Autogramm Porsche Taycan Weniger ist mehr

Porsche ist mit dem Taycan überraschend gut ins elektrische Zeitalter gestartet. Nun senkt der Hersteller den Einstiegspreis um 20.000 Euro und lässt dafür unter anderem einen Motor weg – eine kluge Entscheidung.
Die teuren, stark motorisierten Allradvarianten des Elektroautos Porsche Taycan werden bereits seit einiger Zeit angeboten, jetzt folgt die billigere Basisvariante mit Heckantrieb

Die teuren, stark motorisierten Allradvarianten des Elektroautos Porsche Taycan werden bereits seit einiger Zeit angeboten, jetzt folgt die billigere Basisvariante mit Heckantrieb

Foto: Porsche

Der erste Eindruck: Finde den Unterschied! Normalerweise differenziert Porsche das Design zwischen einzelnen Modellvarianten sehr fein. Nicht beim Taycan. Das neue Basismodell gleicht den teureren Versionen — nur nicht beim Typenschriftzug. Wo bei den anderen »4S«, »Turbo« oder »Turbo S« angefügt ist, steht hier nur »Taycan«.

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Der elektrische Porsche für Einsteiger

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Das sagt der Hersteller: »Einstiegsmodell« – das klingt etwas untertrieben. Wer denkt bei dem Begriff schon an einen mindestens 326 PS starken Luxusliner für mehr als 80.000 Euro? Doch es gibt ja bereits den Taycan Turbo S, Grundpreis 186.336 Euro und mit bis zu 761 PS. Da relativiert sich manches.

Bei diesem riesigen Preisunterschied stellt sich allerdings auch die Frage, ob der Turbo S nun sinnlos geworden ist. Denn mehr noch als in der alten Verbrennerwelt sind die PS-Daten bei Elektroautos faktisch nur im Autoquartett bedeutsam. Daran dürfte auch das neue Model S mit mehr als 1000 PS von Tesla wenig ändern. Vielmehr beschleunigen E-Autos dank des spontanen Antritts gefühlt stets besser als Verbrenner. Dieses Phänomen lässt auch einen Panamera behäbig wirken – egal ob der Sprint von 0 auf 100 nun in 2,8 Sekunden wie beim Turbo S oder in 5,4 Sekunden gelingt wie beim Basismodell. Wer das Pedal zu oft durchdrückt, wird ohnehin mit Reichweitenverlust bestraft. Auch wenn die Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h beim Basismodell oder bei 260 bei den stärkeren Varianten erreicht ist, schmilzt die angezeigte Reststrecke dahin. Mehr als Kilowatt zählen Kilometer, die sich aus den Akkus quetschen lassen. Und siehe da: Das Basismodell kommt immerhin fast 70 Kilometer weiter als der Turbo S.

Das ist uns aufgefallen: Das Taycan-Grundmodell ist nicht untermotorisiert, sondern im Alltag meist wohl unterfordert: Auch mit nur einem Motor hat der Wagen so viel Wumms, dass der Fahrer das Pedal besser behutsam bedient. Mit dem giftigen Antritt ist man andernfalls schnell zu flott unterwegs und die Reichweite schmilzt dahin. Der Schwund, der sich nach ein paar leidenschaftlichen Minuten einstellt, erschreckt: Nach zehn oder fünfzehn Kilometer auf kurvigen Landstraßen im Schwarzwald zeigt der Bordcomputer 70 bis 80 Kilometer weniger an.

Klar, solche Fahrten bringen mit den stärkeren Taycan-Typen mehr Spaß, weil alles etwas schneller und radikaler geht. Allerdings sind die Unterschiede minimal. Dies auch, weil der Motorsound fehlt, an dem sich Unterschiede erkennen lassen.

Empfindsame Fahrer mögen gar einen Vorteil beim Einstiegs-Taycan erkennen: das geringere Gewicht auf der Vorderachse, weil dort kein Motor eingebaut ist. Vielleicht lenkt der Wagen auch deshalb einen Hauch leichter ein. Ein echter Unterschied zu den anderen Modellen offenbart sich am besten auf abgesperrtem Terrain: Weil der Basis-Taycan der einzige mit Heckantrieb ist, geht er bei abgeschaltetem Stabilitätsprogramm auch quer. Bewiesen hat Porsche das mit einem »Guinness-Rekord« über 42,171 Kilometer im Dauerdrift.

Werfen Sie einen Blick in den Innenraum des Porsche Taycan mit unserem 360-Grad-Foto

Das muss man wissen: Das Basismodell kommt im März in den Handel und kostet ab 85.320 Euro. Damit sinkt der Einstiegspreis des Taycan zwar um rund 20.000 Euro, doch ist er immer noch zu teuer für die staatliche Elektroprämie. Sein Nettolistenpreis liegt mit 71.697 Euro deutlich über dem Limit von 65.000 Euro.

Es gibt zwei Batterievarianten, eine mit 79,2 kWh (431 Kilometer Reichweite) sowie eine mit 93,4 kWh Speicherkapazität, die für bis zu 484 Kilometer reicht (Aufpreis: rund 5700 Euro). Der Motor leistet je nach Batterie 240 oder 280 kW und beim Kickdown für kurze Zeit 300 oder 350 kW. An den Fahrleistungen ändert das nichts: Sie liegen hier wie dort bei 5,4 Sekunden von 0 auf 100, Schluss ist jeweils bei 230 km/h. Geladen wird mit bis zu 270 kW, sodass in fünf Minuten Strom für circa 100 Kilometer fließt.

Die Zubehörliste macht es leicht, den Preis nach oben zu korrigieren — auch nachträglich. Für den Taycan bietet Porsche erstmals »Functions on Demand« an, die sich wie Apps dazubuchen lassen; im Abo oder auf Dauer. Dazu zählen eine geschwindigkeitsabhängige Servolenkung, zudem lässt sich das Tempo automatisch an Topografie und Streckenführung anpassen und ein Reichweitenmanager verbessert die Ladestrategie.

Das werden wir nicht vergessen: Die Position »Teilleder-Sitze« in der Ausstattungsliste. Was soll das? Zwar sind Stoffsitze als »vegane« Alternative vor allem bei Elektroautos im Trend. Doch wenn die Hälfte des Sitzes beledert ist, geht es offenbar eher ums Sparen als um Tierwohl.

Hersteller:

Porsche

Typ:

Taycan

Karosserie:

Limousine

Motor:

Elektromaschine

Getriebe:

Zweigang-Automatik

Antrieb:

Heckantrieb

Leistung:

350 kW / 476 PS

Drehmoment:

357 Nm

Von 0 auf 100 km/h:

5,4 Sek.

Höchstgeschw.:

230 km/h

Akku-Kapazität:

93,4 kWh

Verbrauch:

21,5 kWh/100 km

Reichweite:

476 km

Leergewicht:

2130 kg

Kofferraum hinten:

366 Liter

Kofferraum vorn:

81 Liter

Maße:

4963 / 1966 / 1394

Preis:

85.320 Euro

Thomas Geiger ist freier Autor und wurde bei seiner Recherche von Porsche unterstützt. Die Berichterstattung erfolgt davon unabhängig.

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