
Lada Granta Fahren kann so einfach sein
Das mit dem Nachschub klappt noch nicht so recht. "Wir haben erst rund 30 Autos von Typ Granta bekommen", sagt Bernd Haack, Verkaufs- und Marketingleiter bei Lada Deutschland in Buxtehude. In Russland, wo die kompakte Limousine gebaut wird, ist sie ein Renner; 2012, als das Auto dort auf den Markt kam, erreichte es sogleich Platz zwei in der Verkaufsstatistik.
Hierzulande gehört der Granta zu den rarsten Typen überhaupt. Einfach deshalb, weil es praktisch keine Autos gibt, und das hat mit dem Schadstoffausstoß zu tun. Denn die in Russland verkauften Modelle erfüllen lediglich die Abgasnorm Euro 4, in der EU jedoch ist die Euro-5-Norm verpflichtend.
Die Umrüstung auf den strengeren Grenzwert bewerkstelligt Lada nach eigenen Angaben mit Hilfe einer Einspritzanlage "mit Bosch-Komponenten" sowie "einem Direktzündsystem". Der Umbau dauert. Und besondere Eile ist auch nicht geboten, denn die rund 320 deutschen Lada-Händler zeigten bislang nur wenig Interesse am Granta. Zum Beispiel deswegen, weil der Wagen nicht mit Klimaanlage lieferbar ist. "Das hat mit dem Kältemittel zu tun", erklärt Haack. Das Auto bräuchte in der EU aufgrund seiner Typgenehmigung eine Klimaanlage mit dem neuen Kältemittel R1234yf, doch die gibt es nicht.
Schlichter Zündschlüssel, glänzendes Hartplastik
Vermutlich würde das viele Lada-Interessenten nicht einmal schrecken, wenn wenigstens der Preis nach ihrem Geschmack wäre. Doch auch hier muss der deutsche Lada-Importeur passen. 8990 Euro kostet die Basisversion Granta Norma. "Wir hätten das Auto gerne unter 8000 Euro angeboten", sagt Haack. Zumindest wäre der Wagen dann als Superschnäppchen vermittelbar gewesen, doch dieses Argument fällt nun weg. Zumal das etwas schickere Granta-Modell, das SPIEGEL ONLINE als Testauto zur Verfügung stand, sogar 9990 Euro kostet. Zur Ausstattung zählen dann von innen einstellbare Außenspiegel, Kartenleselampe und Kofferraumbeleuchtung, elektrische Fensterheber vorn, lackierte Stoßfänger, Leichtmetallfelgen, Metallic-Lackierung und eine Zentralverriegelung; außerdem verlängert sich die Garantie von zwei auf drei Jahre.
Das kann nie schaden, obgleich der Granta einen rundum robusten Eindruck macht. Erwartungen an das Auto? Gibt es erst mal nicht. Der schlichte Zündschlüssel, das wie eingecremt glänzende Hartplastik, der phenolische Duft - in diesem Wagen wird Autofahren wieder in Richtung der Ursprungsidee zurückgeführt: die Bewegung von A nach B ohne eigene Anstrengung. Sobald der 1,6-Liter-Vierzylindermotor geweckt ist, erfüllt freundliches Gebrumm den Innenraum, und dann kann es losgehen. Flott kommt der Granta in Fahrt, der Zweiventil-Saugmotor dreht flüssig hoch; an die Schaltwege des Fünfganggetriebes muss man sich kurz gewöhnen, doch dann flutscht es.
Es ist wie früher: Autofahren 1.0
Ab jetzt ist einfach nur noch Aufmerksamkeit gefragt: gegenüber dem Auto, das grummelt und rappelt und so mitteilt, wie es ihm gerade geht; gegenüber dem Straßenverlauf, damit man sauber in die Kurven rein- und auch wieder aus ihnen herauskommt; und gegenüber allen anderen Verkehrsteilnehmern sowieso. Autofahren 1.0 - ohne elektronische Hilfsmittel, die den toten Winkel überwachen, die beim Spurhalten helfen, den Abstand zum Vorausfahrenden kontrollieren oder die Verkehrszeichen erkennen und noch mal im Bordcomputer anzeigen.
Das Fahrgefühl im Lada Granta ähnelt dem einer ähnlich großen Limousine aus den achtziger Jahren, einem Ford Sierra zum Beispiel oder einem Opel Ascona C. Das heißt: Alles ist in bester Ordnung, solange man weder sich selbst, noch das Auto überschätzt. Was der Wagen perfekt rüberbringt, ist dieser angenehme Hauch von Abenteuer. Wenn man abends im Granta so dahin fährt, bei grünlicher Cockpitbeleuchtung und mild aufgedrehter Heizung, stellt sich ein wohliges Fernweh ein. Jetzt mit diesem Auto auf große Fahrt zu gehen, das wär's. Ein Wagen, wie man ihn sich zum Kumpel wünscht: unverkrampft, etwas raubeinig, ziemlich verlässlich.
Was der Granta sonst noch kann, außer einen verklärt-romantischen Blick auf die gute alte Zeit auszulösen, ist: mit Rudimentärtechnik vergleichsweise sparsam sein. 6,6 Liter gibt Lada als Normverbrauch an, 6,7 Liter verbrauchten wir während der Testfahrten. Und der Granta kann reichlich einstecken. Das Auto ist geräumig und bietet beachtliche 480 Liter Kofferraumvolumen. Das ist fast auf dem Niveau der neuen Mercedes S-Klasse (510 Liter) und nahezu ebenbürtig mit dem Audi A8 (490 Liter).
Großer Laderaum, hoher Kofferraumdeckel, schlechte Rücksicht
Die große Ladekapazität schränkt jedoch die Übersicht nach hinten ein, denn das aufgeblähte Heck lässt nur erahnen, wo die Karosserie endet. Das erfordert Spürsinn beim Rückwärts-Einparken, denn selbstverständlich gibt es im Granta auch für diese Grundübung des Autofahrens keinerlei elektronische Hilfsmittel. Nach vorne und zur Seite ist die Sicht aus dem Auto jedoch tadellos, insbesondere wegen der tief ausgeschnittenen Seitenscheiben, was nebenbei zu einer Eins-a-Ellenbogenauflage führt.
Warum sollte man einen Lada Granta kaufen? Die Antwort ist: Nur dann, wenn einige ansonsten unvereinbare Bedingungen unbedingt erfüllt sein müssen. Nämlich:
1. Das Auto muss ein Neuwagen sein und soll zugleich nostalgische Gefühle wecken.
2. Es muss viel Platz bieten und darf keinen Firlefanz haben.
3. Es darf unter keinen Umständen mehr als 10.000 Euro kosten.
Und 4. sollte es russischen Ursprungs sein.
In dem Fall kann es dann eigentlich kein Zögern mehr geben. Die nächsten 15 Granta-Typen für Deutschland, so ist aus Buxtehude zu hören, sind bereits auf dem Weg.