
Honda S660: Japanisches Kleinkaliber
Sportwagen Honda S660 Kleiner Knaller
Drei Zylinder, 660 Kubikzentimeter Hubraum, 64 PS und 134 km/h Spitze - im Autoquartett wäre der neue Honda S660 die absolute Lusche. Doch was sind schon Zahlen? Wer einmal mit dem Bonsai-Roadster gefahren ist, kapiert sofort, wie wenig Aussagekraft ein Datenblatt hat.
In einer Stadt wie Tokio und einem Land wie Japan macht man mit einem Auto wie diesem sowieso jeden Stich: Wo Leistung nebensächlich ist und die Größe eines Autos eher hinderlich, dort kommt ein Sportwagen für die Westentasche richtig groß raus. Doch der Wagen beruhigt nicht nur die Vernunft - er kann auch begeistern.
Vor zwei Jahren präsentierte Honda erstmals das Showcar. Das Echo war so positiv, dass die Japaner den S660 tatsächlich zur Serienreife entwickelt und in diesem Sommer in den Handel gebracht haben.
Ein Maßanzug aus Metall
Dass der Wagen gerade einmal 3,40 Meter misst und so minimalistisch motorisiert ist, hat natürlich einen tieferen Sinn: Der S660 ist ein sogenanntes Kei-Car, eine Art Leichtkraftwagen, die in Japan zahlreiche Steuervergünstigungen genießen und deshalb 40 Prozent der Neuzulassungen ausmachen. Während die Konkurrenz auf minimalem Platz die maximale Raumausnutzung sucht und deshalb lauter Schuhkartons auf Rädern baut, geht Honda einen anderen Weg. Als einziger Sportwagen unter den Schrumpfmobilen will der S660 beweisen, wie viel Spaß man auf so wenigen Metern unterbringen kann.
Wer es schafft, sich irgendwie in den winzigen Schlitz zwischen Lenkrad und Sitzlehne fallen zu lassen, der verwächst förmlich mit dem Auto. Hier kommt man der Technik näher als in jedem anderen Wagen. Der Bug ist keine Armlänge entfernt, die Räder könnte man auch von Hand einschlagen, und wer den Arm lässig hinter die zweite Kopfstütze legen will, muss beinahe aufpassen, dass er nicht über den Heckdeckel rutscht und auf dem Asphalt schleift.
Kein Wunder, dass man den Wagen perfekt auf Linie halten und auf den Millimeter genau in der Kurve platzieren kann - selbst wenn das Lenkrad rechts aus dem Cockpit ragt und in Japan alle auf der anderen Straßenseite fahren. So schmal, wie der S660 ist, fühlt man sich ohnehin wie in einem Monoposto und wähnt sich immer in der Mitte.
Kein anderer Sportwagen ist so handlich
Die Aufmerksamkeit von Passanten ist einem in diesem Auto gewiss. In keinem anderen Sportwagen, auch nicht im Ferrari oder im Lamborghini, bekommt man von seiner Umgebung so viel mit. Nirgends fühlt sich das Fahren so echt, so authentisch und so intensiv an wie in diesem Elefanten-Rollschuh. Wenn er nicht vier Räder hätte, könnte man ihn fast für ein Motorrad halten.

In aller Kürze: Der Honda misst gerade einmal 3,40 Meter
Foto: Tom GrünwegAuf einer Passstraße, erst recht auf einer freien Autobahn oder gar auf einer Rennstrecke mag der S660 ein frustrierendes Auto sein. So munter der winzige Turbo-Dreizylinder unmittelbar im Nacken der beiden Insassen auch auf 7000 Touren dreht, so leidenschaftlich er - unterstützt von einem Soundgenerator - sein heiseres Liedchen durch die winzigen Endrohre krakeelt, so bescheiden ist der Vortrieb. Da kann man die sechs eng gestuften Gänge noch so lange stehen lassen, man wird den Winzling nicht in viel weniger als zehn Sekunden auf Tempo 100 bekommen. Und weil selbst mit Vollgas bei 134 km/h Schluss ist, fährt ihm jeder europäische Kleinwagen davon.
Zudem ist der S660 ein hoffnungslos unpraktisches Auto, das nur zum Spielzeug taugt. Das euphemistisch als Kofferraum bezeichnete Staufach vorne im Bug reicht gerade so für das Softtop. Hat man dieses Rolldach in die spezielle Kassette gepuzzelt, passt nicht mal mehr eine Jacke unter die Klappe, geschweige denn eine Reisetasche oder gar ein Koffer. Und bis man den Fetzen Stoff erst einmal losgeschnallt und aufgewickelt hat, sind wahrscheinlich schon wieder Wolken am Himmel.
Der Honda macht die Träume von Lamborghini-Fahrern wahr
Doch für alle Menschen in Japan, die sich problemlos einen Zweitwagen für umgerechnet 15.000 Euro leisten können, gibt es eigentlich kaum eine bessere Wahl als den Honda S660.
So sehr Honda-Chef Takahiro Hachigo sich über die Faszination freut, die der Bonsai-Roadster auslöst, so wenig Hoffnung macht er Honda-Fans, dass es den Wagen einmal außerhalb Japans geben könnte. Nicht nur, weil er für den Export in Sachen Sicherheit und Schadstoffe auf andere Normen getrimmt werden müsste und dieser Aufwand den Euro-Preis durch die Decke treiben würde. Sondern vor allem, weil Hachigo glaubt, dass die Faszinationskraft in Ländern ohne Tempolimit schnell erlahmen würde: Wer soll etwa in Deutschland Spaß an einem Sportwagen haben, der nicht schneller als 134 km/h fährt?
Doch Hachigo-san könnte irren. Während man echte Sportwagen vom Schlage eines Porsche, Ferrari oder Lamborghini selbst auf der linken Spur die meiste Zeit doch nur mit Standgas oder im Schongang fährt, fühlt man sich mit einem Auto wie dem S660 eigentlich schon hinter dem Ortsschild im Grenzbereich, erlebt jede Landstraße wie einen Teil der Nordschleife und eine Autobahnauffahrt als Höllenritt. Leistung am Limit und einmal das Auto voll ausfahren: Wovon man im Lamborghini nur träumen kann, das erlebt man in diesem Honda bei jeder Fahrt.