
Rolls-Royce Phantom Series II: Automobiler Hochadel
Autogramm Rolls-Royce Phantom Der Unverbesserliche
DER ERSTE EINDRUCK: Darf man hier tatsächlich mit Schuhen einsteigen? Am liebsten möchte man die draußen abstellen, wenn man zum ersten Mal in diesen Palast tritt: Edles Holz und weiches Leder wohin man blickt, und die Füße versinken fast im flauschigen Teppich. Jetzt nur nichts schmutzig machen, warnt die innere Stimme, während man den Blick über die Motorhaube und vorbei an der Kühlerfigur "Spirit of Ecstasy" schweifen lässt. Läuft der Zwölfzylindermotor eigentlich schon? fragt man sich nach dem Druck auf den Startknopf. Denn ans Ohr dringt nur ein samtenes Flüstern.
DAS SAGT DER HERSTELLER: Rolls-Royce feiert den Phantom als das "beste Auto der Welt". Entsprechend zurückhaltend sind die Briten bei den Veränderungen des Wagens. So, wie niemand auf die Idee käme, die Mona Lisa zu schminken, wurde das Design nur minimal retuschiert und auch bei der Technik nur im Detail nachgebessert. Der 6,75 Liter große V12-Motor wird nun mit einer Achtgang-Automatik verblockt, die noch unmerklicher schaltet als das ohnehin schon geisterhafte Sechsgang-Getriebe bislang.
Hinter der zeitlos eleganten Uhr in der Mittelkonsole verbirgt sich nun ein größerer Bildschirm für das neu programmierte Navigationssystem. "Mehr war an dem Auto nicht zu verbessern", sagt Designer Giles Taylor, "Meisterstück bleibt Meisterstück."
DAS IST UNS AUFGEFALLEN: Nicht nur, dass man am liebsten in Socken fahren möchte - man wird im neuen Phantom generell zu einem anderen Menschen. Man sitzt nicht im Auto, sondern thront. Die Lehne stellt man unbewusst ein paar Grad steiler, die Rücken drückt man durch, den Kopf hält man gerade, und eigentlich würde man jetzt gern noch weiße Handschuhe anziehen, bevor man das spindeldürre Lenkrad des Luxusliners ergreift. Klar könnte man den Wagen auch mit dem kleinen Finger lenken - zumindest auf einem breiten Boulevard und bei gemäßigtem Parade-Tempo. Doch das ziemt sich nicht in diesem Fahrzeug. Hier nimmt man Haltung an. Adel verpflichtet.
DAS MUSS MAN WISSEN: Der Phantom war der erste Rolls-Royce, der unter der Regie von BMW entwickelt wurde und hat bereits neun Jahre auf dem Buckel. Bei gewöhnlichen Autos wäre es also längst Zeit für einen Generationswechsel, doch die Briten werden das Prunkschiff noch einige Jahre lang weiter bauen. Warum auch nicht? Mit bislang rund 7000 Exemplaren ist der Wagen schon jetzt das erfolgreichste Modell in der fast 110-jährigen Firmengeschichte.
Die Serienversionen kosten zwischen 407.121 und 480.189 Euro, es gibt das Modell in vier Karosserievarianten: als Limousine mit langem und kurzem Radstand, als Coupé und als Cabrio, das bei Rolls-Royce vornehm "Drophead Coupé" heißt. Wer sich in diesem technisch weitgehend identischen Quartett nicht für einen Favoriten entscheiden kann, löst dieses Problem meist auf die großzügige Art, sagt Firmenchef Torsten Müller-Ötvös: Viele Kunden kaufen einfach mehrere Varianten.
DAS WERDEN WIR NICHT VERGESSEN: Die ungeheure Leichtigkeit, mit der sich das Dickschiff selbst durch den dichtesten Verkehr bewegen lässt - schnöde Limousinen wie Mercedes S-Klasse oder BMW 7er räumen ehrfürchtig den Weg. Der knapp drei Tonnen schwere Luxusliner gleitet so souverän über den Asphalt wie die "QE II" durch die Wogen des Atlantiks. Weil Zeit im Leben eines Superreichen der eigentliche Luxus ist, will man gar nicht wissen, wie schnell die 460 PS und die 720 Nm des Zwölfzylinders den Wagen bei Eile nach vorn wuchten würden.
Im Gegenteil: Man wird mit jeder Minute hinterm Steuer entspannter und spürt, wie der Pulsschlag langsam eins wird mit dem feinen Ticken der klassischen Uhr, die wie ein Edelstein in der Holzvertäfelung neben dem Lenkrad prangt. Die Aura der tiefenentspannten Mühelosigkeit ist so einzigartig, dass die Briten dafür eigens ein Wort erfunden haben, das man in keinem Wörterbuch findet: "Waftability". Es meint das unglaublich leichte, kaum merkliche Gefühl der Bewegung, das die Insassen eines Rolls-Royce davon trägt - und ihnen glatt die Schuhe auszieht.