
Porsche Taycan: Sag zum Verbrenner leise Servus
Elektro-Sportwagen Porsche Taycan Ausgebrannt
Ein Sechs-Milliarden-Investitionsplan, eine komplett neue Modell- und Motorenpalette, der Stammsitz Zuffenhausen eine einzige Baustelle: Porsche baut sich zum Elektroautohersteller um.
Flüsterleise rollt der erste Stromer aus dem Entwicklungszentrum im benachbarten Weissach. Wenige Monate vor der Publikumspremiere im September auf der Automesse IAA in Frankfurt dreht Baureihenleiter Stefan Weckbach seine letzten Runden mit dem neuen Taycan - dem ersten Elektroauto der Schwaben in der automobilen Neuzeit.
Das viertürige Coupé steht eine halbe Klasse unterhalb des Panamera für einen Paradigmenwechsel. Ausgerechnet Porsche, jene Marke, die Motorsport in der Firmen-DNA trägt und mit dem 911 einen der vielleicht berühmtesten Sportwagen der Welt baut, will sich zum Vorreiter der Elektromobilität aufschwingen: Für das Jahr 2025 haben die Schwaben eine Elektrifizierungsquote von mindestens 50 Prozent als Ziel ausgegeben.
Das Turbo-Trauma
Damit das gelingt, muss Porsche eine schwierige Kundschaft überzeugen: Schon die geänderte Form bei den Scheinwerfern kann diese Klientel zum veritablen Shitstorm veranlassen. Die Umstellung von Luft- auf Wasserkühlung oder der Abschied vom Saugmotor und Umstieg auf Turbo beim 911, gemessen an der E-Volution Marginalien, wurden von Porsche Fans empfunden wie Traumata.
Projektleiter Weckbach ist bei dieser Überzeugungsarbeit ein wichtiger Faktor. Er hat deswegen zu einer Runde mit dem Taycan durch den nördlichen Schwarzwald geladen. Dort zirkelt er den mehr als zwei Tonnen schweren Koloss über enge Landstraßen. Trotz des hohen Tempos hat Weckbach noch eine Hand frei, um seine Worte zu unterstreichen. "Der Taycan muss ein echter Porsche werden, er muss so aussehen wie ein Porsche, muss sich anfühlen wie ein Porsche und muss fahren wie ein Porsche", beschreibt er seinen Entwicklungsauftrag. Die Botschaft, die die Schwaben bei jeder Gelegenheit wie ein Mantra aufsagen: Auch die Porsches dieses neuen Zeitalters sollen keine "Verzichtsautos" werden.
Weckbach betont deswegen, er habe sich stark am Panamera und dem Elfer orientiert und weniger am Tesla Model S, obwohl der flache Taycan faktisch zum vorerst einzigen echten Konkurrenten der sportlichen Limousine aus Kalifornien wird. Audi, Mercedes und Co. schicken zunächst elektrische SUV ins Rennen.
Tschüss, Tesla
Sollte es Zweifel daran gegeben haben, ob ein Elektro-Porsche bei den Fahrleistungen überzeugen kann, so sind die nach kaum mehr als drei Sekunden ausgeräumt. So lange braucht der Taycan, dessen zwei E-Maschinen in der stärksten Variante mehr als 600 PS leisten werden, um von 0 auf 100 km/h zu beschleunigen. Das geschieht ohne jede akustische oder haptische Vorwarnung, es reißt einem plötzlich gefühlt den Kopf vom Nacken. Das Beschleunigungserlebnis wird durch die gespenstische Stille und die scheinbare Mühelosigkeit fast noch intensiver.

Porsche Taycan: Sag zum Verbrenner leise Servus
Klar: Anders als der 911 wird der Taycan wohl nicht mehr als 300 km/h laufen, aber "mehr als 250 km/h" stellt Weckbach für die Topversion auf jeden Fall in Aussicht. Aber geradeaus schnell fahren, das kann auch Tesla. Was den Porsche unter den Elektroautos abhebt, das zeigt Weckbach hart am Limit der Verkehrsregeln im schwäbischen Hinterland: Man ist der Straße näher als in jedem anderen Elektroauto und spürt den tiefen Schwerpunkt, den die Akkus im Wagenboden sogar unter das Niveau eines 911 GT3 drücken. Und weil der Taycan neben der Dreikammer-Luftfederung für die gemütliche Langstrecke aus dem Panamera auch die Hinterachslenkung aus dem Elfer bekommt, wirkt er handlicher, als man es einem Fünf-Meter-Koloss zugetraut hätte.
Doch der Taycan soll nicht nur schnell fahren, sondern auch schnell laden: An den Ladesäulen des Ionity-Konsortiums (an dem auch etliche deutsche Hersteller beteiligt sind) saugt der Wagen binnen vier Minuten Strom für 100 Kilometer ins Fahrzeug, die Gesamtreichweite soll je nach Akku bis zu 500 Kilometer betragen.
Abschied vom Sportwagen-Image?
Während der Taycan von außen ziemlich konventionell aussieht, macht er innen einen Sprung. Bis auf ein paar Taster am Lenkrad gibt es kaum noch Schalter oder Regler im Cockpit. Unter den Abdeckmatten, mit denen Weckbach das Interieur seines Babys tarnt, ist eine Landschaft aus Displays und Touchscreens verborgen, die stark an die Vorgängerstudie Mission E erinnert und in der analoge Bedienelemente fehlen.
Selbst der Drehzahlmesser, bislang bei Porsche Urmeter der Sportlichkeit und auch im weitgehend digitalisierten Panamera oder Cayenne noch als mechanisches Messinstrument direkt im Blickpunkt des Fahrers, ist verschwunden. Immerhin befindet sich der Startknopf traditionell links vom Lenkrad - selbst wenn er nur noch ein Gruß ans Gestern ist: Der Bordrechner erkennt, wenn die Tür von jemandem mit der entsprechenden Berechtigung geöffnet wurde. Fuß auf die Bremse stellen, einen Gang einlegen, das Fahrpedal treten - schon kann man losfahren.

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Was schon während der Testfahrt auffällt: Der Taycan legt neben den klassischen Porsche-Tugenden auch einen Schwerpunkt auf andere Bereiche. So verfügt der Taycan beispielsweise über eine intelligente Klimasteuerung ohne mechanische Verstellung der Lüfterdüsen. Und auch das Infotainment oder die Rückgewinnung der Bremsenergie sind intelligent automatisiert. Für Automobilwirtschaftler Stefan Bratzel ein klares Indiz dafür, dass sich Porsche künftig nicht allein über Sportlichkeit definieren will: "Wer nicht mit der Zeit geht, der muss mit der Zeit gehen", frotzelt Bratzel: "Das gilt auch für Porsche und sein Sportwagenimage".
Der Druck, so Bratzel, sei angesichts von Konkurrenten wie Tesla hoch. "Der Taycan muss ein Erfolg werden", warnt der Professor an der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Komme der Taycan gut an, könne er zum ersten wirklich erfolgreichen E-Auto aus Deutschland und zum Symbol einer gelungenen Transformation der gesamten Branche werden.
Bislang stehen die Zeichen dafür nicht schlecht, angeblich ist Porsche von den Vorbestellungen für den Taycan überrascht und überrannt worden. Obwohl die ursprünglich mal auf angeblich 20.000 Autos pro Jahr ausgelegte Produktionskapazität aufgestockt wurde, sind lange Lieferfristen zu befürchten. Der Preis für das Basismodell soll knapp unter 100.000 Euro liegen.