
Mercedes S 500: Ein Gedicht
Autogramm Mercedes S 500 Sternzeichen Großer Wagen
Der erste Eindruck: Ist das noch ein Auto - oder schon ein Raumschiff? Hinter dem Steuer der neuen S-Klasse fühlt man sich wie Captain Future: Zwei riesige Bildschirme mit jeweils mehr als 30 Zentimetern Diagonale verschmelzen beinahe zu einem Screen des Formats Cinemascope. Von wegen Altherren-Auto für Spitzenbeamte und Nachkriegskapitalisten: Was die S-Klasse auch für spießigen Staub angesetzt haben mag - das neue Auto ist topmodern.
Das sagt der Hersteller: Für Daimler-Chef Dieter Zetsche ist die neue S-Klasse nicht weniger als "das beste Automobil der Welt" und soll neue Maßstäbe setzen. Beim Komfort durch Sitze mit Hot-Stone-Massage, beheizte Konsolen oder einen Duftspender im Handschuhfach. Bei der Sicherheit durch ein Heer neuer Assistenzsysteme, die den Wagen fast schon autonom fahren können. Und bei der Effizienz, wo die S-Klasse mit dem besten Luftwiderstand im Segment (cw=0,23), überarbeiteten Motoren, neuen Hybrid-Bausteinen und Kleinigkeiten wie dem kompletten Wechsel von Glühbirnen auf LED-Technik beim Verbrauch erstmals zu einer Drei vor dem Komma kommt.
Das ist uns aufgefallen: Man kann die neue S-Klasse fahren wie jedes andere Auto auch und nichts davon mitbekommen, was sie alles kann. Erst wenn man beginnt, mit ein paar Knöpfen zu spielen und ein paar der neuen Funktionen auszuprobieren, wird es interessant.
Die sogenannte "Magic Body Control" (5058 Euro Aufpreis) zum Beispiel. So nennt Mercedes sein vorausschauendes Fahrwerk. Bis Tempo 130 scannt die Stereo-Kamera in der Frontscheibe die Straße und stellt das Fahrwerk millisekundengenau auf grobe Unebenheiten ein. Spezielle Dämpfer in der Luftfederung lassen die Räder exakt in der richtigen Millisekunde mal mehr und mal weniger nach oben federn und drücken es danach entsprechend wieder herunter. Das Ergebnis: Die Karosserie hält ihr Niveau, man schwebt wie auf einem fliegenden Teppich über Querfugen und Asphalt-Kanten.
Kaum weniger magisch ist das sogenannte Staufolge-Fahren, für das die S-Klasse ebenfalls die Stereo-Kamera nutzt. Das System (Aufpreis 2678 Euro), ist eine Erweiterung des Abstandsregeltempomaten und arbeitet künftig nicht mehr nur mit Gas und Bremse, sondern auch mit der Lenkung.
Für den Fahrer ist das ebenso gespenstisch wie faszinierend. Man legt die Hände in den Schoß und staunt, wie die S-Klasse ihren Weg alleine findet. Anfangs kostet das reichlich Überwindung - man ist permanent in Alarmstellung. Doch nach den ersten zwei, drei Kilometern ist man versucht, mal eben die Nachrichten zu verfolgen oder eine E-Mail ins Smartphone zu tippen.
Theoretisch funktioniert das bis zu Geschwindigkeiten von 130 km/h. Doch je schneller man fährt, je kurviger die Strecke ist und je besser der Verkehr fließt, desto schneller schlägt die Elektronik Alarm und fordert den Fahrer dazu auf, wieder die Hände ans Lenkrad zu nehmen. Kommt man dieser Aufforderung nicht nach, schaltet sich das System ab.
Aber selbst mit den Händen am Lenkrad hilft die Querführung spürbar bei der Kurskorrektur und wirkt so wie ein halber Autopilot: Der Fahrer gibt quasi nur den groben Kurs vor und das Auto übernimmt die Feinarbeit. Das soll, so versprechen die Entwickler, auf langen Strecken sehr entlastend wirken und trägt damit zur großen Entspannung bei, mit der man eine S-Klasse auch nach mehreren Stunden wieder verlässt.
Das Interieur ist zwar piekfein - aber leider nicht perfekt. So ist es ein Unding, dass zwei Schalter für so nebensächliche Funktionen wie die Höhenverstellung der hinteren Kopfstützen oder das Rollo vor der Heckscheibe die Hightech- und Hochglanz-Idylle hinter dem Lenkrad stören. Die Hebel für Tempomat, Lenkradverstellung und Blinker liegen so nah beisammen, dass man fast Mikado damit spielen kann. Weil sich Mercedes den Touchscreen verkneift, gibt es im gesamten Auto nun über 100 Schalter. Und die Uhr als letztes analoges Instrument im komplett digitalen Cockpit sieht eher nach Plastik als nach Premium aus.
Das muss man wissen: Die S-Klasse ist nicht nur ein Rechner auf Rädern. Sie hat auch noch einen Motor. In unserem Fall war es der 4,7 Liter große V8-Benziner mit 455 PS. Selbst bei Vollgas kaum zu hören und mit bis zu 700 Nm Drehmoment stets bereit zum großen Sprung, macht er die Limousine zum Autobahn-Express.
Neben diesem V8-Motor (ab 104.601 Euro) gibt es zum Verkaufsstart am 20. Juli noch den S 400 Hybrid mit einem 306 PS starken V6-Benziner und einer E-Maschine mit 27 PS, der 6,3 Liter braucht und 85.204 Euro kostet, sowie den S 350 Bluetec. Sein 258 PS starke V6-Diesel ist mit einem Preis von 79.790 Euro und einem Verbrauch von 5,5 Litern für Sparer in jeder Hinsicht die erste Wahl. Zumindest vorerst. Denn im Frühjahr folgt ein Vierzylinderdiesel-Hybrid, der noch billiger und noch sparsamer sein soll.
Außerdem kommt Anfang nächsten Jahres als sportlichste S-Klasse der S 63 AMG, als luxuriöseste der S 600 mit einem aufgefrischten V12-Motor und als innovativste ein Plug-In-Hybrid. Mit Strom aus der Steckdose und einer elektrischen Reichweite von 50 Kilometern soll er auf einen Normverbrauch von weniger als vier Litern kommen und zur sparsamsten Luxuslimousine der Welt werden.
Ferner stehen auf dem Programm der Schwaben noch ein V6-Benziner zur Preiskorrektur nach unten und ein S65 AMG mit Zwölfzylinder, der den Preis noch einmal deutlich anheben dürfte.
Außerdem legt Mercedes bei den Karosserievarianten nach: Schon jetzt gibt es die S-Klasse mit normalem und für 3000 bis 6000 Euro Aufpreis mit gestrecktem (+ 13 cm) Radstand. Im Frühjahr folgt sie als Coupé, im Herbst als XXL-Version und Ersatz für den Maybach und später erstmals seit Urzeiten auch wieder als Cabrio.
Das werden wir nicht vergessen: Der Platz hinter dem Steuer der S-Klasse ist so etwas wie der Thronsessel für jeden deutschen Autofahrer. Doch hinten rechts sitzt man noch besser. Wobei sitzen eigentlich das falsche Wort ist. Auf Knopfdruck macht sich der Beifahrersessel so klein, dass er beinahe ins Handschuhfach passt.
Dann entfaltet sich bei entsprechender Optionsauswahl (plus etwa 10.000 Euro) im Fond eine Luxusliege, die mit Klimatisierung, Hot-Stone-Massage und daunengleichem Kissen so komfortabel ist, dass man nicht im Traum daran denken mag, die riesigen Klapptische zum Arbeiten heraus zu holen. Und aussteigen will man schon gar nicht mehr.
Damit schließt sich auch der Kreis zu den vielen Assistenzsystemen: Wenn man in einem Auto wie der S-Klasse unterwegs ist, kann das autonome Fahren gar nicht früh genug kommen.