
Ratgeber Rad: Sushi Bikes California Roll+ im Test
Ratgeber Rad - California Roll+ im Test Was taugt der Dacia unter den E-Bikes?
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Der erste Eindruck: Altmodisch-filigran erscheint das California Roll+ mit seinem dünnen Rahmen. Und unkompliziert. Ob es das auch ist?
Das sagt der Hersteller: Hier wird ein E-Bike zum Kampfpreis angeboten – durchschnittlich kostet ein Elektrofahrrad in Deutschland mehr als das Doppelte. Sushi Bikes hat dazu in der Trickkiste der Autogeschichte gekramt: Um Kosten zu senken, habe sich der Hersteller den »alten Ford« ins Gedächtnis gerufen, sagt Geschäftsführer Andreas Weinzierl, der das E-Bike-Start-up 2019 in München mit TV-Moderator Joko Winterscheidt gründete, »um flexible, grüne Stadtmobilität bezahlbar zu machen«.
Weinzierl erinnert an ein Zitat von Henry Ford, das die kostensenkende Massenproduktion im frühen 20. Jahrhundert beschreibt: »Jeder Kunde kann sein Auto in jeder beliebigen Farbe lackieren lassen, solange es Schwarz ist.« Auch Sushi Bikes verschlankt die Prozesse. Beim California Roll+, einem City-E-Bike, stehen zwar immerhin drei Farben zur Wahl, doch nur eine Rahmengröße. »Das Bike ist reduziert auf das Nötigste.«
So fehlt eine Gangschaltung, der Akku fasst nur 230 Wattstunden. Vertrieben werden die Sushi Bikes direkt über die Website, kein Zwischenhändler verdient mit. »Alles was wir an Geld bekommen, fließt ins Produkt«, sagt Weinzierl. »Mehr Reichweite, mehr Leistung« – dieses Wettrüsten mache Sushi Bikes nicht mit.
Das ist uns aufgefallen: Man sieht dem Modell auf den ersten Blick nicht an, dass es unter Strom steht. Hohe Ingenieurskunst wie bei vielen teuren Urban-E-Bikes, die Motor und Batterie verbergen, war zur Elektrifizierung offenkundig jedoch nicht vonnöten. Der Akku im Trinkflaschen-Look ist auf dem Unterrohr verschraubt, Zellen im Rahmenrohr zu verstecken wäre viel aufwendiger. Praktisch und findig gegenüber der Konkurrenz von Bosch und Co.: Der Stromspeicher lässt sich als Powerbank nutzen, etwa fürs Smartphone. Ebenfalls keine Umbauarbeiten am Alu-Rahmen erfordert der Hecknabenmotor. Der Rahmen kommt – wie viele Fahrradfahrgestelle – als Stangenware aus Taiwan.
Der Rahmen wurde nicht eigens für E-Bikes entwickelt, sondern »nach E-Bike-Norm getestet und zertifiziert«, sagt Weinzierl. Um die Prüfverfahren zu bestehen, sei er etwa an den Ausfallenden und dem Tretlager verstärkt worden. Das erinnert an die Herangehensweise von Autoherstellern, die erste E-Autos kostensparend von bestehenden Verbrennern ableiteten.
Aber heiligt der Zweck die Mittel? Herausgekommen ist ein mit 17,2 Kilo leichtes E-Bike. Gut vier Kilo entfallen auf die Elektrokomponenten. Für ein City-E-Bike anderer Hersteller kann man gut und gern das Doppelte und Dreifache ausgeben.
Doch sollte man wissen, was der Sparkurs mit sich bringt. Eingeschränkt ist etwa der Einsatzzweck. Das California Roll+ ist für platte Städte gemacht. »Das ist kein Tourenrad«, sagt Weinzierl.
Die Steuerung des Heckmotors ist einfältig. Einziger elektronischer Befehlshaber ist ein PAS-Sensor (»Pedal Assist Sensor«). Wo andere E-Bikes aus dem Zusammenspiel mehrerer Messfühler die Tretunterstützung je nach Drehmoment, Trittfrequenz und Fahrtempo modulieren, gibt es beim Sushi-Bike kaum mehr als ein »Entweder-oder«: Der Motor unterstützt – oder nicht. »Der Sensor erkennt nur, dass man tritt, unabhängig davon, mit wie viel Kraft man reintritt.«
Erst nach einer halben Kurbelumdrehung setzt der Motor ein. Dann aber ist man ohne viel Zutun schnell auf Tempo – dazu genügt es, die Kurbel ohne viel Druck auf die Pedale nur rotieren zu lassen. Weinzierl versucht, dies als »Float-Modus« zu bewerben: »Man kann sich einfach davontragen lassen, ein Gefühl, das ich schön finde.«
Datenblatt Sushi Bikes California Roll+
Rahmen | Aluminium, Einheitsgröße |
Motor | 200 Watt, 24 V |
Akku | 230 Wh (abnehmbar, abschließbar, 24 V / 9,6 Ah) |
Ladedauer | mit 3A-Ladegerät: 3 h 50 min, mit 2A-Ladegerät: 5 h 45 min |
Reichweite | bis zu 75 km (Herstellerangabe) |
Tretunterstützung | bis max. 25 km/h, abschaltbar, 5 Unterstützungsmodi |
Bremsen | Tektro-Scheibenbremsen (M280), mechanisch, Discs 180 mm vorn, 160 mm hinten |
Antrieb | Eingang; vorn: 46 Zähne, hinten: 18 Zähne |
Gewicht | 17,2 kg (inklusive Pedale) |
Maximales Gesamtgewicht | 110 kg |
Preis | 1199 Euro (inklusive Versand) |
Ungewöhnlich dabei: Die fünf Fahrmodi sind abgestuft: Bis rund 14 km/h zieht der Motor im ersten mit, bis 25 km/h im fünften. Konstant langsames Fahren ist allerdings kaum möglich. Wer etwa rund 10 km/h halten möchte, sieht sich gezwungen, die Kurbel immer wieder ruhen und das Bike ausrollen zu lassen oder gar abzubremsen, um dann wieder leicht in die Pedale zu treten. Als sei man im stockenden Verkehr auf der Autobahn.
Wer Steigungen mit sehr geringer Trittfrequenz angeht, spürt, dass sich der Motor immer mal wieder stark zurücknimmt. Dann klebt man am Hang und muss mit dem einen, recht hoch übersetzten Gang klarkommen.
Das muss man wissen: In Kurven mit lockerem Untergrund ist es nicht ungefährlich, das California Roll+ zu beschleunigen. Das ist vor allem für ältere Fahrer problematisch, die vielleicht lange nicht im Sattel gesessen haben. Nicht ohne Grund finden sich unter den Sushi-Bikes-Käufern vor allem Radler im Studierendenalter.
Zu begrüßen ist, dass die mechanischen Scheibenbremsen über genügend Kraft verfügen. Zugleich aber scheint die Stahlgabel für die Kräfte nicht steif genug – bei Bremsmanövern verzieht sie sich sichtlich nach hinten. Aber Weinzierl versichert: »Das ist ein Steifigkeitsthema aber kein Stabilitätsthema. Das ist nichts, wo Sie große Sorgen haben müssen, das ist ein absolutes sicheres Fahrrad.« Sushi gibt zwölf Monate Garantie auf Originalteile inklusive Akku und Motor.
Worauf verzichten die Sushi-Macher noch? Dem Rad fehlt etwa eine Federung – doch die Reifen dämpfen auf Asphalt recht ordentlich. Den Akku einmal vollständig aufzuladen, dauert lange: knapp sechs Stunden.
Die mitgelieferte Akku-Beleuchtung wirkt zwar wie Billigware vom Baumarkt – macht das Sushi zusammen mit anderen Pflichtteilen aber verkehrssicher im Sinne der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Da halten viele weit teurere E-Bikes in der Basisversion nicht mit. Zur Alltagstauglichkeit tragen robuste Alu-Schutzbleche bei.
Ein paar Optionen gibt es dann doch: etwa ein Körbchen für vorn (79 Euro extra), einen Gepäckträger (49 Euro) oder eine Vorbauerhöhung für größere Fahrer (30 Euro). Für 120 Euro lässt sich ein Wartungs-Abo für ein Jahr buchen. »Sie können modular aufrüsten«, sagt Weinzierl. Auch das ist ein bewährtes Mittel bei der Vermarktung von Autos, um den Basispreis niedrig zu halten.
Das werden wir in Erinnerung behalten: Das Sushi-Bike ist nichts für Pedelec-Enthusiasten, die auf fein justierte Antriebstechnik stehen. Wer mit den Kompromissen leben kann, findet im Califonia Roll+ eine Alternative im Niedrigpreissektor, wo es bisher nur wenige Räder gibt.