
Pendeln mit dem Pedelec Hilfe, ein Elektrofahrrad!

Sieht gar nicht aus wie ein Pedelec: Das Vanmoof Electrified S
Foto: SPIEGEL ONLINE
Hässlich, aber bequem: Mein eigenes Fahrrad
Foto: SPIEGEL ONLINEDie Ausgangslage
Als Johan kam, sind wir raus. Rausgezogen aus der Stadt, rein in den sogenannten Speckgürtel. Von Hamburg Altona nach Halstenbek, Schleswig-Holstein. Der Vorteil (neben der Ruhe): mehr Platz für weniger Miete für unseren Sohn Johan, meine Frau und mich. Der Nachteil (neben der Langeweile): Ich konnte nicht mehr mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Mal abgesehen davon, dass mir mein Mountainbike schon in der zweiten Woche in Halstenbek geklaut wurde, erschien mir die Strecke schlicht zu weit.
Mein Arbeitsplatz, die Redaktion von SPIEGEL ONLINE, liegt in der Hamburger Hafencity. Von Altona aus brauchte ich dorthin mit dem Rad weniger als 30 Minuten. Von Halstenbek aus sind es 17 Kilometer, also etwas weniger als eine Stunde Fahrtzeit. Ich nehme meistens die S-Bahn, von Haustür zu Schreibtisch benötige ich fast eine Stunde. Fahre ich mit dem Auto, dauert es im Berufsverkehr ungefähr genauso lang.
Bezüglich der Reisezeit besteht zwischen den drei Fortbewegungsmitteln also kein Unterschied. Aber fast zwei Stunden am Tag auf dem Rad Strampeln? Dafür war ich zu faul.
Bisher.
Denn jetzt steht dieses Testfahrrad mit Elektroantrieb bei uns in der Redaktion, und ich soll auf folgende Fragen eine Antwort finden: Schaffe ich es mit Tretunterstützung, meine Faulheit zu überwinden? Werde ich zum Pedelec-Pendler?
Das Elektrofahrrad
Sieht gar nicht aus wie ein Pedelec: Das Vanmoof Electrified S
Foto: SPIEGEL ONLINEAls ich einer Kollegin erzähle, dass ich ein Pedelec teste, schaut sie mich an und meint: "So alt bist Du doch noch gar nicht." Aber als wir dann vor dem Ding stehen, redet sie plötzlich nicht mehr von Seniorenrad, sondern von Fixie-Bike.
Das Modell Electrified S des niederländischen Herstellers Vanmoof ist auf den ersten Blick tatsächlich nicht als Elektrofahrrad zu erkennen. Der Akku ist im Unterrohr versteckt und der Motor in der Nabe am Vorderrad untergebracht. Ein Tarn-Pedelec sozusagen.
Den meisten Kollegen in der Redaktion gefällt das Design. Angesichts der dicken Rahmenstangen ist das Vanmoof aber auch als "Bausatz aus Straßenlaternen" bezeichnet worden. Ich persönlich finde das Rad weder richtig schön noch völlig daneben. Der Rahmen ist etwas klobig, aber ohne diese Konstruktion hätte sich die Elektronik nicht so elegant verbergen lassen. Außerdem sind im Oberrohr die Vorder- und Rückleuchten integriert, das hat was von einer Laserkanone, und jetzt mal ehrlich, was lässt sich schon dagegen einwenden, auf einer Laserkanone zu fahren?
Mein eigenes Rad habe ich übrigens einem Rentner abgekauft, der die Sommermonate auf Campingplätzen in Baden-Württemberg verbringt. Entsprechend funky war auch sein gebrauchtes Bike. Sehen Sie selbst:
Hässlich, aber bequem: Mein eigenes Fahrrad
Foto: SPIEGEL ONLINEDer Spritzlappen am Hinterrad geht auf meine Kappe. Hier war das Schutzblech abgerissen, was dazu führte, dass bei schlechtem Wetter Dreck und Regenwasser von der Straße an meinen Rücken wirbelten. Ich war es einfach leid, dass meine Jacke dauernd aussah, als hätte sich ein Riese damit den Hintern abgewischt.
Ich habe es immer auch auf dieses Fahrrad geschoben, dass ich nie über Halstenbeks Grenzen hinaus geradelt war. Dabei fährt sich das Ding eigentlich ganz gut, täglich gondele ich damit 900 Meter von zu Hause zur S-Bahn-Station und zurück.
Aber bis zur Arbeit sind es eben 17 Kilometer. Ich hatte sogar schon erwogen, einen Teil der Strecke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren und dann aufs Rad umzusteigen. Dazu hätte ich das Fahrrad aber mit in die Bahn nehmen müssen. Das geht gar nicht: Mich nerven die Leute, die in der Bahn die Eingänge mit ihren voll funktionstüchtigen Fahrrädern blockieren, ich wünsche jedem von ihnen einen platten Reifen.
Jetzt also der Vorsatz, mit dem Vanmoof zu pendeln. Das Pedelec kostet 2200 Euro. Die Bedienung des Rads erklärt mir einer der Vanmoof-Gründer bei einem Redaktionsbesuch persönlich. Taco Carlier sagt, er habe ein Fahrrad entwickeln wollen, mit dem man längere Strecken zurücklegt, ohne zu schwitzen.
Er sagt, er wolle die Welt für "die holländische Art des Fahrradfahrens" begeistern. Was das sei, die "holländischen Art", möchte ich wissen. "Das Fahrrad als tägliches Fortbewegungsmittel zu benutzen", antwortet Carlier - und zwar ohne das Ganze gleich zum Kult zu überhöhen: "Wir sind keine Fanatiker. Autos haben auch ihren Charme!"
Dann erklärt mir Taco Carlier noch, wie man das Schloss am Fahrrad per Smartphone-App öffnet. Einen Schlüssel gibt es nicht, es funktioniert ausschließlich via Bluetooth. Auch das Licht und die vier verschiedenen Stufen der Unterstützung durch einen Elektromotor lassen sich per App steuern, gleichzeitig aber auch direkt am Rad einstellen. Die App, erklärt Carlier zum Schluss, sei noch etwas unzuverlässig. Das Exemplar meines Electrified S sei ein Prototyp.
Die erste Fahrt
Es nieselt in der Hafencity, aber ich entschließe mich trotzdem fürs Rad. Nach einer Viertelstunde und achtmaligem An- und Ausschalten der App schaffe ich es, das Schloss zu öffnen. Draußen gießt es jetzt in Strömen. Das Pedelec fährt sich gut, aber nach kurzer Strecke bin ich so nass, dass meine Socken beim Treten sumpfige Geräusche machen.
Ich steige ab und gebe auf. Den Rest des Wegs bestreiten ich und mein voll funktionstüchtiges Rad mit der Bahn.
Video: Elektrofahrrad mit edler Optik
Lesen Sie im nächsten Teil: Die zweite Fahrt verläuft erfolgreich, aber es gibt keine Küsschen. Ein Knopf wird gedrückt.
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Das Vanmoof Electriefied S ist auf den ersten Blick nicht als Pedelec zu erkennen. Der 420-Wh-Akku ist im Unterrohr des Rahmens untergebracht. Die Ladebuchse befindet sich im vorderen Teil des Oberrohrs.
Das Rad hat zwei Gänge und schaltet bei 19 km/h automatisch.
Auf einem Touchscreen am vorderen Rahmen werden die Geschwindigkeit und der Ladestand des Akkus angezeigt.
In der Nabe des Vorderrads steckt der 250-Watt-Elektromotor.
Das Schloss kann direkt am Rahmen eingeklinkt werden und lässt sich per App öffnen.
Die Tretunterstützung reicht nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h. Damit ist das Vanmoof laut Gesetz ein Pedelec und wird als Fahrrad betrachtet bei Tretunterstützungen über 25 km/h und bis 45 km/h spricht der Gesetzgeber von einem S-Pedelec; diese gelten als Kleinkrafträder, es besteht also Helmpflicht und man darf damit nicht auf dem Radweg fahren.
Dieser unscheinbare Knopf unter der Klingel ist wichtig: Mit dem Boost-Button aktiviert man den Extraschub.
Der LED-Scheinwerfer ist im Rahmen integriert.
Am hinteren Ende des Rohrs ist die Rückleuchte.
Der Sattel lässt sich mit einem Inbusschlüssel verstellen.
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