
Microbus-Studie VW gibt Bussi
Kleine Vans kommen in diesen Tagen groß heraus, und jeder Hersteller nähert sich der kleinen Kiste mit den großen Freiheiten auf einem anderen Weg: Toyota versucht es nüchtern und praktisch mit dem Verso S, Opel innovativ mit den Portaltüren des Meriva, Ford wiederum mit den rahmenlosen Schiebetüren beim neuen B-Max.
Und VW?
Dort hat man den Trend mal wieder verschlafen - zumindest bis jetzt. Doch auf dem belehren die Niedersachsen ihre Kritiker eines Besseren und zaubern völlig überraschend einen neuen Bulli aus dem Hut.
Mit dem Blick zurück nach vorn, gezeichnet im Geist der ersten Generation des VW Transporters von 1950, den der Volksmund aus der Kombination von Bus und Lieferwagen zum Bulli gemacht hat und der eine grandiose Historie hat, schreibt der Charmeur aus Wolfsburg die Geschichte in die Zukunft fort: Mit einer zweifarbigen Lackierung und dem charakteristischen "V" samt dem großen VW-Logo am Bug nimmt er die alte Formen- und Farbenlehre auf, ohne deshalb gleich zum Retro-Auto zu werden. Im Gegenteil: Er wirkt kantiger als früher, ist filigran und klar gezeichnet und blickt mit strengen LED-Leuchten in die Welt.
Ganz neu sind die Proportionen: War das Original ein Raumriese für das Kleingewerbe und die Großfamilie, ist der neue Bulli eher klein und schmächtig. Weil Handel, Handwerk und Gewerbe ja den T5 kaufen können, Reisegruppen den Sharan benutzen und es für Familien eigentlich schon den Touran gibt, begnügt sich der Bulli mit knapp vier Metern und liegt so auf einer Länge mit dem Polo.
Durchgehende Sitzbank vorne
Dass es bei 2,62 Metern Radstand drinnen trotzdem reichlich Platz gibt, liegt daran, dass VW ein altes Sitzkonzept reaktiviert hat: Wie in den Fünfzigern hat auch der neue Bulli vorne eine durchgehende Bank und damit einen sechsten Sitzplatz. Außerdem lassen sich beide Sitzbänke mit wenigen Handgriffen zur ebenen Liegefläche verwandeln, was VW ebenfalls als Reminiszenz an die Vergangenheit feiert. Legt man nur die Rückbank flach, wächst der Kofferraum von 370 auf bis zu 1600 Liter. So würde der Bulli auch als kleiner Lieferwagen eine gute Figur machen.
Die beiden Sitzbänke sind innen allerdings das einzige Zitat aus der Vergangenheit. Ansonsten erwartet den Bulli-Fahrer von Morgen eine für VW ungewöhnlich farbenfrohe Welt mit einem ebenso charmanten wie minimalistischen Cockpit und einem iPad in der Mittelkonsole, über das man sämtliche Klima-, Unterhaltungs- und Telefonfunktionen steuern kann.
Auch unter dem Blech fährt der Bulli in eine neue Zeit: Wo beim Original im Heck noch ein luftgekühlter Boxer knatterte, surrt sein Erbe elektrisch davon. Ihn treibt ein 115 PS starker Motor, der in die Vorderachse integriert wurde und den kaum 1500 Kilo schweren Sechssitzer mit bis 270 Nm in 11,5 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt. Die Höchstgeschwindigkeit ist mit Rücksicht auf die Reichweite auf 140 km/h beschränkt. Gespeist wird der Motor aus Lithium-Ionen-Akkus, deren Kapazität von 40 kWh für bis zu 300 Kilometer reichen soll.
"Mit dieser Studie bringen wir zu Ende, was 2001 begann"
Natürlich passt ein sauberer Elektroantrieb am besten in die Zeit. Doch falls der Bulli in Serie gehen sollte, dann passen auch Benzin- oder Dieseldirekteinspritzer mit 1,0 oder 1,4 Litern Hubraum unter die Haube, geben die Niedersachsen zu bedenken. Das hat einen gravierenden Einfluss auf die erste vorsichtige Preisschätzung: Statt für 30.000 Euro und mehr könnte VW den aus dem viel beschworenen "Modularen Querbaukasten" von Golf, Polo & Co montierten Bulli damit auch für deutlich unter 20.000 Euro anbieten und so tatsächlich im Revier von Meriva oder B-Max wildern.
Die Idee vom Revival des legendären VW Bus ist allerdings nicht neu: Schon 2001 haben die Niedersachsen mit der Vergangenheit geliebäugelt und den Microbus ins Rampenlicht gerücktEigentlich längst zur Produktion freigegeben, scheiterte das Modell damals jedoch in letzter Minute an den Kostenrechnern. Das hat man auch bei VW nicht vergessen. Doch diesmal meinen es die Niedersachsen offenbar Ernst: "Mit dieser Studie bringen wir zu Ende, was mit dem Microbus von 2001 begann", verkünden die VW-Leute.