40 Jahre Ford Capri Star-Appeal in Senfgelb
"Der Hecht aus der blauen Grotte" - so poetisch drückte sich das Fachorgan "Der Deutsche Arzt" aus, als es seiner touristisch versierten Leserschaft vor 40 Jahren den Ford Capri vorstellte. Um ein Haar hätte es dieses Sprachbild nicht gegeben, denn eigentlich sollte der Capri Colt heißen - doch diesen Namen hatte sich damals schon Mitsubishi reserviert.
Also wurde aus dem Fohlen eine Sehnsuchtsinsel. Egal, Hauptsache der Name begann mit C - denn dieser Buchstabe klang 1969 sehr weltgewandt.
Ford versuchte, mit dem Capri in Europa jenen Erfolg zu wiederholen, den der Mustang dem Unternehmen in den USA beschert hatte. Restlos überzeugt von dem Vorhaben waren die Kölner Autowerker aber offenbar nicht. Die Presse informierte man erstmals über das Fahrzeug unter der Überschrift "Ein außergewöhnliches Fahrzeug für einen gewöhnlichen Markt" - Siegertypen preist man anders an.
Im Januar 1969 wurde der Wagen auf dem Brüsseler Autosalon vorgestellt, einige Wochen später kam er auf die Straßen, und dort wurde er dann doch zum Renner. Vor allem auf Disco-Parkplätzen und vor dem Eiscafé war der Capri der Star der Schlaghosen-Generation. Quasi der Plateauschuh auf Rädern.
Der wirklich echte Capri ist das 150-PS-Modell RS
Das Fahrwerk des Capri stammte aus dem braven Familienauto Taunus. Die Motorenpalette reichte anfangs von 50 bis 108 PS, und die Basisversion mit einer 1,3-Liter-V4-Maschine unter der weiten Haube kostete 6995 Mark. Zu diesem Preis war der Capri zu dieser Zeit zweifellos das rassigste Auto, das man kaufen konnte. Zwei Türen, vier Sitze und ein brauchbarer Kofferraum - selten wurde ein so cleverer Kompromiss aus sportlicher Optik und familientauglichem Innenleben gefunden.
Als einzig wahrer Capri gilt unter Enthusiasten die Variante 2600 RS, die 1970 vorgestellt wurde und das bis dahin rasanteste Auto der Kölner Ford-Werke überhaupt war. Unter der stets mattschwarz lackierten Motorhaube brabbelte ein V6-Motor mit 150 PS, Kugelfischer-Einspritzung und giftigem Sound. Ein Sportfahrwerk, Schalensitze und ein kleines, dickes Dreispeichen-Lenkrad heizten die Vollgas-Atmosphäre weiter an. Wer damals einen Capri 2600 RS pilotierte, konnte durchaus Porsche-Fahrer erschrecken. Und überholen. 15.800 Mark kostet das Auto damals - die gut erhaltenen, sehr selten gewordenen RS-Typen erzielen heute Preise von bis zu 22.000 Euro.
SPIEGEL ONLINE fuhr jetzt mit einem solchen Gerät aus dem Baujahr '72 (siehe Video). Der Oldie ließ erkennen, dass er mal ein ganz heißes Eisen war - und eigentlich noch ist.
Respektvolle Blicke an der Ampel, freundlich grüßende Passanten auf dem Bürgersteig und fotografierende Nachtschwärmer beim Stopp auf der Reeperbahn - der Capri hat auch nach 40 Jahren noch Sex-Appeal.
Wer erst einmal drinnen Platz genommen hat, verliert sich in einer anderen Welt. Sechs Rundinstrumente sind im Cockpit-Rechteck verteilt. Die Viergang-Handschaltung wird nicht über einen Knüppel bedient, sondern eher mit einem filigranen Stab dirigiert. Natürlich werden die Fenster noch gekurbelt, die kleinen hinteren Scheiben sind fest. Die sportlich geformten Sitze vermitteln ein Gefühl von Geborgenheit im guten alten Auto, das von Airbags, ABS oder ESP noch nichts weiß.
1,9 Millionen Capri waren ein toller Erfolg für Ford
Der Capri 2600 RS war auch die Basis für die Motorsportkarriere des Coupés aus Köln. Gleich im ersten Jahr 1971 holte Dieter Glemser mit dem Auto den Titel in der Tourenwagen-Europameisterschaft. Jochen Mass gewann im Capri acht von acht Läufen zur Deutschen Rundstrecken-Meisterschaft - und damit logischerweise auch den Meistertitel. Es folgten zahlreiche weitere Trophäen. Bis 1981 reüssierte das Auto in diversen Rennserien - darunter als 580 PS starker Super-Capri in der großen Division über zwei Liter Hubraum, dem angestammten Revier von Porsches Fegern.
Gut 1,9 Millionen Modelle des Capri wurden 1969 bis 1986 gebaut, es gab den Wagen in drei Generationen. Damit gelang ihm ein beachtlicher Erfolg - trotz Ölkrise und obwohl plötzlich auch andere Hersteller alltagstaugliche Coupés auf die Räder stellten. Opel zum Beispiel ab 1970 den Manta A und VW ab 1974 den Scirocco.
"Schade, dass solche Autos nicht mehr gebaut werden", sagten Passanten, die SPIEGEL ONLINE auf den Ford Capri ansprach. Wirklich schade. Denn entgegen immer wieder aufkommender Gerüchte, Ford plane ein Comeback des Capri, ist nach offizieller Auskunft nichts dergleichen im Gespräch: "Es wird keinen neuen Capri geben. Zumal der Markt gerade nicht nach Coupés lechzt", sagt ein Sprecher.
Für den Capri wird die Sonne also nicht mehr aufgehen. Doch untergegangen ist sie auch noch nicht.
Der Wagen schimmert heute noch genauso verführerisch im Rotlicht wie damals, in seiner großen, wilden Zeit.