
Ford Focus: Hokus Pokus in der Kompaktklasse
Neuer Ford Focus Ein teures Auto für 120 Länder
Es war eine Geduldsprobe. Vor fast genau einem Jahr enthüllte Ford den neuen Focus. Seitdem trommelt das Unternehmen eifrig für den Wagen mit der globalen Mission und präsentierten Messe für Messe diverse Karosserievarianten. Bei den deutschen Händlern jedoch herrschte bislang gähnende Leere. Jetzt ist die Warterei vorüber: Ab März steht zumindest der fünftürige Focus zum Verkauf. Später im Jahr folgen die Limousine und der Kombi. Einen Dreitürer dagegen wird es nicht mehr geben, ob noch ein Cabrio folgen wird ist fraglich, und das Gerücht von einem Coupé im Stile des Ford Capri wird derzeit noch dementiert.
Der neue Focus sieht nicht nur besser aus als der Vorgänger, er fährt auch besser. Und das ist sehr beachtlich, denn schon bislang gab das Auto fahrdynamisch den Ton an in der Kompaktklasse. "Das Fahrverhalten ist die Paradedisziplin des Focus", sagt Chefingenieur Helmut Reder, "da wollten wir noch einmal nachlegen und der Konkurrenz weiter vorausfahren."
Weil nun auch Ford auf elektrische Lenkung umstellt, schneidet der Focus noch präziser und schärfer durch die Kurven und gibt dem Fahrer eine sehr direkte Rückmeldung. Während er auf der Autobahn durchaus komfortabel abrollt, lässt er sich ebenso mit Spaß und Elan über kurvige Landstraßen treiben. Dabei hilft auch ein elektronischer Kunstgriff, den Ford "Torque Vectoring Control" nennt. Ähnlich wie eine elektronische Differentialsperre verteilt das Stabilitätsprogramm dabei das Drehmoment so auf der Antriebsachse, dass das kurvenäußere Rad schneller dreht als das innere und sich der Wagen regelrecht in die Kurve hinein schraubt.
Weil Sportlichkeit als Verkaufsargument wichtig ist, wurde auch die Leistung gesteigert. Der schwächste der vier Dieselmotoren leistet schon 95 PS, und bei den ebenfalls vier Benzinern beginnt das Leistungsspektrum bei 105 PS. Die Spitze markiert bei den Selbstzündern ein Zweilitermotor mit 163 PS und innerhalb der Otto-Fraktion ein 1,6 Liter großer Motor (Eco-Boost) mit Turbo und Direkteinspritzer sowie 182 PS. Bei niederen Drehzahlen leise und kultiviert, bei Vollgas kernig und fordernd, entwickelt die Maschine bis zu 270 Nm und bringt den Focus flott in Fahrt: 7,9 Sekunden von 0 auf 100 und ein Spitzentempo von 222 km/h sind in dieser Klasse mehr als ordentlich. Noch eindrucksvoller ist der Verbrauch, im Schnitt sind es 6 Liter je 100 Kilometer.
Endlich gibt es Spritspartechnik in der Focus-Baureihe
Überhaupt haben die Kölner diesmal konsequenter auf Sparsamkeit geachtet als beim Vorgängermodell. Eine Start-Stopp-Automatik ist bei vielen Varianten serienmäßig, Bremsenergie-Rückgewinnung und variable Kühlluftzufuhr sind im Angebot. "Das bringt einen Verbrauchsvorteil von zwei bis vier Prozent", sagt Chefingenieur Reder. Der sparsamsten Focus-Motor ist der kleine Diesel mit 4,2 Liter Durchschnittsverbrauch.
Während zum Beispiel Opel das Modell Astra beim Generationswechsel um mehr als 20 Zentimeter streckte, hielt Ford Maß. Nicht nur das Gewicht, auch die Länge von 4,36 Metern blieb im Vergleich zum Vorgänger nahezu unverändert. Trotzdem bietet der Wagen bei 2,65 Metern Radstand ausreichend Platz sowie zwischen 363 und 1148 Liter Kofferraumvolumen. Vorn allerdings stört die hohe und breite Mittelkonsole.
Ungewöhnlich ist der Blick ins Cockpit. Es ist viel aufregender gestaltet als bei VW Golf oder Opel Astra, und es birgt viel mehr Anzeigen und Schalter. Allein auf dem Lenkrad sitzen mehr als ein Dutzend Knöpfe - irgendwie müssen die elektrischen Komfortsysteme ja kommandiert werden. Und im Focus gibt es reichlich davon: Auf Wunsch kontrolliert und korrigiert das Auto automatisch die Fahrspur, überwacht den toten Winkel, hält automatisch den Abstand zum Vordermann, liest Verkehrszeichen, wechselt selbsttätig zwischen Abblend- und Fernlicht, rangiert von allein in Parklücken und bremst im Stadtverkehr vor einem drohenden Auffahrunfall vollautomatisch.
Hoher Preise schon für das karge Einstiegsmodell
Auch das Marketing ist vom Focus offenbar sehr überzeugt und verabschiedete eine ambitionierte Preispolitik. Wo sich VW und selbst Mercedes bei wichtigen Modellwechseln Zurückhaltung auferlegen, lässt sich Ford den Fortschritt ordentlich bezahlen. Schon das Basismodell wird 1100 Euro teuer und bietet zum Preis von 17.850 Euro nicht einmal eine Klimaanlage. Wer die vielen Innovationen nutzen möchte, muss noch tiefer in die Tasche greifen.
So dürfte es für den Focus schwer werden, den Rückstand auf den Bestseller aus Wolfsburg zu verringern. Aber das hat bei Ford auch gar keine Priorität. "Wir wissen, dass der Golf hier kaum zu schlagen ist", räumt Chefingenieur Reder ein, "aber wir haben ja nicht nur die deutsche Brille auf." Der Focus und seine Derivate werden in sechs Fabriken für 120 Länder gebaut. Zwei Millionen Autos auf der Plattform sollen pro Jahr gebaut werden - das relativiert die deutsche Golf-Dominanz dann durchaus.