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Autogramm Porsche 718 Boxster: Gespielte Bescheidenheit

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Autogramm Porsche 718 Boxster #Aufschrei

Ein Porsche mit Vierzylinder - das gab es schon ewig nicht mehr. Der neue Boxster soll dank zweier Brennräume weniger die CO2-Vorgaben aus Brüssel erfüllen. Zweifel an seinem Potenzial brüllt der Kastrat einfach nieder.

Der erste Eindruck: Das soll der neue Porsche Boxster sein? Angeblich wurden beim Facelift des Modells fast alle Außenteile geändert, doch auf den ersten Blick erkennbar neu ist lediglich der witzige Entenbürzel am Heck. Der Rest des Autos sieht bei flüchtiger Betrachtung so aus wie der Vorgänger.

Das sagt der Hersteller: "35 PS mehr Leistung und 13 Prozent weniger Verbrauch" - so redet Porsche den Kunden den Abschied vom Sechszylinder-Motor schön. Wie zuletzt schon der Porsche 911 muss sich nun auch der Boxster dem Trend zum Downsizing beugen. Als Antrieb gibt es deshalb fortan aufgeladene Vierzylinder-Benziner.

Zur Rechtfertigung dieses Eingriffs graben die Schwaben tief in der Mottenkiste und nennen das Auto 718 Boxster. Damit soll dem Kastraten der Nimbus des Mittelmotorsportwagens aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren angedichtet werden, der - ebenfalls mit vier Zylindern - berühmte Rennen wie die Targa Florio oder die 24 Stunden von Le Mans gewann. Im kleinen Kreis liefert Boxster-Baureihenchef Stefan Weckbach dann die ehrliche Begründung, und die hat mit den CO2-Vorgaben aus Brüssel zu tun: "Es gibt gesetzliche Vorgaben und die sind einzuhalten. Punkt."

Das ist uns aufgefallen: Als wolle der 718 Boxster alle Zweifel am Vierzylinder im Keim ersticken, brüllt der neue Motor noch lauter als früher durch den markanten, mittig platzierten Auspuff. Erst recht, wenn man mit dem neuen Drehschalter am griffigen Lenkrad aus dem Komfort- in den Sport-Plus-Modus wechselt. Dann öffnen sich Schallklappen in den Endrohren und die Elektronik verstärkt das Crescendo mit Zwischengas, Fehlzündungen und Gegurgel beim Zurückschalten.

Zwar klingt der Vierzylinder nicht so heiser und kreischend wie der bisherige Sechszylinder, doch 7500 Touren sind für einen Turbomotor nicht schlecht - und die vom typischen Pöttern eines Boxers untermalte rotzig-rohe Klangfarbe steht dem Wagen ausgesprochen gut.

Im Video: Rundgang um den Boxster

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Akustisch muss man sich also etwas umstellen, an der Geschwindigkeit jedoch ändert sich nichts. Der Vierzylinder entwickelt mindestens genauso viel Sechsappeal wie das alte Aggregat. Beim Modell 718 Boxster S beträgt der Hubraum 2,5 Liter, dazu gibt es einen Lader mit variabler Turbinengeometrie. Die Paarung macht Katapultstarts möglich, und das Auto beschleunigt noch besser als der Vorgänger und fährt bei Vollgas auch schneller.

Erstaunlich ist, wie selten man zum Schaltknauf greift. Zwar ist es nach wie vor eine Freude, wie knöchern und trocken sich die Gänge wechseln lassen, doch aufgrund des spürbar höheren Drehmoments und dem mehr als 2000 Touren breiten Drehzahl-Plateau passt die gewählte Fahrstufe fast immer. Ob man aus der Kurve beschleunigt, mal eben überholt oder auf einer langen Geraden Stoff gibt - der dritte Gang zum Beispiel ist auf der Landstraße fast immer der richtige.

Das Ende der Rasanz ist also nicht zu befürchten. Gleichzeitig offenbart ein Blick auf den Verbrauch auch schnell, dass der Abschied von zwei Zylindern vor allem ein Trick ist, der in der Theorie beziehungsweise im Labor seine volle Wirkung entfaltet. Nur weil zwei Zylinder weggekürzt und auf dem Prüfstand 8,1 Liter ermittelt wurden, wird aus einem Sportwagen kein Sparauto. Zumindest nicht, wenn man ihn flott bewegt. Nach 100 Kilometern auf meist einsamen Landstraßen, engagiert gefahren und die meiste Zeit am Drehzahllimit gehalten, weist der Bordcomputer einen Verbrauch von mehr als 15 Litern aus.

Schnell ist übrigens nicht nur das Auto. Ebenso Tempo macht das Verdeck des 718 Boxster. Kaum hat man die schmucken Tasten auf dem breiten Mitteltunnel gedrückt, hat sich der Wagen auch schon entblättert. Wo andere Roadster, erst recht die mit versenkbarem Hardtop, eine Choreografie mit Klappen und Spriegeln aufführen, reißt sich der Porsche ratzfatz die Mütze vom Kopf und steht nach neun Sekunden oben ohne da. Schneller geht das nur im Mazda MX-5, wo man das Verdeck von Hand über die Schulter nach hinten wirft.

Das muss man wissen: Der zum Porsche 718 umbenannte Boxster kommt Ende April zu den Händlern und kostet künftig mindestens 52.646 Euro. Dafür gibt es das Grundmodell mit einem 2-Liter-Vierzylinder, der mit 300 PS und 380 Nm im Datenblatt steht und mit einem Normverbrauch von 6,9 Liter zum sparsamsten Verbrenner-Sportwagen in der jüngeren Porsche-Geschichte wird. Für knapp 15.000 Euro mehr verkauft Porsche den hier vorgestellten Boxster S mit der 2,5-Liter-Maschine.

Neben den neuen Motoren und dem aufgefrischten Design gibt es ein überarbeitetes Fahrwerk, auf Wunsch auch mit zwei Zentimetern weniger Bodenfreiheit, stärkere Bremsen, eine modifizierte Mittelkonsole mit einem neuen Touchscreen sowie erstmals die Option auf LED-Scheinwerfer. Wem es im offenen Auto zu stark zieht, der muss sich noch ein bisschen gedulden: Ende April auf der Autoshow in Peking wird auch der 718 Cayman vorgestellt, die geschlossene Variante, die ebenfalls vierzylindrig in die Zukunft fährt.

Das werden wir nicht vergessen: Vier oder sechs Zylinder, Sauger oder Turbo - je länger man mit dem Boxster durchs Ländle saust, desto weniger fühlt sich der neue Motor nach einer Revolution an. Der Roadster ist genauso, wie man einen Sportwagen von Porsche erwartet - rasend schnell und rasiermesserscharf. Die eigentliche Revolution kündigt sich vielmehr mit dem Touchscreen in der Mittelkonsole an. Denn auf der Navigationskarte werden neben den Tankstellen auch Ladesäulen ausgewiesen. In nicht allzu ferner Zukunft wird sich die Diskussion um vier oder sechs Zylinder vermutlich komplett erübrigt haben.

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