer Wahrscheinlichkeit auch den Preis für die Sonderausstattung noch drauflegen. Schließlich hat man sich davor schon erfolgreich eingeredet, dass man mit diesem Kompakt-SUV ein bisschen erhabener als die meisten anderen Autofahrer ist - und die nächste rote Ampel kommt bestimmt. Genau das ist so verführerisch am BMW X1: Jeder weiß, dass er mogelt. Aber alle fallen gerne darauf rein.