
BMW X6 Active Hybrid: Enttäuschende Hochspannung
Sieben Tage mit dem BMW X6 Hybrid Spar-Ambitionen scheitern in arktischer Kälte
Erster Tag: Ein neuer Blick auf das wuchtige Auto
103.000 Euro sind viel Geld. So teuer ist der BMW X6 Active Hybrid in Deutschland. Entsprechend zäh verkauft sich das Auto hierzulande. Zwar ist der Hybrid-SUV der stärkste seiner Art, dafür aber auch erheblich teurer als die vergleichbar motorisierten VW Touareg (74.500 Euro) und Porsche Cayenne (78.636 Euro). In den USA hingegen gilt der Wagen als Spritsparmodell im X6-Angebot. Dort war SPIEGEL ONLINE jetzt auch mit dem Auto unterwegs - und probierte bei einer winterlichen Tour durch die Rocky Mountains aus, wie sich der Antrieb bei eisigen Temperaturen schlägt.
Beim Erstkontakt am Flughafen Denver macht der hierzulande ziemlich umstrittene X6 eine eher zierliche Figur; das Auto ist in den USA natürlich nicht kleiner, doch im Vergleich zu den verbreiteten Pickups oder so genannten Fullsize-Trucks wirkt selbst der schwergewichtige Klotz fast wie ein ganz normales Coupé. Der BMW X6 ist 4,88 Meter lang, 1,98 Meter breit und 1,70 Meter hoch und trägt als Hybridversion eine auffällige Wölbung auf der Motorhaube. Sie ist das Erkennungszeichen dieser Antriebsvariante und viel markanter als der "Hybrid"-Schriftzug an den Flanken und am Heck. Beim Einladen dann wird klar, dass das Auto tatsächlich nicht gar so groß ist. Denn mit einem Kofferraumvolumen von 470 bis 1350 Liter muss erstmal die Rücksitzlehne umgeklappt werden, damit Gepäck für den Winterurlaub und ein bisschen Sportgerät unter die große schräge Klappe passen.
Zweiter Tag: Absurde Leistungswerte und horrender Verbrauch
Gestern Abend rollten wir mit dem Auto nur noch vom Flughafen zum Hotel, heute aber geht es auf der Interstate in die Rocky Mountains. Vom Parkplatz weg surrt der X6 gespenstisch leise nur mit der Kraft des Elektromotors. Doch man braucht das Gaspedal nur wenig stärker niederzudrücken - sofort schaltet sich der V8-Motor zu und macht klar, warum BMW den X6 als "Performance Hybrid" anpreist. Insgesamt 485 PS und 780 Nm Drehmoment treiben den Wagen in lediglich 5,6 Sekunden auf Tempo 100 und ermöglichen eine theoretische Höchstgeschwindigkeit von 236 km/h. Doch weil das weit mehr ist als erlaubt, bleibt das Potential des Kraftpaketes meist ungenutzt. Das Auto schwimmt gelassen mit cirka 100 km/h im Verkehr mit, und auf dem Bordmonitor wird das Spiel der Antriebskräfte veranschaulicht.
Wann sich der Elektroantrieb zuschaltet, wann er als Generator den Akku lädt, wann der Benziner ausgeht - ohne die blauen und roten Grafiken auf dem Bildschirm würde der Fahrer von diesen technischen Wunderdingen kaum etwas erfahren. Eher irritiert ist man dagegen beim Blick auf den Verbrauchswert im Bordcomputer: 13,7 Liter werden als Durchschnittsverbrauch angezeigt, fast vier Liter mehr als der Normwert von 9,9 Liter. Woran mag das liegen? An den Winterreifen? An der Höhe, denn der Highway erreicht deutlich mehr als 3000 Meter? An den steilen Steigungen? Ein Hybridauto jedenfalls haben wir uns sparsamer vorgestellt.
Dritter Tag: Kein Hybrid-Rabatt beim Parken
Heute beginnt der Tag mit einem Lob vom Valet Service. "Cool Car", freut sich der junge Hotelangestellte, der den Wagen aus der Tiefgarage holte. "Sieht scharf aus und fährt auch so." Trotzdem berechnet er kess 28 Dollar für den Stellplatz. Wären wir doch nur nach Kalifornien gefahren. Dort ist der Hybrid-Hype noch immer so groß, dass viele Hotels die Teilzeitstromer kostenlos parken lassen.
Vierter Tag: Konventionell durch die Kälte
Kälteeinbruch in den Rocky Mountains. Über Nacht ist die Temperatur unter 0 Grad gefallen - Fahrenheit, wohl gemerkt! Umgerechnet sind das Minus18 Grad Celsius, das ist entschieden zu kalt für den hochdiffizilen Antrieb. Die Nickel-Metall-Hydrid-Akkus unter dem Kofferraumboden sind zwar klimatisiert und so vor Schaden geschützt, doch für den elektrischen Betrieb verweigert die Steuerelektronik den Stromfluss. Trotz voller Batterie und federleichtem Gasfuß nimmt sofort der V8-Motor den Betrieb auf, und das bleibt auch erst einmal so. "Motortemperatur zu gering" erklärt der Bordcomputer das vorübergehende Ende der Fahrt mit E-Unterstützung.
Fünfter Tag: Der Schrecken in den Gesichtern
Zwischenstopp im Einkaufszentrum. Auf dem großen Parkplatz blickt man immer wieder aus dem X6 Hybrid in erschreckte Gesichter. Denn die zehnminütige Schleichfahrt zwischen den Geschäften absolviert der X6 jetzt wieder beinahe lautlos im Elektromodus. Für die Passanten taucht er deshalb unvermittelt und überraschend im Blickfeld auf. Das ist schon in Deutschland schon ein komisches Gefühl. Aber im winterlichen Colorado, wo die achtzylindrigen Bigblocks der großen Geländewagen durchaus auch im Stand auf dem Parkplatz weiterbollern, ist ein wirklich stilles Mobil beinahe schon unheimlich.
Sechster Tag: Bergab im Elektromodus
Heute Abend geht es in einem einsamen Seitental weit hinauf in die Rockies zu einer Berghütte. Auf dem Rückweg kann der X6 zeigen, was in seinen Akkus steckt. Weil auf den vereisten Straßen nur ein behutsames Tempo möglich ist und es obendrein fast nur bergab geht, überbietet der Hybrid-Geländewagen die Versprechungen seiner Entwickler. Im Prospekt steht eine elektrische Reichweite von 2,5 Kilometern. Doch in dieser Nacht fährt X6 fast 20 Kilometer mit Strom (und Erdanziehungskraft) statt Sprit. Klar, das ist eine Ausnahme. Aber wenigstens eine erfreuliche.
Siebter Tag: Zeit für ein Fazit
Nach mehr als tausend Kilometern ist der Durchschnittsverbrauch zwar etwas gesunken, doch auch der jetzt angezeigte Wert von 12,5 Liter ist keine Glanzleistung. Immerhin schafft man mit dem Hybrid in der tempolimitierten US-Praxis exakt jenen Wert, den BMW für das Modell mit konventionellem V8-Benziner und 407 PS Leistung ausweist. Was bedeutet das? Eigentlich nur, dass der Hybrid-Aufwand überflüssig ist. Wer sparsamer X6 fahren will, kann das beispielsweise mit dem größten Dieselmotor der Baureihe, der ein sattes Drehmoment abliefert und 306 PS leistet und offiziell mit 7,5 Liter Sprit auskommt. Aber wen interessiert das in einem Land, in dem Benzin noch immer billiger ist als Mineralwasser? Eine Tankfüllung Benzin für den X6 kostet umgerechnet weniger als 50 Euro.
Unter dem Strich ist der X6 Hybrid für BMW wie für die Kunden nicht mehr als ein grünes Feigenblatt. Denn für Klimaschützer ist der Wagen ebenso ungeeignet wie für Spritsparer. Aber wenigstens hat das Auto ein paar Superlative zu bieten wie etwa die überbordende Leistung - was für US-Kunden nicht ganz unwichtig sein dürfte.