Ich wohne rund 17 Kilometer von meinem Arbeitsplatz entfernt. Die Strecke mit dem Rad zu fahren, war mir immer zu weit. Ein Pedelec könnte helfen, aber Pedelecs sind als Rentnerkutschen verschrien. Nicht das Vanmoof, ein Elektrofahrrad wie ein Design-Accessoire. Werde ich dank seiner zum Pedelec-Pendler? Ein Selbstversuch in vier Teilen.
Einige Tage nach meiner Regendusche auf dem Vanmoof herrschen an einem Montagmorgen frühlingshafte Temperaturen. Ich entscheide mich spontan, mit dem Pedelec zur Arbeit zu fahren.
Die App meldet zwar, das Vanmoof sei "Ready to Ride", aber in Wirklichkeit verweigert das Rad beharrlich jeden Befehl, dem ich ihm per Handy erteile. Auf die elektronische Hilfe muss ich trotzdem nicht verzichten: Anschalten lässt sich das Rad mit einem Schalter, die Tretunterstützung kann ich auf einem kleinen Touchscreen auf dem Rahmen aktivieren.
Die Tretunterstützung lässt sich über einen Touchscreen im Rahmen oder per App einstellen
Foto: SPIEGEL ONLINE
Vanmoof-Gründer Taco Carlier hatte es ja gesagt: Die App sei speziell bei unserem Testexemplar, einem Prototyp, noch unzuverlässig. Die Ortungsfunktion, mit der der Standpunkt des Fahrrads jederzeit abgerufen werden kann, funktioniere beispielsweise auch nicht. Damit kann ich leben, ich würde bloß das verdammte Schloss gern loswerden. Außerdem lässt sich das Licht nicht manuell anknipsen.
Für mich lag der Charme des Fahrradfahrens bislang vor allem im Einfachen: aufsteigen, losfahren, Wind um die Ohren wehen lassen. Vorher erst am Handy rumfummeln müssen, darauf kann ich verzichten.
Die Fahrt
Läuft sofort. Von den vier verschiedenen Fahrstufen habe ich die höchste gewählt, den sogenannten No-Sweat-Modus. Es ist nicht so, dass es mich beim Anfahren rückwärts vom Sattel zieht oder ich überhaupt nicht mehr treten muss - aber die Unterstützung ist deutlich spürbar. Vielleicht sind Sie am Flughafen schon mal auf einem dieser ebenerdigen Rollbänder gelaufen, auf denen man mit wenig Kraftaufwand schnell vorankommt; ungefähr so muss man sich das Fahren auf einem Pedelec vorstellen.
Vorn surrt der Elektromotor, auf dem Touchscreen am Rahmen wird mir die Geschwindigkeit angezeigt. Das Rad hat nur zwei Gänge und schaltet ab 19 km/h automatisch hoch. Die nächsten paar Meter muss man dann fester treten und wünscht sich, die Wahl selbst treffen zu können. Außerdem ist die Federung ziemlich hart.
Der Fahrkomfort ist trotzdem gediegen: Dank des Motors kommt man viel leichter in Schwung und hält mühelos ein Tempo von 25 km/h. Nach Gesetzesvorgabe setzt die Tretunterstützung bei höheren Geschwindigkeiten aus. Bewegt man sich aber in diesem Bereich, springt der Motor immer wieder kurz an und aus - ein Gefühl wie früher, als Papa mich auf dem Rad mit einem sanften Schubser angeschoben hat.
Und dann gibt es da noch den Boost-Button.
Anschub auf Knopfdruck: Der Boost-Button unterhalb der Klingel
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Der Boost-Button ist ein kleiner Knopf am linken Lenker. Drückt man mit dem Daumen darauf, liefert der E-Motor einen Extraschub. Auf der Fahrt nach Hamburg zuckt mein Daumen am Boost-Button so nervös wie der Zeigefinger von Clint Eastwood an seiner 44er Magnum in "Dirty Harry".
Ich booste, wenn sich eine Steigung andeutet.
Ich booste, wenn ich bei Grün an der Ampel losfahre.
Ich booste, wenn ich bei Rot über die Ampel fahre.
Ich booste, wenn die Jungs mit den Klickpedalen neben mir fahren.
Ich booste, weil ich es kann.
Auf den ersten Metern hängt man damit alle anderen Radfahrer locker ab. Man braucht dazu nicht mal aus dem Sattel steigen. Statt den Hintern zu heben, senkt man einfach den linken Daumen. Gern würde ich nach den Ampelstarts die Gesichter meiner Hinterleute sehen, aber Rückspiegel gehen nur an Bonanza-Rädern.
Die Zieleinfahrt
Nach etwa 50 Minuten Bike'n'Boost komme ich in der Redaktion an. Mein erstes Mal mit dem Fahrrad, seit ich in Halstenbek wohne! 17 Kilometer liegen hinter mir. Ich habe sie an diesem Morgen mit der Kraft meiner Beine und einem 250-Watt-Motor bewältigt. Einen kurzen Augenblick bin ich irritiert, dass ich keine Küsschen links und rechts auf die Wangen kriege und mir niemand ein gelbes Trikot überstreift. Aber meine Kollegin sieht das breite Grinsen auf meinem Gesicht, außerdem wird ihr nicht entgangen sein, dass ich einen Helm trage. "Ah, du bist mit dem Elektrofahrrad gekommen", sagt sie, "wie wars denn?"
Ich freue mich schon auf den nächsten Morgen, wenn die Sonne scheint.
Lesen Sie im nächsten Teil: Der Radweg als Fight Club. Es riecht nach Schweiß.