
Jeep Cherokee: Lass' dich nicht verbiegen
Jeep Cherokee 2.2 Diesel Fahren und täuschen
"Since 1941" steht auf dem Lenkrad. Die Inschrift soll an die Anfänge der Marke Jeep erinnern, die inzwischen Chrysler gehört und damit Teil des Konzerns Fiat Chrysler Automobiles ist, kurz FCA. Das Lenkrad weckt noch aus einem anderen Grund nostalgische Gefühle: Es hat einen dicken Kranz und man muss trotz Servo-Unterstützung kräftig hinlangen. Man spürt, dass man knapp zwei Tonnen Auto dirigiert, und damit ist ein prägendes Merkmal des Jeep Cherokee schon genannt: dieser SUV ist ein harter Brocken.
Die erste Cherokee-Generation von 1984 war simpel und eckig; Jeep preist die Modellreihe als erstes Mittelklasse-SUV überhaupt und ernennt sich damit zum Erfinder dieses Fahrzeugtyps, von dem heute jeder Hersteller ein Exemplar im Angebot hat. Das Interessante am neuen Cherokee ist: Während die Konkurrenz bescheidene Offroad-Fähigkeiten meist durch rustikale Optikelemente zu kaschieren versucht, macht es der US-SUV genau umgekehrt. Die jüngste Generation verbirgt ihre Geländekompetenz unter einer modisch zurechtgemachten Hülle.
Immer im grünen Bereich
Es gibt nicht nur ein knorriges Lenkrad, sondern auch Gummifußmatten mit grobem Wabenmuster und einen "Select Terrain"-Wählknopf auf der Mittelkonsole zum Voreinstellen des automatischen Allradantriebs. Der sitzt gleich neben dem Wählhebel des Neungang-Automatikgetriebes, das vom deutschen Zulieferer ZF stammt. Es gibt etwas mehr Hartplastik-Oberflächen als üblich und im Cockpit eine Verbrauchsanzeige, deren Bildschirmfarbe schon ab einem Durchschnittswert von 25 Liter oder weniger von gelb auf grün wechselt. Auch durch den Stadtverkehr tuckert man deshalb im grünen Bereich.
In Wahrheit ist es natürlich ganz anders. 5,7 Liter Dieselkraftstoff je 100 Kilometer soll der neue 2.2-Liter-Vierzylindermotor von Fiat durchschnittlich konsumieren, verbreitet Jeep. Nach unseren Testfahrten im ganz normalen Alltagsbetrieb zeigte der Bordcomputer 8,8 Liter an, und auf etwa diesen Wert kamen wir auch nach Auswertung der Tankbelege. Anders gesagt: Auch der Jeep Cherokee mit dem neuen, 200 PS starken Dieselmotor schluckt im Realbetrieb erheblich mehr als der Prüfstandswert glauben macht. Entsprechend irreführend ist auch der offizielle CO2-Ausstoß von 150 Gramm je Kilometer; legt man 8,8 Liter Verbrauch zugrunde, sind es nämlich 231 g/km.
Der neue Motor ersetzte auch deshalb den bisherigen 2-Liter-Selbstzünder mit 170 PS, weil er die Euro-6-Abgasnorm erfüllt. Unter anderem werde dies durch einen Stickoxid-Speicherkatalysator erreicht, heißt es beim Hersteller. Das aufwändigere und teurere System mit Harnstoffeinspritzung zur Abgasnachbehandlung sei nicht nötig.
Viel Platz für Passagiere, wenig fürs Gepäck
Als Folge des VW-Abgasskandals wird man natürlich hellhörig bei solchen Angaben, doch für Jeep-Interessenten und erst recht die Cherokee-Käufer dürfte der Verbrauch eine eher untergeordnete Rolle spielen. Dieses Auto wählt man aus, weil man einen Allradler fahren möchte, der zwar aussieht wie für den Boulevard gemacht, aber doch aus der hemdsärmeligen Ecke kommt.
Fondpassagiere dürfte an dem Auto vor allem das auch hinten geräumige Ambiente gefallen; ganz am Ende jedoch baut der Cherokee ab. Der Kofferraum kommt mit 412 Liter Ladevolumen kaum über VW-Golf-Niveau (380 Liter) hinaus. Was allerdings auch daran liegt, dass unter dem Ladeboden unseres Testwagens ein vollwertiges Ersatzrad bereit liegt (Aufpreis 190 Euro). Werden die Rückenlehnen umgeklappt, passen 1267 Liter rein (VW Golf: 1270 Liter).
Sollte man das Auto kaufen? Wenn man zu den Leuten gehört, die gerne einen Geländewagen hätten, aber nicht wie Oberförster daherkommen möchten, dann ja. Wenn man sich allerding jenen zurechnet, die höher sitzen und bequemer einsteigen wollen und SUVs eigentlich ganz cool finden - dann eher nicht.