Autogramm Toyota Mirai 2 Wasserstoff für den Weltmarkt

Toyota sagt, man werde den neuen Mirai in erster Line wegen seines Designs kaufen und nicht wegen seines Brennstoffzellenantriebs
Foto: ToyotaDer erste Eindruck: Unscheinbar. Nichts deutet darauf hin, dass unter dem Blech der modernste Alternativantrieb steckt, den die Autoindustrie derzeit zu bieten hat: die Brennstoffzelle.
Das sagt der Hersteller: Den ersten Mirai haben die meisten Menschen wohl nicht in bester Erinnerung. Er hatte zukunftsweisende Technik unter der Haube, aber null »Must-have«-Faktor, weil das Design sehr gewöhnungsbedürftig ausfällt. Es wundert nicht, dass nur wenige Hundert Mirais den Weg nach Deutschland fanden. Weltweit wurden gerade einmal 11.000 Einheiten abgesetzt. Was kaum jemand weiß: Jeder Mirai entstand in aufwendiger Handarbeit, innerhalb von fünf Jahren hätten deswegen gar nicht wesentlich mehr Autos produziert werden können.
Das soll sich künftig ändern. Toyota will mindestens zehnmal so viele Mirais verkaufen. Von 30.000 Stück jährlich ist die Rede. »Die Menschen werden dieses Auto wegen seiner Leistung und seines Aussehens besitzen wollen, nicht weil es ein Brennstoffzellen-Fahrzeug ist«, sagt Yoshikazu Tanaka, der Chef-Ingenieur des Mirai. Beim Vorgängermodell war es genau umgekehrt.
Das ist uns aufgefallen: Reinsetzen und losfahren. Eingewöhnung? Nicht nötig. Toyota hat auf ein übertrieben progressives Cockpit verzichtet. Schalter, Hebel und Knöpfe sind im Mirai selbsterklärend. Der Digital-Tacho ist leicht abzulesen, das große Display in der Mitte einfach zu bedienen. Verarbeitungsqualität und Materialien haben Oberklasseniveau. Man könnte denken, in einem Lexus zu sitzen, wäre da nicht das Toyota-Emblem im Lenkrad.
Der Mirai überrascht beim Fahren durch ein extrem niedriges Geräuschniveau. Während man beim Vorgänger noch einen Soundmix aus Heulen des Lüfters für die Brennstoffzelle und dem Rauschen der Pumpe für den Wasserstoff hören konnte, herrscht jetzt Ruhe. Weitere Verbesserungen im Komfort brachte die deutlich steifere Karosserie – laut Yoshikazu Tanaka die stabilste der gesamten Toyota-Pkw-Palette – sowie die Verlegung der Brennstoffzellen-Stacks von der Unterseite des Fahrersitzes in den Vorderwagen des Autos. »Die Geräuschquelle wurde damit aus dem Fahrerraum entfernt«, so Tanaka.

Der Mirai gleitet mehr, als dass er rollt. Obwohl der Elektromotor mit 134 kW/182 PS nicht gerade ein Powerpaket darstellt, schickt er doch aus dem Stand volle 300 Newtonmeter Drehmoment in Richtung Hinterachse und vermittelt so ein durchaus souveränes Fahrgefühl. Für den heutigen Verkehrsalltag reicht es in jedem Fall. Sportlich engagiertes Beschleunigen dürfte bei Mirai-Besitzern ohnehin nicht auf der Prioritätenliste stehen. Sie genießen das einzigartige Gefühl, per Wasserstoff und Strom emissionsfrei unterwegs zu sein. Diesel und Benziner kommen einem vor wie ein Anachronismus.
Das muss man wissen: Mirai Nummer zwei ist ein komplett neu entwickeltes Fahrzeug und hat mit seinem Vorgänger nur noch den Namen gemein. Die technische Basis nennt sich GA-L und stammt vom Lexus LS 500, ist also ein Heckantriebsplattform (Der 1. Mirai hatte Frontantrieb). Ganz oben auf der To-do-Liste stand bei den Ingenieuren die Erhöhung der Reichweite, schon allein, um den derzeit besten Batterie-elektrischen Autos Paroli bieten zu können.
Der neue Mirai soll nach dem WLTP-Zyklus jetzt 650 Kilometer schaffen (vorher: 500 km). Erreicht wurde dies vor allem durch effizientere Brennstoffzellen und eine Vergrößerung des Tankvolumens. Unter der Limousine stecken jetzt drei Wasserstofftanks, in die zusammen 5,6 Kilogramm des energiereichen Gases passen. Den Durchschnittsverbrauch gibt Toyota mit 0,76 kg/100 km an.
Seinen größten Vorteil gegenüber einem Batterie-Elektroauto spielt der Mirai an der Tankstelle aus. Er lässt sich innerhalb von fünf Minuten komplett befüllen. Der Fahrer braucht also in dieser Beziehung sein Nutzungsverhalten kaum umzustellen. Er muss zum Bezahlen nicht einmal den Kassenraum der Tankstelle betreten, sondern hält seine Karte nur kurz an die Zapfsäule. Derzeit kostet das Kilogramm Wasserstoff etwa 9,50 Euro. »Vergleicht man dies mit einem konventionellen Auto, läge der Verbrauch des Mirai bei sieben Liter Benzin auf 100 Kilometer«, sagt Alain Uyttenhoven, Präsident Toyota Deutschland.
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Ein (Komfort-)Problem für Fahrer von Brennstoffzellenautos bleibt das dünne Netz an Wasserstofftankstellen. Derzeit existieren 87 Säulen in Deutschland, sie stehen an den wichtigsten Verkehrsachsen und in sieben Metropolregionen. Geplant waren einmal 400 Säulen bis Ende 2023. Davon ist man wieder abgekommen, weil es weniger Brennstoffzellenautos gibt als erwartet. »Das derzeitige Netz ist aber bereits ausreichend für eine Kapazität von etwa 35.000 H2-Pkw mit Reichweiten von 500 bis 700 Kilometern«, sagt H2-Mobility-Sprecherin Sybille Riepe.
Mit regenerativ erzeugtem ("grünen") Wasserstoff führe der Mirai nicht nur komplett klimaneutral, Toyota bezeichnet den Wagen sogar als »ein Auto mit negativem Emissionsausstoß«. Die angesaugte Umgebungsluft für die chemische Reaktion in den Brennstoffzellen wird derart fein gefiltert und katalytisch gereinigt, dass sie das System deutlich sauber wieder verlässt. »Der Mirai reinigt beim Fahren die Atmosphäre«, sagt Projektmanager Ryotaro Shimizu, und hat sich dafür gleich das passende Gimmick einfallen lassen. Auf dem Display im Cockpit kann sich der Fahrer anzeigen lassen, wie viel Liter Luft der Mirai bereits gereinigt hat und wie vielen Menschen diese Menge für ein Jahr als Atemluft reicht.
Der neue Mirai wird, wenn er im kommenden April in den Markt geht, in der Basisversion 63.900 Euro kosten und damit rund 20 Prozent günstiger sein als sein Vorgänger. Der Grund liegt vor allem in den geplanten höheren Stückzahlen und den deutlich optimierten Produktionsmethoden. Als Beispiel nennt Projektleiter Tsuyoshi Takahashi die Einzel-Brennstoffzelle. »Brauchte es zuvor noch 15 Minuten, um eine Zelle herzustellen, so passiert dies heute voll automatisiert in wenigen Sekunden.« Selbst in der Topversion wird der Mirai nicht mehr als 74.000 Euro kosten und wäre damit preislich vergleichbar mit einer entsprechend ausgestatteten BMW-5er-Business-Limousine.
Technische Daten
Hersteller: | Toyota |
Typ: | Mirai |
Karosserie: | viertürige Limousine |
Motor: | Elektro |
Getriebe: | 1-Gang |
Antrieb: | Hinterräder |
Leistung: | 134 kW/182 PS |
Drehmoment: | 300 Nm |
Von 0 auf 100: | 9,2 s |
Höchstgeschw.: | 180 km/h |
Tankkapazität | 5,6 Kilogramm |
Reichweite | zirka 650 km |
Verbrauch: | zirka 0,76 kg /100 km |
CO2-Ausstoß: | 0 g/km |
Leergewicht: | 1.900 kg |
Kofferraum: | k.A. |
Maße: | 4.975 / 1.885 /1.480 mm |
Wendekreis: | 12,6 m |
Preis: | ab 63.900 Euro |
Konkurrenz hat der Mirai nicht zu fürchten, in seiner Klasse bleibt er auf Jahre exklusiv. Die deutschen Hersteller reagieren nicht vor 2025, und wenn, dann höchstens mit einem großen SUV, wie es Audi und BMW planen. Mercedes hat sich dieses Jahr mit dem GLC F-Cell nach einer Kleinserie von wenigen Hundert Fahrzeugen von der Brennstoffzelle im Pkw-Segment verabschiedet, will die Wasserstofftechnik zukünftig aber bei Lastwagen einsetzen. Auch Toyota plant, seine Brennstoffzellen-Stacks in schweren Nutzfahrzeugen sowie Bussen einzusetzen. »Durch diese Skalierungsstrategie können die hohen Kosten massiv gesenkt werden«, sagt Klaus Schmitz, Partner der Strategieberatung Arthur D. Little.
Das werden wir nicht vergessen: Den kleinen Button links am Armaturenbrett mit der blauen Aufschrift "H2O". Den hatte bereits der Vorgänger. Mirai-Fahrer nennen ihn »Pipi-Knopf«. Drückt man ihn, entledigt sich die Brennstoffzelle ihres überschüssigen Wassers. Normalerweise macht sie das in gewissen Intervallen automatisch. Wer aber zum Beispiel eine Pfütze in seiner Garage vermeiden möchte, lässt die Flüssigkeit zuvor einfach manuell ab.