
Autogramm V-Klasse: Mercedes zeigt Größe
Autogramm Mercedes V-Klasse Alles im Kasten
Der erste Eindruck: Das ist ein echter Brocken! Fast 5,20 Meter lang und genauso hoch wie breit - die neue Mercedes V-Klasse ist ein Trumm. Und trotzdem: Das Heck ist zwar immer noch quadratisch und praktisch geformt. Doch die Frontpartie sieht dank einer Stupsnase, einem großen Kühlergrill und schwungvollen Leuchten fast schon elegant aus.
Das sagt der Hersteller: "Das ist der Mercedes unter den Großraumlimousinen", findet Volker Mornhinweg, Chef der Van-Sparte des schwäbischen Herstellers. Was er damit sagen will: Im Kampf gegen den das Segment beherrschenden Bulli von VW wurde dem großen Wagen alles mitgegeben, was Mercedes an Technik und Luxus zu bieten hat.
Mornhinweg weiß, dass auch die neue V-Klasse den VW-Bus nicht vom Thron stoßen wird. "Aber wir wollen daran wackeln", sagt er. Vor allem mit verschiedenen Varianten, zum Beispiel ab Sommer mit der Camping-Variante Marco Polo, im Herbst mit der für etwa drei Viertel des Absatzes verantwortlichen Nutzfahrzeugversion Vito und im Winter mit einem Allradmodell.
Das ist uns aufgefallen: Das erste Aha-Erlebnis hat man schon beim Einsteigen. Das weit geschwungene und fein vertäfelte Armaturenbrett, der Chromzierat für Hebel und Schalter, der freistehenden Monitor und die stimmungsvollen LED-Lichtspiele sind meilenweit entfernt von einem nüchternen Nutzfahrzeugambiente. Mit diesem Van kurvt man beim Grand Hotel nicht zur Warenannahme, sondern rollt am Haupteingang vor.
Das Fahren hat nichts von lustloser Zweckmäßigkeit, die derlei Kisten bisweilen eigen ist. Man sinkt in kuschelige Ledersitze und vergisst sogleich das Kirchenbank-Gefühl aus der letzten Generation. Außerdem federt die V-Klasse weich selbst über ruppigen Asphalt und auch den Passagieren in Reihe drei bleiben Bocksprünge auf Bodenwellen erspart. Und vor allem: Es herrscht an Bord eine fast himmlische Ruhe. Vom Motor hört man nur ein beruhigendes Grummeln und trotz der vielen beweglichen Interieur-Elemente knistert und knackt nichts.
Bei allen Bemühungen, die V-Klasse auf Pkw-Niveau zu trimmen, bleibt das Trucker-Gefühl erhalten - und das ist gut so. Die erhabene Sitzposition lässt einen aufrecht über das Heer der Mittelklasse-Limousinen hinwegblicken. Das hat eine beruhigende Wirkung.
Das Spitzentempo des voluminösen Fahrzeugs liegt bei rund 200 km/h, und was noch erstaunlicher ist: Die V-Klasse fühlt sich auch bei Vollgas auf der Autobahn solide und geerdet an. Vermutlich könnte man den Wagen auch mit einem Sechs- oder Achtzylindermotor ausstatten - bei der Ausstattung gehen die Van-Entwickler ja bereits in die Vollen.
Das Angebot an Infotainment- und Assistenzsystemen für die V-Klasse lässt viele normale Familienkutschen ziemlich alt aussehen. Die 360-Grad-Kamera-Überwachung und der Einpark-Assistent zum Beispiel nehmen den Dimensionen des Autos auch im dichten Stadtverkehr den Schrecken. Dank Wechselsprechanlage wird der Fahrer auch im Fond noch gut verstanden. Und auch das Touchpad für das Infotainment-System macht Spaß. Was eine V-Klasse aber nun wirklich nicht braucht, das ist die neue "Agility Control": Wer will hier schon von Komfort auf Sport umschalten?
Praktisch ist der Wagen natürlich auch. Der Stauraum fasst zwischen 1030 und maximal 4630 Liter, es gibt etliche Ablagen und pfiffige Neuerungen wie die separat zu öffnende Heckscheibe oder den erhöhten Ladeboden mit eingebauten Klappboxen. Die vier Einzelsitze im Fond lassen sich auf Schienen nahezu beliebig verstellen und dazu gibt es einen Klapptisch, der fast wie ein Pilz aus dem Boden schießt.
Das muss man wissen: Die neue V-Klasse steht ab Ende Mai bei den Händlern und kostet mindestens 42.900 Euro. Für diesen Preis erhält man die längste von später einmal insgesamt drei Aufbauvarianten als V 200 mit einem 136-PS-Dieselmotor.
Im V 220 leistet der gleiche 2,1-Liter-Vierzylinder 163 PS und im V 250 kommt die Maschine auf 190 PS. Diese Leistung lässt sich per Kickdown kurzfristig sogar auf 204 PS steigern. Gleichzeitig klettert das maximale Drehmoment von 440 auf 480 Nm. Dann wuchtet der Vierzylinder die V-Klasse in 9,1 Sekunden von null auf hundert.
Einen Sechszylindermotor wird es vorerst nicht mehr geben: "Warum auch? Der V 250 beschleunigt besser und verbraucht zwei Liter weniger", sagt Mornhinweg. Der Durchschnittsverbrauch liegt bei 6,0 Liter, die sparsamsten Varianten kommen mit 5,7 Liter aus.
Mornhinweg weiß, dass Mercedes in diesem Segment sensibler kalkulieren muss als bei einer E- oder S-Klasse; deshalb liegt die Grundversion der V-Klasse - für ein Mercedes-Modell ungewöhnlich - auf ähnlichem Niveau wie der VW-Bus. Doch mit allem Drum und Dran kommt die V-Klasse locker auf 70.000 Euro und rückt so auch in dieser Disziplin in die Nähe der großen Limousinen der Marke.
Das werden wir nicht vergessen: Unvergesslich ist, welch unterschiedliche Gefühlswelten man in diesem Auto durchlebt. Beim Einsteigen fühlt man sich wie ein Trucker und beim Einladen wie ein Kurierfahrer. Wenn man fährt, wird man zum Kapitän der Landstraße und wenn man im Fond Platz nimmt, kommt man sich vor wie ein Manager im mobilen Büro. Die V-Klasse wirkt wie viele Autos auf einmal, groß genug für all diese Assoziationen ist das Ding allemal.