Abwrackprämie Trabis letzte Fahrt

Dieser Ossi wird abgewrackt: Wegen seines Trabant P 601 ist Fabian Behnsch im fränkischen Coburg bekannt wie ein bunter Hund. Nun opfert er den Wagen, um die Umweltprämie zu kassieren. Als der Abschied naht, plagen den 20-Jährigen Zweifel - soll er seinen ersten Wagen wirklich verschrotten lassen?
Von Christina Schmitt

Es wird ihn Überwindung kosten, das weiß er. Fabian Behnsch kniet vor seinem lilafarbenen Trabi. Seine Hände wandern über den Kühlergrill, flink drehen seine Finger die Schrauben ab. Jetzt ist auch das letzte Teil ausgebaut; der Trabi ist reif für den Schrottplatz.

Der 20-Jährige wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Der schwierigste Moment ist gekommen: der Abschied. Noch immer hadert er mit sich selbst. Seine Oma steht vor ihm und schießt noch ein paar letzte Fotos. Sogar der Nachbar kommt aus seiner Werkstatt. Wie oft hatte er Fabian geholfen, wenn der Trabi mal wieder streikte? Wie oft hatte er mit dem Kopf geschüttelt über den Jungen, der einfach nicht einsehen wollte, wie wenig sein Auto taugt? Nun steht der Nachbar da, die Arme verschränkt, breit grinsend. Der Triumph steht ihm ins Gesicht geschrieben, doch er verkneift sich jeden Kommentar.

Täglich fuhr Fabian mit seinem Trabi zur Arbeit in die Brauerei. "Du stehst zeitig auf und schaust lieber gleich, ob er anspringt. Und manchmal hab ich um sechs Uhr morgens schon schrauben müssen", erzählt er. Dass er ein zuverlässiges Auto brauchte, war ihm spätestens im Winter klar geworden. Denn Schnee und Kälte sind für den Trabi ein Problem. "Ich bin auf der Straße hin und her geschlittert. Und wenn du in diesem Auto einen Unfall baust, kannst du davon ausgehen, dass du tot bist."

Klare Rechnung: Für den Trabi lohnt sich das Abwracken

Über ein neues Auto hatte er immer mal wieder nachgedacht. Die Abwrackprämie brachte die endgültige Entscheidung. Die Rechnung ist einfach: Für seinen Trabi hätte Fabian vielleicht noch 700 Euro bekommen, mit der Abwrackprämie und den ausgebauten Einzelteilen werden es mehr als 2500 Euro.

Und doch ist das alles eben nicht so einfach, jetzt, da es ernst wird. Fabian rollt seine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Er weiß nicht recht, ob seine Entscheidung richtig war. Schließlich wrackt er nicht irgendein Fahrzeug ab. Es ist sein erstes eigenes Auto, sozusagen die Freiheit auf vier Rädern.

Der Trabi habe ihn durch die beste Zeit seines Lebens begleitet. Nach dem Abitur, als Beruf und Studium noch weit entfernt schienen, als die Zukunft ungewiss war. Vor ihm die Straße, neben ihm sein bester Freund und um sie herum das Rattern des Zweitakters - der Sound des Sommers.

Bekannt wie ein bunter Hund

Zu Hause, im fränkischen Coburg, kennt ihn fast jeder, den Typ mit der roten Mütze und dem lila Trabant. Wenn er nach der Arbeit von seiner Brauerei nach Hause knatterte, wartete oft schon eine Polizeistreife, um ihn anzuhalten. "Meistens wollen die das Auto nur begutachten", erzählt er stolz. Und bei den Mädchen komme sein Trabi natürlich besser an als ein alter VW-Polo.

Fabian tippt auf seinem Handy, er will etwas zeigen. Zusammen mit einem Freund habe er sogar ein Trabi-Lied aufgenommen. Aus dem Lautsprecher schallt Fabians Stimme: "Ich hab Zweitakt-Mische in den Pulsadern" und "Ich bin der Typ, der aus Liebe auch seinen Trabi schiebt." Eigentlich, erzählt Fabian, sei das Ganze nur eine HipHop-Verarsche. Doch wer hinhört, weiß: Es ist viel mehr als das.

Sein Freund Dorsch ist vorbeigekommen - als moralische Unterstützung, wie er sagt. Er klopft Fabian auf die Schulter: "Freu dich doch mal über dein neues Auto." Fabian nickt, überzeugt ist er dennoch nicht. Wer nie einen Trabant gefahren habe, könne seine Situation gar nicht verstehen, erwidert er. "Vielleicht sitze ich bei dem anderen Auto bequemer, vielleicht beschleunigt es schneller. Aber einen Trabi zu fahren, ist tausendmal besser", schwärmt er.

Wenn er von seinem Trabi erzählt, schwingt Begeisterung in jedem seiner Worte. Oft hätten andere Autofahrer versucht, ihn zu überholen. Aber sein Trabi könne auch schnell fahren. Weil ihm das nie jemand glauben mag, wollte er neulich den Beweis antreten: Als die Polizei einen Blitzer aufstellte, sei er extra daran vorbeigebraust, dreimal mit Tempo 110. Auf das Foto wartet er immer noch.

Heute Morgen wollte Fabian ein letztes Mal mit seinem Trabi fahren, noch einmal Gas geben, noch einmal den Motor zum Ächzen bringen. Doch der Trabi wollte nicht. "Plötzlich ist er nur noch 40 Kilometer pro Stunde gefahren - wahrscheinlich wollte er mir den Abschied leichter machen", sagt Fabian und streichelt behutsam die Motorhaube.

Der Nachbar stellt sein Auto vor dem Trabi ab: Gezogen von einem Opel Astra tritt er nun seine letzte Fahrt an. Widerwillig tappt Fabian zur Fahrerseite, doch Zweifel kann er sich jetzt nicht mehr leisten. Noch einmal klopft er seinem Trabi aufs Dach. Die letzte Fahrt kann beginnen.

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