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Mika Amaro Single Speed Bike im Test

Foto: Stefan Weißenborn

Ratgeber Rad – Mika Amaro Single Speed Bike Zurück zu den Wurzeln

Stahlrahmen, Carbonriemen, nur ein Gang: Diese Kombination ist bei Fahrrädern selten. Die Designer von Mika Amaro haben sie ausprobiert – und ein zutiefst urtümliches Fahrgefühl erzeugt.

Der erste Eindruck: Aufgeräumt in Look und Technik – dieses Designrad verzichtet auf Firlefanz.

Das sagt der Hersteller: Mika Amaro baut ausschließlich Urban Bikes (Stadträder), mit denen sich viele Alltagsdinge erledigen lassen. Sie sind aber auch zum Schauradeln geeignet. "Was das Single Speed ausmacht, ist seine Einfachheit", sagt Firmengründer Michael Nagler. "Wenn Luft in den Reifen ist, muss ich mir keine große Gedanken machen. Ich düs’ einfach von A nach B." Vor allem, wenn es wie in Berlin oder Köln kaum Steigungen gibt, spiele das wendige Bike seine Vorteile in der Großstadt aus. Für ihn sei das alltagstauglich, sagt Nagler, für andere vielleicht weniger, da keine Schaltung an Bord ist. "Das Single Speed ist nicht für jedermann."

Es sind vor allem drei Komponenten, die das Bike zu einer Seltenheit machen: Stahlrahmen, Riemenantrieb und lediglich ein Gang. Räder, die ein oder zwei Merkmale davon aufweisen, gibt es viele am Markt. Alles zusammen findet sich bei sehr wenigen. 

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Der Riemen und die fehlende Schaltung machen das Bike pflegeleicht. Ein Carbonriemen benötige kein Fett oder Öl, und anders als eine Kette länge er sich nicht. »Den Riemen an meinem Rad musste ich erst nach 18.000 Kilometern wechseln«, sagt Nagler. Eine Kette dagegen sei oft schon nach 3000 bis 4000 Kilometern verschlissen. Und wo keine Schaltung ist, könne nichts kaputtgehen. Ein Ölwechsel, wie bei Nabenschaltungen in größeren Zeitabständen erforderlich, entfällt ebenfalls. 

Haltbarkeit verspreche vor allem der rostfreie Stahlrahmen: »Den kannst du auch noch in 50 oder 70 Jahren fahren«, behauptet Nagler. Brüche im Material seien selten. Aluminium dagegen werde irgendwann spröde oder rissig. Die aufwendigere Reparatur lohne sich – falls überhaupt möglich – meist nicht. Schon bei der Herstellung schlage Stahl Aluminiumlegierungen in der Ökobilanz, sagt Nagler. Dabei werde deutlich weniger Energie verbraucht. Aluminiumrahmen sind hingegen häufig günstiger.

Das ist uns aufgefallen: Felgen, Pedalen, Vorbau oder Lenker sind hochpoliert – überall blitzt und blinkt das Rad. Anbauteile fehlen weitgehend, zum Beispiel Licht, Klingel, Schutzbleche, Gepäckträger, Federelemente. Um es offiziell verkehrssicher zu machen, müsste man nachrüsten. Dafür ist das Rad feingetunt. Das dünne Oberrohr verläuft parallel zum Boden. Und zwar exakt. Hier war ein Fahrradstylist am Werk.

Wir rollen vom Hof und ernten Blicke. Auch von Menschen mit mutmaßlich unterentwickelter Fahrradaffinität – zum Beispiel einer älteren Dame. Hat sie wirklich Interesse an unserem Rad? Es fühlt sich jedenfalls so an: Wo wir auftauchen, werden wir beäugt.

Rahmenmaterial:

Stahl

Rahmengröße:

54 cm, 58 cm, 62 cm

Schaltung:

keine

Antrieb:

Gates Carbon Drive CDX

Bremse:

Tektro Performance Series (Doppelgelenk-Rennradfelgenbremsen)

Bereifung:

Panaracer Pasela ProTite, 28mm

Laufräder:

28 Zoll, Hohlkammerfelge mika amaro "Airstream"

Gewicht:

9,4 kg (Rahmenhöhe 58 cm)

Zulässiges Gesamtgewicht:

100 kg

Preis:

1499 Euro

Das Fahrgefühl ist sehr direkt, mit dem Single Speed ist man geerdet unterwegs. Jede Zuckung im Arm provoziert fast eine Kurve. Mit dem kurzen Lenkbügel sind schnell große Lenkwinkel eingeschlagen. Diese Wendigkeit hilft im Stadtverkehr. Auch genügend Geradeauslauf ist vorhanden: Das Vorderrad neigt trotz steilem Steuerrohr nicht zum Flattern, auch bei höherem Tempo nicht.

Und Tempo fordert das Single Speed. Dazu passt die gebückte Sitzposition im Sattel, der mit Biobaumwolle bespannt ist. Weil die Übersetzung recht hoch ist, fühlt sich die Trittfrequenz erst ab 25 km/h angenehm an. So sausen wir meist schneller über den Asphalt als ein E-Bike am Limit. Jenseits von 30 km/h werden die Beinbewegungen hektisch.

Das muss man wissen: Optik und technische Details gehen Hand in Hand. Beispiel: die polierten Hohlkammerfelgen. Augenscheinlich nur gut zum Posen, helfen sie dabei, dass es vorangeht – vor allem, wenn die Hügel steiler werden.

Denn geht man aus dem Sattel in den Wiegetritt, um Steigungen stehend mit dem einen Gang zu meistern, neigt sich das Bike seitlich hin und her. Es wirken abwechselnd von rechts und links Kräfte auf die Räder, die sich dadurch verwinden können. So versickert Antriebskraft. Doch diesem Effekt wirken die hohen, verwindungssteifen Alufelgen entgegen. Die Steckachsen halten Seitenkräften ebenfalls besser stand als herkömmlich konstruierte Naben.

Auch der leise laufende Antriebsriemen lässt weniger Muskelkraft verschüttgehen. Gegenüber einer Kette besitzt er auf Dauer einen höheren Wirkungsgrad, weil er sich nicht längt – die Carbonstränge sind extrem zugfest. Aber auch hier darf der Style nicht fehlen – die Nylonzähne des Riemens schillern in Blau. 

Unterentwickelt ist indes der Fahrkomfort. Das war erwartbar angesichts der dünnen Reifen, die nach praller Luftfüllung verlangen. Der Rahmen macht das nicht ganz wett. Zwar dämpft Stahl besser als eine Alukonstruktion. Doch der Effekt ist dezent. Um ihn zu erspüren, muss man ein erfahrener Radler sein oder einen Alurahmen im direkten Vergleich fahren. Das Nachhaltigkeitsversprechen – Stahl verursacht bei der Produktion weniger CO₂, verbraucht weniger Wasser und ist haltbarer – sowie die Ästhetik dürften die besseren Kaufargumente sein.

Wem im Alltag allein die Wendigkeit des – übrigens ziemlich leichten – Mika-Amaro-Minimalisten nicht genügen sollte, der kann Schutzbleche und Gepäckträger nachrüsten oder zu einem Urban Bike der Kölner Marke mit Schaltung greifen. Doch dann leidet der ultracleane Look.

Das werden wir in Erinnerung behalten:

Hat schon jemand die Kategorie Roots-Radeln erfunden? Fahrradfahren also, das zu den Wurzeln dieser Fortbewegungsart zurückkehrt? Das auf Technikfirlefanz und Konnektivität verzichtende Single Speed gäbe Anlass dazu, denn selten hat sich Fahrradfahren so pur angefühlt.

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