
Autogramm Mercedes B-Klasse ed: Da steckt Tesla drin
Autogramm B-Klasse ed Mercedes mit Ladehemmung
Der erste Eindruck: Eine B-Klasse wie jede andere? Sieht so aus, denn dem ersten elektrischen Großserienmodell von Mercedes ist die alternative Antriebstechnik nicht direkt anzusehen. Wie der VW E-Golf, aber ganz anders als der BMW i3, pflegt die B-Klasse ed (das Kürzel steht für "electric drive") die Tarnung der neuen Technik in einer bekannten Hülle. Man muss deshalb genau hinschauen, um das Elektroauto zu erkennen - etwa daran, dass der Auspuff fehlt.
Das sagt der Hersteller: "Tesla inside" - das war der Slogan, mit dem Mercedes-Entwicklungsvorstand Thomas Weber die elektrische B-Klasse auf der IAA in Frankfurt präsentierte. Daimler hält gut vier Prozent der Anteile an dem kalifornischen Elektropionier und lässt sich nun eine Art technologische Dividende auszahlen: in Form der Batterie. Die fast 4000 Akkuzellen von Panasonic, die Steuerung und die E-Maschine stammen aus dem Tesla Model S.
Natürlich beobachten Entwickler wie Jochen Eck, der die Testfahrt von SPIEGEL ONLINE begleitete, die Brände von Tesla-Modellen mit "kritischer Neugier". Denn Probleme bei einem Elektro-Mobil würden Image und Akzeptanz der gesamten Elektromobilität gefährden. Die eigenen Autos hingegen hält Eck für völlig unbedenklich. "Unsere Akkupacks sind anders konstruiert und an anderer Stelle im Fahrzeug integriert", sagt er. Der Stromspeicher der B-Klasse steckt im Sandwichboden des Fahrzeugs, der jetzt "Energy-Space" heißt. Diese Positionierung gilt als crashsicher und sorgt zudem für einen niedrigen Schwerpunkt des Fahrzeugs.
Die Kritik am Normalo-Design versucht Eck zu entkräften: In Europa mag es eine Verwechslungsgefahr geben, doch die elektrische B-Klasse sei vor allem für die USA gedacht. Dort fällt das Auto sofort auf, weil Mercedes die B-Klasse dort bislang gar nicht anbietet.
Das ist uns aufgefallen: Eine neue Anzeige anstelle des Drehzahlmessers, die über Leistungsabruf oder Energierückspeisung informiert, spezielle Grafiken für den Bordcomputer und eine situationsabhängige Reichweitenberechnung - das sind die Unterschiede im Innenraum zwischen elektrischer und normaler B-Klasse. Sitzposition, Kofferraumvolumen und Innenraumvariabilität sind nahezu identisch.
Das Fahrgefühl ist natürlich ein ganz anderes. Typisch für Elektro-Modelle, tritt auch die B-Klasse mit einer 177 PS starken E-Maschine beherzt an. 340 Nm Drehmoment packen an den Vorderrädern zu und wuchten den 1,8-Tonner in 7,9 Sekunden auf Tempo 100. Anders als manch elektrischer Stadtflitzer beschleunigt der Wagen gleichmäßig weiter bis nahe ans Limit von 160 km/h. Spürbar wird das Mehrgewicht erst beim Lenken und vor allem auf unebenem Asphalt. Etwas Feinschliff könnte das Fahrwerk noch vertragen.
Wie viele der 200 Kilometer Reichweite die B-Klasse tatsächlich schafft, hat der Fahrer selbst in der Hand. Etwa durch eine Spartaste, die Nebenverbraucher drosselt und das Fahrpedal dämpft. Drei Rekuperationsstufen regeln zudem, wie stark sich der E-Motor als Generator einmischt, sobald man den Fuß vom Pedal lupft. Stufe eins fühlt sich an wie ein normaler Leerlauf, Stufe zwei wie die Motorbremse eines Sechszylinders im fünften Gang. Erst in Stufe drei wird eine ernsthafte Verzögerung spürbar. Dass die B-Klasse nicht noch stärker bremst hat einen einfachen Grund, sagt Ingenieur Eck: "Dann müssten wir die Bremslichter aktivieren." So macht es VW beim E-Golf, doch die Schwaben wollten das vermeiden.
Das muss man wissen: Die ersten hundert Autos sind derzeit weltweit unterwegs. "Ziellanderprobung" heißt das im Ingenieursdeutsch und meint vor allem den Test der Infrastruktur. Weil es überall andere Stecker, andere Ladeströme und andere Abrechnungsmodelle gibt, müssen alle ausprobiert werden. Im Frühjahr startet der Wagen in den USA, im Herbst bei uns. In USA wird die elektrische B-Klasse laut Mercedes-Sprecher Matthias Brock "um 40.000 Dollar" kosten und damit etwa 1500 Dollar unter dem Preis des BMW i3 liegen. Überträgt man diese Preisspanne auf Deutschland, kommt man auf etwa 33.000 Euro - ein Wert, den in Stuttgart aktuell niemand kommentieren möchte.
Die E-Maschine bezieht ihre Energie aus dem "Tesla inside"-Akku mit einer Kapazität von 28,5 Kilowattstunden; der Stromspeicher ist also etwa halb so groß wie der des Modell S. Entsprechend liegt die Reichweite auch bei lediglich 200 Kilometer. Dafür ist auch die Ladezeit kürzer: An einer 400-V-Dose lässt sich die Energie für 100 Kilometer Fahrt in 1,5 Stunden nachladen; an einer normalen 220-V-Buchse dauert das Prozedere zehn Stunden.
Ein Reichweitenverlängerer ist für die B-Klasse nicht vorgesehen, aber es gibt zumindest einen "Extended Range Mode" fürs Laden. Wer das entsprechende Knöpfchen drückt, kann ausnahmsweise 15 Prozent mehr Saft in den Akku pumpen und entsprechend weiter fahren. Auf Dauer ist das den Batterien allerdings nicht zuträglich, mahnt Entwickler Eck.
Das werden wir nicht vergessen: Die quietschenden Reifen, als wir beim Linksabbiegen im dichten Verkehr mal ein bisschen stärker aufs Pedal traten. Elektromobilität ist eine durchaus flotte Sache - und sie ist keineswegs immer lautlos.