
Autogramm Kia Niro Hoch hinaus, um runterzukommen
Der erste Eindruck: Na also, es geht doch. Während das Hybridmodell Toyota Prius auf der Straße wirkt wie ein Fremdkörper, gibt der Niro als erstes Hybridauto von Kia den coolen Crossover-Typen.
Das sagt der Hersteller: Der Niro mache Schluss mit dem schlechten Gewissen und faulen Kompromissen, sagt Kia-Produktmanager Alper Celik. Bislang bezahlten Kompakt-SUV-Kunden den zeitgemäßen Look, die Variabilität und das Platzangebot mit einem höheren Spritverbrauch. Oder sie entschieden sich für ein sparsames Hybridauto und mussten dafür Einschränkungen bei Design und Ausstattung hinnehmen. "Mit dem Niro erteilen wir solchen Abstrichen eine Absage und bieten das Beste aus beiden Welten", sagt Celik. Die Erwartungen an den Niro Hybrid sind hoch, denn er bedient gleich zwei wachstumsstarke Marktsegmente in Europa: das der SUV und das der Hybridmodelle. Für den Hersteller ebenso wichtig ist, dass der Wagen auch die Abgasbilanz polieren soll. Kia-Europachef Michael Cole sagt: "Der Niro wird uns helfen, unser globales Ziel für 2020 zu erreichen und die Kraftstoffeffizienz der Kia-Flotte im Vergleich zu 2014 um durchschnittlich 25 Prozent zu steigern."
Das ist uns aufgefallen: Nicht nur auf den ersten Blick ist der Niro ein SUV-Modell wie jedes andere, sondern er fühlt sich auch so an. Man sitzt ein bisschen höher und sieht entsprechend besser, man hat mehr Luft um die Schultern und mehr Freiraum über dem Kopf und bei 427 Litern Kofferraumvolumen darf man auch etwas großzügiger packen. Zudem ist der Wagen eines der wenigen Hybridmodelle, der mit Anhängerkupplung bestellbar ist.
Den Unterschied zum konventionell motorisierten Modell merkt man erst beim Fahren. Weniger wegen der paar Hundert Meter, die der Niro rein elektrisch surren kann. Denn der Antrieb ist zu leise und zu harmonisch, als dass man tatsächlich spüren würde, welche Kraft den Wagen gerade treibt. Sondern was tatsächlich den Unterschied ausmacht, ist die Sanftmut, mit dem das Auto zu Werke geht. Im krassen Gegensatz zum kraftstrotzenden Auftritt fährt man den Wagen kein bisschen aggressiv, sondern ganz geschmeidig und gelassen.
Das funktioniert allerdings nur, wenn man sich wirklich auf die Hybridtechnik einlässt. Wer vom Niro Hybrid normale Fahrleistungen erwartet und ihn entsprechend fährt, der spürt, wie der Puls beim Überholen ansteigt und sich bei Vollgas der Frust breitmacht. Denn mit einem Sprintwert von 11,5 Sekunden wird schon ein Lastwagen auf der Landstraße zur Herausforderung und bei 162 km/h Spitze muss man die linke Spur für viele Kleinwagen räumen. Daran ändert auch das Doppelkupplungsgetriebe nichts, das viel harmonischer schaltet als das nervtötende Stufenlos-Getriebe des
Toyota Prius. Ähnlich zwiespältig wie der Antrieb ist das Innenleben des Niro. Vorn gaukelt das Auto mit Extras wie klimatisierten Sitzen, einem beheizten Lenkrad, zahlreichen Assistenzsystemen und einem Infotainment mit nahtloser Smartphone-Integration und WLAN-Hotspot den Insassen zeitgemäßen Luxus vor. Doch in Reihe zwei wird nur noch gekleckert. Statt Klavierlack oder Softtouch-Oberflächen gibt es dort Hartplastik und die übliche Tristesse. Das ist umso bedauernswerter, als der Niro rein platzmäßig durchaus ein Herz für Hinterbänkler hat und als einer der wenigen Kompakt-SUVs selbst für Erwachsene in der zweiten Reihe ein bequemes Auto ist. Knie- und Kopffreiheit sind üppig bemessen.
Das muss man wissen: Der Niro ist der erste Kia, der explizit und ausschließlich für alternative Antriebe entwickelt wurde. Er basiert auf einer nagelneuen Plattform, die er sich ebenso wie den 105 PS starken 1,6-Liter-Benzinmotor, die 32-kW-E-Maschine und den Lithium-Ionen-Puffer-Stromspeicher (Kapazität 1,56 kWh) mit dem Hyundai Ioniq teilt. Gemeinsam kommen die beiden Motoren auf eine Systemleistung von 141 PS und gehen mit bis zu 265 Nm Drehmoment zu Werke. Weil die E-Maschine beim Beschleunigen hilft und den Niro zumindest im Stop-and-go-Verkehr bisweilen auch alleine antreibt, sinkt der Normverbrauch auf 3,8 Liter und der CO2-Ausstoß geht auf 88 g/km zurück. Das ist ein respektabler Wert, doch Kia möchte noch mehr. Deshalb soll es den Niro im nächsten Jahr angeblich auch mit Plug-in-Technik geben und könnte so in Deutschland von der Kaufprämie für E-Autos profitieren. Dann sollte die elektrische Energie für deutlich mehr als die aktuell etwa zwei Kilometer reichen.
Das Auto wird in Korea bereits gebaut, der Verkauf in Deutschland beginnt jedoch erst im September. Daher gibt es noch keinen konkreten Verkaufspreis, wohl aber die Schätzung, dass der irgendwo zwischen 25.000 und 28.000 Euro liegen wird.
Das werden wir nicht vergessen: Die Selbstverständlichkeit des Hybridantriebs, die dazu führt, dass man ihn schon nach wenigen Metern vergessen hat. Das Zusammenspiel der beiden Motoren funktioniert perfekt. Gepaart mit dem coolen Design wird der Niro so vielleicht zum Trendsetter.