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Mercedes AMG SLS E-Cell: Stromstoß für den Flügeltürer

Mercedes AMG SLS E-Cell Das neue Wrrrommm

Für viele ist der Elektroantrieb die automobile Zukunft. Der Meinung sind auch deutsche Hersteller wie Mercedes und Audi und zeigen deshalb ambitionierte Prototypen. Ein besonders auffälliges Projekt ist der Mercedes AMG SLS E-Cell. SPIEGEL ONLINE war in dem rasanten Flügeltürer unterwegs.

Großer PR-Rummel, noch größeres Messe-Tamtam - in der Realität jedoch sind ambitionierte Elektro-Autos wie der Porsche 918 RS, der Audi E-Tron oder auch der Opel Ampera noch nicht angekommen. Und auch der Mercedes AMG SLS E-Cell, ein Flügeltürer mit Elektroantrieb, wird frühestens 2013 serienreif sein. Doch um zu beweisen, dass der Wagen auf einem guten Weg ist, haben die Schwaben den einzigen Prototypen jetzt für Testfahrten bereit gestellt. Und zwar nicht auf einem abgesperrten Areal, sondern auf der Atlantik-Straße an Norwegens Küste.

Warum ausgerechnet Norwegen? Nun, einerseits kontrastiert der Sportwagen im fluoreszierenden Mattlack namens "Lumilectric" wunderbar mit den grauen Felsen der wilden Küste. Andererseits aber kann man hier mit einem Elektroauto tatsächlich mit gutem Öko-Gewissen drauflos preschen. Während hierzulande E-Autos den CO2-Ausstoß lediglich vom Auspuff ins Kraftwerk verlagern, produziert Norwegen 99,5 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen.

Die Vollgasmarke Mercedes AMG nutzt das zur Imagepflege. Projektleiter Jan Feustel sagt: "Wir werden uns auch beim Elektroantrieb treu bleiben. Performance ist der Kern unserer Marke, das spürt man bei diesem Auto mehr denn je."

Dass er recht hat, spürt man, sobald der erste Stromstoß durch den Flügeltürer jagt. Die vier E-Maschinen kommen zusammen auf 533 PS und reißen von der ersten Sekunde an mit 880 Nm an allen vier Rädern. Man wird tief in den belederten Schalensitz gedrückt, wenn das Auto ohne Unterbrechung der Zugkraft in vier Sekunden auf Tempo 100 schnellt. 200 km/h sind nach elf Sekunden erreicht, und dass die Ingenieure bei 250 km/h ein Limit setzen, liegt an der Rücksicht auf die Reichweite. Denn: Je schneller der Wagen fährt, desto eher sind die in je zwei Blöcken vorn und hinten unter der Haube sowie im Mitteltunnel untergebrachten 324 Lithium-Ionen-Zellen leer. "Im Normzyklus schafft das Autor derzeit 150 Kilometer Reichweite. Wer sparsam fährt, kommt weiter", sagt Feustel.

Vollgas geben, energiesparend dahinrollen oder Strom produzieren

Wie weit, das hat der Fahrer buchstäblich selbst in der Hand. Denn er regelt an der "AMG Drive Unit" auf dem Mitteltunnel mit der Wahl des Fahrprogramms die Leistungsabgabe - vom City-Modus mit 40 Prozent Power und maximal 120 km/h bis zum Vollgas-Programm. Außerdem lässt sich dort, wo bislang mit zwei Lenkradwippen die Gänge gewechselt wurden, nun die Rekuperation regeln. Wann und wie stark der Elektromotor beim Verzögern zum Generator wird und so wieder Strom produziert, ist beim SLS E-Cell Einstellungssache. So kann man wahlweise ohne Antriebsleistung kilometerlang dahinsegeln und locker ausrollen, oder aber Strom produzieren, etwa bei der Abfahrt von einer Passhöhe, wenn die Motorbremse genutzt wird.

So finden hier an der norwegischen Küste Fahrgenuss und gutes Gewissen auf jedem Kilometer näher zusammen. Und mit jedem Stromstoß für die Motoren drängt sich ein Bonmot von Rallye-Legende Walter Röhr ins Gedächtnis: "Beim Beschleunigen müssen die Tränen der Ergriffenheit waagrecht zum Ohr abfließen."

Futuristische Cockpitinstrumente und ein Monitor im iPad-Format

Im Cockpit lässt sich das Zusammenspiel von Akkus und Antrieb, der Fluss der Energie, die Kraftreserven und natürlich das Tempo auf neuen Instrumenten verfolgen. Statt klassischer Analog-Anzeigen gibt es futuristische Monitore - auf denen sich zum Beispiel die Temposkala um einen festen Zeiger dreht. Highlight im Innenraum ist der 25 Zentimeter große Touchscreen in der Mittelkonsole, der mit aufwendiger Grafik und simplen Menüs die billigen Schalter für Navigation, Klimatisierung, Musik- und Telefonanlage ersetzt und jedes iPad in den Schatten stellt.

So groß die Begeisterung bei der Fahrt im elektrischen Flügeltürer, so groß sind auch die Fragezeichen, wenn es um Zahlen geht. Was der Wagen einmal kosten soll, ist noch völlig offen. Spekuliert wird derzeit über Summen bis zu einer halben Million Euro. Auch zu den geplanten Produktionszahlen gibt es keine Auskunft. Projektleiter Feustel: "Wir werden sicher keinen Kunden ohne Auto wegschicken."

Der Prototyp wiegt gut zwei Tonnen - und muss noch deutlich abspecken

Ebenso ungeklärt ist, wie das Auto geladen wird? Wie erreicht man mindestens 200 Kilometer Reichweite? Derzeit wiegt das Auto gut zwei Tonnen - immerhin rund 300 Kilo mehr als der Benziner. Folglich hoffen die Entwickler auf eine größere Energiedichte der Akkus und suchen Leichtbau-Lösungen.

Ebenfalls noch offen ist die Frage nach dem Sound des E-Sportwagens. Zwar haben die AMG-Ingenieure das Straßenbahn-Brummen einigermaßen eliminiert, doch jetzt klingt der SLS E-Cell wie ein Spielzeugauto unter Starkstrom. Angeblich steht Mercedes zum Thema Klang auch mit Musikern wie Peter Gabriel und Bono sowie dem Hollywood-Komponisten Hans Zimmer in Kontakt. Je länger der Prototyp allerdings unterwegs sei, desto größer werde die Fraktion derer, die gar kein Soundtuning wollen, sagt Vorstandsmitglied Kai Marten. Vielleicht wird ja ein Surren das neue Wroam.

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