
Fahrbericht Honda Jazz 1,3 i-VTEC Wie im Kino
Manche Dinge sind nur dann gut, wenn man sie in Gemeinschaft erlebt. Es sind die Man-muss-zu-mehreren-sein-Dinge. Zum Beispiel Weihnachtsmärkte. Typischer Satz: "Allein auf einen Weihnachtsmarkt zu gehen, ist total langweilig. Man muss zu mehreren sein. Dann wird's lustig."
Der Honda Jazz ist ein Man-muss-zu-mehreren-sein-Auto. Seinen wahren Wert erkennt man erst, wenn Freunde oder die Familie ins Spiel kommen.
Die Familie steht an einem nassen Sonntag im November fünfköpfig vor dem Honda Jazz. Ein Kind, die Eltern und die Großeltern. Der japanische Kleinwagen hat in etwa die Maße eines VW Polo. Erster Gedanke des Vaters: Das wird eng. Erster Satz des Großvaters: "Das wird eng."
Den Familienmitgliedern werden Plätze zugeordnet (Beinlänge als Verteilungskriterium). Das Kind, knapp eins, isofixiert hinten rechts. Mutter und Oma in der Mitte beziehungsweise hinten links; Opa vorn als Beifahrer. Man selbst am Steuer. Drei Generationen unter einem Dach. Im Kofferraum außerdem ein zusammengeklappter Kinderwagen, Jacken, ein kleiner Reisekoffer und ein Wanderrucksack.
Besorgte Frage des Fahrers: "Habt ihr's bequem?" Einhelliges Ja. Das ist der Moment, in dem man den Honda Jazz zu schätzen lernt.
Der Trick mit dem Tank
Mehrere Personen in einen Kleinwagen zu quetschen, ist keine Kunst. Das weiß jeder, der in durchschnittlichen bundesrepublikanischen Verhältnissen groß geworden ist und sich an Wochenenden mit vier anderen knapp über 18-Jährigen in klapprige Kleinwagen zwängte.
Aber genau damit hat das Gruppenerlebnis im Jazz nichts zu tun. Hier sitzen die Passagiere im Fond selbst dann so komfortabel wie in einem Kombi, wenn die vorderen Sitze bis zum Anschlag nach hinten geschoben sind.
Das Geheimnis des Raumwunders: Beim Jazz sitzt der Kraftstofftank nicht wie in vielen anderen Autos üblich unter der Rückbank, sondern unter den Vordersitzen. Das war schon bei den vorherigen Baureihen so, das neuste Modell ist außerdem um einige Zentimeter gewachsen.
Wie im Kino
Die ungewöhnliche Tankkonstruktion bietet gleich mehrere Vorteile. Zum Beispiel ist ihr die Lösung für eine der nervigsten Fragen der Menschheit zu verdanken: Wie kriege ich das Fahrrad ins Auto?
Denn der Kofferraum eines Wagens kann noch so groß sein - wenn man nicht gerade einen Kleinbus besitzt, muss man den Drahtesel immer liegend durch die Heckklappe reinfriemeln. Und was das bedeutet, weiß man ja: Beim Hochwuchten des Fahrrads macht man sich nicht nur die Finger an den Streben und Stangen dreckig, sondern riskiert auch noch einen Wirbelsäulenschaden.
Im Honda Jazz geht das einfacher. Hier gibt es die sogenannten Magic Seats. Mit jeweils einem einzigen Handgriff lassen sich die beiden Sitze der zweigeteilten Rückbank wie Kinosessel nach oben klappen. Damit wird Stauraum vom Boden bis zur Decke frei. Mit abmontiertem Vorderrad kann das Fahrrad hier aufrecht hingestellt werden - ohne Wirbelsäulenrisiko.
Die Verladeaktion im Video:
Ebenfalls mit einem Handgriff kann die Rückbank komplett umgelegt werden. Im hinteren Abteil entsteht dann eine ebene Fläche. Wo bei anderen Autos die hochgeklappten Sitzflächen rausschauen, sind sie beim Jazz ganz verschwunden, und man hat Platz bis zur Rückseite der vorderen Reihe. Oder sogar noch darüber hinaus, denn auch der Beifahrersitz kann eine tiefe Verbeugung nach vorn machen. Snowboard oder Ski passen dann problemlos ins Auto.
"Das ist aufgeräumt", raunt der Großvater, kaum dass er auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat. Allerdings meint er damit nicht die zahlreichen Klapp- und Packmöglichkeiten im Jazz: Sein Lob bezieht sich auf Klimaanlage und Infotainmentsystem in der Mittelkonsole, die komplett ohne Knöpfe auskommen. Ihm, der seit Jahren auf Limousinen aus Stuttgart schwört, nötigt die glatte Fläche mit dem Sieben-Zoll-Bildschirm Respekt ab.
Der breite Touchscreen ist in der Top-Ausstattungsvariante Elegance serienmäßig verbaut und angenehm berührungsempfindlich. Es bedarf zwar etwas Geduld und Experimentierfreude, um sich im Menü zurechtzufinden, aber immerhin kommt man mit sanftem Tippen durch die Anwendungen und muss sich auf dem Bildschirm nicht die Finger platt pressen. Das Navigationssystem kostet noch mal 600 Euro extra, arbeitet jedoch vorbildlich rasch.
Ein Konzeptauto
Honda erfüllt hier Ansprüche, die man eigentlich gar nicht an einen Kleinwagen stellt - ein durchdigitalisiertes Armaturenbrett kennt man in dieser Konsequenz eigentlich nur aus der Elektrolimousine Tesla Model S. Umso schlimmer trifft einen der Schock beim Betrachten des Cockpits: Denn die Anzeige des Bordcomputers ist so pixelig wie die Grafik eines C64-Games von 1984.
Daneben gibt es aber nicht viel an dem Auto auszusetzen. Aus dem Wagen heraus hat man als Fahrer eine gute Übersicht, das Design ist außerdem unaufgeregt. Was die Anmutung der Materialien betrifft, bringt es die Großmutter (hinten links) auf den Punkt: "Ist halt kein Mercedes."
Doch der Mangel an Wurzelholz lässt sich verschmerzen. Viel wichtiger ist: Der Honda Jazz zählt zur seltenen Gattung von Autos, die eine Haltung haben. So wie zum Beispiel ein Porsche Cayman GT4 kompromisslos auf Sportlichkeit getrimmt ist oder ein Toyota Prius auf Sparsamkeit, so haben sich die Entwickler des Jazz auf ein klares Konzept konzentriert: ein Maximum an Platzangebot aus einem Kleinwagen herauszuholen. Das ist ihnen gelungen.
Es reicht
Autos mit Haltung haben allerdings einen Haken: Wo man sich voll auf ein Konzept konzentriert, mangelt es zwangsläufig an anderer Stelle. Im Fall des Jazz heißt das: Wenn man allein drinsitzt und es nichts zu transportieren gibt, droht Langeweile.
Dann schrumpft der Honda auf das zusammen, was er nun mal auch ist: ein Durchschnittsauto mit sparsamem Verbrauch (zwischen fünf und sechs Liter Benzin benötigt er im Schnitt auf hundert Kilometer). 102 PS hören sich für einen Kleinwagen erst einmal ganz knackig an, tatsächlich passiert beim Tritt aufs Gaspedal aber nicht viel. Der Jazz wird vor allem lauter, aber kaum schneller.
Und dann ist da noch ein überraschendes Problem. Denn ausgerechnet in diesem Auto, in diesem unerschrockenen Beinfreiheitskämpfer, fühlt man sich auf einem Platz erst mal eingeengt: vorn links, hinterm Lenkrad.
Beim Zurückfahren des Fahrerstuhls stößt man so abrupt an die Grenze, dass man ungläubig noch weitere Anläufe unternimmt und zwei mal hin und herrutscht. Klemmt da was? Nein, Ende der Sitzschiene.
Der Witz ist, dass man das nach ein paar Kilometern vergessen hat und sich eingesteht, dass eigentlich gar kein Platzmangel herrscht. Dann ist die Botschaft des Honda Jazz auch vorn angekommen: Ein Kleinwagen? Reicht doch!